Diagnostische Macht

Diagnostische Macht

zur Manipulation der Massen

Kurz:

Marianne Gronemeyer über diagnostische Macht:


aus:

Marianne Gronemeyer über diagnostische Macht

https://www.youtube.com/watch?v=nYZq_GVqtgg




Kompletter Vortrag als Text:


Die Diagnostische Macht ist um vieles verschwiegener und unkenntlicher als die Besitzmacht.

Sie ist so verschwiegen und unkenntlich, dass Sie in den Machtdiskursen überhaupt nicht vorkommt.


Diagnostische Macht entsteht aus dem NORMALITÄTSMONOPOL.

Wer sich das Recht anmaßt, wem es aber auch zugestanden wird, zu dekretieren war in einer Gesellschaft als NORMAL gelten darf, der verfügt über diagnostische Macht.


Es ist leicht zu sehen das diese Macht vor keiner Erscheinungsform des Lebens halt machen muss.

Die Frage was als NORMAL, was gerade noch als tollerabel und was als unduldbare Abweichung, als krankhafte Ausdrucksform des Menschseins zu gelten hat, ist beliebig wiederholbar und prinzipiell in jedem Lebenswinkel voranzutreiben.


Wer darf sich gesund fühlen? Ich brauche nur auf die Differenz zwischen dem Befinden eines Menschen, das leider nichts gilt und dem BEFUND der vom Normalitätsdekretierer festgestellt wird, hinzuweisen.


Welchen Spielraum hat die Vernunft ehe sie in Unvernunft abgleitet? Sind Mythen unvernünftig, Glaube, Vertrauen, Hoffnung noch auf die Seite der Rationalität zu scharen. 


Welche Empfindungen darf sich jemand leisten ohne Auffällig zu werden?

Welche Sprache darf man sprechen ohne ungebildet zu erscheinen? Englisch Ja, dialekt Nein.


Welches Wissen ist tauglich um den Verdikt der Dummheit zu entgehen.

Wo sind die Grenzen des guten Geschmacks.


Was ist Lüge was ist Wahrheit?

Was ist gut, was ist schlecht,

Was ist recht, was ist unrecht.

wer ist verrückt und wer normal.

Welches Verhalten ist originell und welches gestört.


Mit der Antwort auf diese Fragen wird über ZUGEHÖRIGKEIT UND NICHT ZUGEHÖRIGKEIT entschieden.

Die Legitimationsquelle aus der die diagnostische Macht schöpft ist das EXPERTENTUM.

Expertentum macht den der es nachweist in NORMALITÄTSFRAGEN zuständig und URTEILSFÄHIG.


Die Legitimationsbasis dieser diagnostischen Macht ist ersichtlich viel solider und zwingender als die windige Verführungskunst mit der sich die Besitzmacht Popularität verschafft.

Der Experte ist der professionelle Beobachter von Missständen. Die Diagnose etwas sein ein Missstand oder weniger drastisch und achten sie bitte darauf "Etwas sei ein Problem".

PROBLEME WERDEN DURCH DIAGNOSE GESCHAFFEN, das müssen wir uns klar machen.


Also diese Diagnose enthält die Verpflichtung ABHILFE zu schaffen, einen Beseitigungsimperativ sozusagen.

In der Tat nimmt der Experte diese Verantwortung auf sich. Seine wirkliche Macht wächst ihm weniger als seiner überragenden Urteilsfähigkeit zu , sondern vielmehr daraus dass der über die Mittel verfügt NORMALITÄT ZU PRODUZIEREN UND SIE DANN AUCH ZU SCHÜTZEN.


Sein Diagnosemittel ist das Apparategestützte KnowHow. Resultat des Produktionsvorgangs sind unzählige Dienstleistungen zu NORMALISLIERUNG beliebiger Erscheinungsformen des Lebens. Staunenswerterweise werden diese heute auch schon schamlos PRODUKTE genannte, also als käufliche Produkte angepriesen.

Das Wort STANDARDS feiert fröhliche Urstände heut.

Ein unerschöpflicher Ausstausch an Bildungs, Heilungs und Versorgungseinheiten im dienste der Optimierung oder mindestens Normalisierung menschlicher Existenz findet täglich statt. 


