Frage eines Vaters auf Facebook: Kann man mit einem „Fast-Siebenjährigen“ in den „Star Wars“-Film gehen? Das zugehörige Foto zeigt ein selbst gemaltes Bild mit der Zeile „Ich will das Erwachen der Macht küken“, das als Aufforderung den Eltern präsentiert wurde. Für einen Sechsjährigen, der bald Geburtstag hat, ist das eine Leistung, hinter der ein großer Wunsch steht. Es entspann sich unter dem Posting eine Diskussion über den Film. Die Mehrheit derjenigen, die den Film gesehen hatten, riet schlicht ab. Ein Mann riet dazu, hinterher lange, intensive Gespräche zu führen, um dem Kind, also dem Sechsjährigen, die Bedeutungen klarzumachen und etwaige Schrecken zu mildern. Quelle: AP Mehrere Menschen verwiesen darauf, dass die Freiwillige Selbstkontrolle die Altersfreigabe von zwölf Jahren vorsieht (in den USA ab 13) – und dies auch seine Berechtigung habe. Ein Mann wusste, dass man diese Beschränkung umgehen kann, wenn Eltern ihre minderjährigen Kinder begleiten, und dann die Freigabe ab sechs Jahren möglich ist.
Der Mann postete einen lächelnden Smiley dazu, als gehe es darum, die Kinobetreiber oder den Staat auszutricksen, jedenfalls diejenigen, die diese unsinnige Vorschrift irgendwie erfunden haben. Natürlich ist der Wunsch von Kindern groß, den Film im Kino zu sehen, über den sie monatelang etwas gehört haben und dessen Spielzeug schon lange in ihren Zimmern liegt. Zugleich bleibt es ein enorm aufwendiges, hochkomplexes Produkt, das mit Blick auf mehrere Generationen potenzieller Zuschauer hergestellt wurde, das tief und enorm selbstreferentiell in einem 40 Jahren alten mythopoetischen System verankert ist, dem stärksten unserer Zeit. Und es ist natürlich ein Film, der mit einer Massenexekutionsszene startet und mit einem Monster aufwartet, mit Kriegsschlachten, mit Mord und Menschenausrottung in gewaltigem Ausmaß. Ist das Kindern unter zwölf Jahren zumutbar, fast Siebenjährigen? Erstaunliche Laxheit der Eltern Es ist erstaunlich, wie lax Eltern bei der Frage sind, was ihre Kinder im Kino sehen dürfen, und wann.
Die gleichen Erwachsenen, die sich um die Fernsehgewohnheiten, die Essgewohnheiten, die Spielfreiräume, die Kletterhöhen bei Türmen auf dem Spielplatz und bei Bäumen im Wald die höchsten Sorgen machen, nehmen ihre Kinder oft mit in Filme, die im Kern wenig kindgerecht sind. Das Eventdenken, von dem auch Eltern erfasst sind, ummantelt etwaige Bedenken. Das war bei „Harry Potter“ so, der zwar die Abenteuer von Teenagern erzählte, aber vielfach auch von kleinen Kindern verehrt wurde, das war bei Literaturverfilmungen wie „Der Herr der Ringe“ und „Der Hobbit“ so. Auch bei Komödien wie „Fack ju Göthe“ und „Keinohrhasen“ war diese Naivität zu beobachten, wo zur Erbauung der unter Zwölfjährigen in Begleitung ehrlich überraschter Erziehungsberechtigter rüde Ausdrucksweise und sexuelle Verkehrsregelungen thematisiert wurden. Diese Eventmanie erfasst alle Bildungsschichten, es wäre unlauter, mit dem Finger auf andere zu zeigen. Die Coolness von „Star Wars“, das konnte in den vergangenen Wochen jeder lesen, reklamieren auch Intellektuelle und Akademiker gerne für sich.
Wenn alle – Männer? – vor dem Kinoeingang zu Kindern werden, müssen die Kinder eben mit. Eine Kollegin erzählte die Tage von ihrem neun Jahre alten Sohn, der kaum Fernsehen schaut, kaum ins Kino geht und noch keinen „Star Wars“-Film gesehen hat. Er war zu einem Kindergeburtstag eingeladen, die insgesamt fünf Jungen sollten ins Kino zu „Das Erwachen der Macht“ gehen. Angst und Schlafstörungen Der Vater des Geburtstagskindes hatte sich das ausgedacht und Karten besorgt. Sollte die Kollegin den Geburtstag für ihren Sohn absagen? Sollte sie ihn gehen lassen, auf die Gefahr, dass der Junge sich fürchtet oder später schlecht schlafen konnte? Auch hier, im gutbürgerlichen Milieu, spielten moralische Fragen, Risiken und Nebenwirkungen offensichtlich keine Rolle. Jedes Kind reagiert unterschiedlich und hat eigene Vorbildung, es muss bei Episode VII nicht generell zu negativen Auswirkungen kommen. Aber jenseits der Frage, ob Kinder durch dargestellte Gewalt oder komplexe Erzählung beeinträchtigt oder verwirrt werden, steht die Frage nach den Fantasieräumen.
Dort setzt ein unheilvoller und oft nicht beachteter Lernprozess ein. Durch einen Film wie „Das Erwachen der Macht“ wird ganz grundsätzlich eine Vorstellung geschaffen, was und wie im Kino erzählt wird. Der Zyklus vereint alle denkbaren Genres, Märchen-, Ritter- und Piratenfilme, Abenteuer- und Kriegsfilm, natürlich Science-Fiction. Die Blaupausen sind deutlich erkennbar, was auch bedeutet, der Zuschauer soll sie erkennen; darin liegt ja das Vergnügen. Allerdings setzt das voraus, dass die Genres bekannt sind. Das ist oft deshalb nicht der Fall, weil eben „Star Wars“ und andere Eventerzählungen alles überlagern. Wer also die Lichtschwerter gesehen hat, für den verlieren die Schwerter von Prinz Eisenherz und Robin Hood sofort an Bedeutung – Akira Kurosawas Samuraischwerter, die ursprünglich den Bezugsrahmen bildeten, kennt ohnehin kaum jemand mehr. Pippi Langstrumpfs Ringen mit Messer-Jocke und Blut-Svente erscheint, verglichen mit Han Solo oder Kapitän Jack Sparrow aus „Fluch der Karibik“, als hoffnungslos überaltert – obwohl genau für Acht- oder Zehnjährige erdacht.