Diagnostische Macht erhebt nicht nur Anspruch darauf verbindlich zu definieren was normal ist , sondern sie erschöpft sich nicht daran verpflichtende Standards vorzuschreiben, sie MONOPOLISIERT AUCH DIE VERFAHREN mit deren Hilfe die jeweiligen Normalitätsstandards erreicht werden können.

Nur innerhalb von der von ihr verwalteten und überwachtenden Verfahren und nach den dort geltenden Regeln kann der Menschen zu seinem Menschelichen Wesen gelangen.


Nur durch die Schule… kann er gebildet werden.

Nur durch den Arzt …. gesund.

Nur mit Hilfe der Wissenschaft … vernünftig.

Nur durch die Medien … informiert.

Nur durch den Rechtsspruch … gerecht.

und nur durch den Therapeuthen… er selbst.


Um sich zu einer Gruppe zusammenzufinden, braucht man einen Sozialarbeiter.

Um einem Nachbarn zu begegnen einen Gemeinwesenarbeiter.

Um einen Konflikt in der Familie zu lösen einen Rechtsbeistand.

Um einen Freund zu begraben einen Beerdigungsunternehmer.

Und um selbst zu sterben einen Thanatologen.


Der ZAUN IST DAS SYMBOL AUCH DER DIAGNOSTISCHEN MACHT.

Diente er der Besitzmacht zur Aussperrung und Verhinderung der allgemeinen Zugänglichkeit und des allgemeinen Zugriffs zu den Gaben der Natur, so dient er der Diagnostischen Macht zur Einsperrung in die herrschende von ihr beherrschte durchregelte und mit Institutionen vollgestellte NORMALITÄT.


Wie wohl sie unnachgiebig über die Erhaltung und Einhaltung ihrer Ordnung wacht, zieht jedoch die diagnostische Macht, den sanften den integrativen Weg ihrer Durchsetzung vor.


Sie ist mehr als Besserung als , als auf Bestrafung. Sie handelt lieber Pädagogisch als punitiv. Sie gemeindet lieber ein als das sie verstößt. Aber auch sie hält die Untertanen mit RIVALITÄT BEI DER STANGE.

Mit einer merkwürdigen Konkurrenz , mit einer erbitterten Konkurrenz um Konformität.

Auch sie erhält sich durch die systematische Zersetzung der Daseinsmächtigkeit und der Selbsterhaltungskompetenz.


Dass sie den Menschen das Recht verwehrt nach sebstgesetzten Zielen ihr Leben einzurichten IST IHR METIER. Ihr Metier ist die Klientelisierung ganzer Gesellschaften. 

Eher nicht einer ein Mehrfachklient geworden ist, kann er nicht als hinreichend loyal gelten und gibt zur Beunruhigung Anlass. 

Diagnose steht im Dienst der Massenproduktion von Loyalität.

Wer nicht Klient oder wie man heute sagt Kunde einer Dienstleistungsfirma geworden ist oder sich mindestens zur besseren Selbstverwaltung einer Selbsthilfegruppe angeschlossen hat, steht unter dem Verdacht SEINEN BÜRGERPFLICHTEN, will sagen seiner bequemen Verwaltbarkeit zu entziehen.


Diagnostische Macht tritt Ihren Untertanen mit freundlichen Untertanen mit freundlichen Gesicht gegenüber.

Aber sie hat doch eine spezifische Anfälligkeit und das mag uns vielleicht ein wenig Hoffnung geben.

Sie ist von einer gewissen Zerbrechlichkeit.

Sie ist nämlich angewiesen auf die Kollaboration der MACHTUNTERWORFENEN.


Ohne das diese die den Angeboten der Macht entsprechenden Bedürfnisse ausbilden, ist diese Macht NICHT existent. Nicht Existent.

Lassen sie mich das an einem Beispiel verdeutlichen. Wenn meine Studierenden an der Hochschule auf die fantastische Idee verfielen zu sagen "Ja bilden will ich mich wohl gern aber auf das Diplom pfeife ich." Dann wäre meine Macht an der Hochschule zu Staub zerfallen. Denn woraus meine Amtsmacht besteht, sie besteht daraus, dass ich das Diplom, DIE BESCHEINIGTE BILDUNG verwalte und wenn sie auf die Bescheinigung verzichten, dann könnten sie sich wunderbar bilden… denn das kann jeder. Das ist nicht eine Frage der Bildungsinstitution. Das ist eine Gabe die jedem Menschen und sei er auch noch so kümmerlich in die Wiege gelegt wird.


Wenn sie auf diese Idee verfielen könnten sie den ganzen Mist der Prüfungsordnung und der Gängelei durch Zensuren und dergleichen mehr aus ihrem und unsere Macht, die Macht der institutionalisierten Bildungsorgane wäre nichts. Nur um ihnen das zu verdeutlichen. Das gleiche gilt natürlich auch für Ärzte und alle möglichen Experten.


Also erst das verzweifelte Bedürfnis nach Zugehörigkeit, erst die Anerkennung der Verordnung der Normalitätsstandards, und die Einsicht dass man ihnen nicht hinreichend genügt, begründen das Abhängigkeitsverhältnis zwischen diagnostischer Macht und Diagnosesklaven. 

 

Nur die allgemein gewordene Begehrlichkeit in Sachen Normalität setzt die Normalitätsverordnung in Kraft.

Bedürfnisse lassen sich nun aber nicht zwingen, sie lassen sich nur wecken.

Elegant also ist diagnostische Macht und darin hat sie es relativ weit gebracht, wenn sie die Teilhabe an ihren Segnungen als "RECHT AUF" deklariert. 


Solange wir von einer Schulpflicht reden, die sich als ziemlich trübe Kernerarbeit die jeder Mitbürger leisten muss entlarvt, so lange ist die Macht nicht elegant, aber wenn sie VON EINEM RECHT AUF BILDUNG redet, dann hat sie das bessere Mittel gewählt und überzeugend zu sein. 


Unzuträglich wäre es ihrer Noblesse wenn sie prohibitiv auftreten muss, wenn Sie die Normalität durch Verbote schützen muss. Da fordert sie Übertretungen geradezu heraus. 


Der Gefahr die entsteht, wenn zu viele aus der Normalitätsgemeinschaft herausfallen, begegnet die diagnostische Macht unter Umständen dadurch, dass sie die Standards ermäßigt. Stellen sie sich mal vor es gäbe in unserer Gesellschaft so viele Drogenabhängige wie Alkoholabhängige, dann würden wir sehr schnell die Entkriminalisierung der Drogengebrauchs erleben, weil sich keine Gesellschaft leisten kann eine massenhafte Unterscheidung ihrer Normalitätsstandards , dann muss sie irgendwie reagieren und muss die Normalitätsstandards irgendwie ermäßigen.


Der Unkenntlichkeit der diagnostischen Macht (es geht immer um die Frage wie kann sie elegant sein) kommt va. die Konkurrenz der Untertanen zur Hilfe, da ein jeder sich umso zugehöriger fühlen kann, je weniger zugehörig andere sind.


So bestehen also die Mitglieder der Gesellschaft auf strikte Einhaltung der Normalitätsstandards, die sie selber knechten. Sie dulden keine Ermäßigung, sie fordern die Ahndung von Abweichungen und sind auf diese Weise Anteilseigner der Macht. 

In der Konkurrenz um Konformität verteidigen die darin befangen nach Kräften die eigenen Fesseln. 


Wer so die Normalität überwachen hilft, fühlt sich also mächtig. 


Das garantiert den wirklichen Mächtigen ihren guten Schlaf. Vor hässlichen Übertreibungen ihrer Klienten müssten sie sich allerdings hüten um ihr Inkognito zu wahren und Ihre Eleganz zu erhalten.


Diagnostische Macht ist so wie unsere Gesellschaften und wie unsere Glaubensentscheidungen gestrickt sind, nahezu unauffindbar. Aber sie ist deshalb unempfindbar , weil wir so gläubig sind. 



Weiterführendes: https://telegra.ph/Mainstreamh%C3%B6rigkeit-09-19


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