Bedingungsloses Einkommen-sofort!

Bedingungsloses Einkommen-sofort!

Tommy Potter

Die Diskussion um ein bedingungsloses Grundeinkommen (BGE) wird seit mehr als 50 Jahren geführt. Trotz zahlreicher Experimente ist keine Regierung bereit, das Grundeinkommen einzuführen. Die Mehrheit der Wähler ist ebenfalls dagegen. Bei Volksabstimmungen in der Schweiz und in Österreich haben die Wähler die Einführung des Grundeinkommens abgelehnt.

Es gibt einen einfachen Vorschlag, um den Stillstand zu überwinden: Falls es gefährlich ist, ein vollwertiges Grundeinkommen einzuführen, können wir mit kleinen Auszahlungen anfangen, aber sofort. Die schrittweise Steigerung von Auszahlungen können bei negativen Ergebnissen gestoppt (oder sogar zurückgenommen) werden.

Es ist sinnvoll, die Erhöhung der Zahlungen mit gesellschaftlichen Veränderungen zu verknüpfen. Die ersten Zahlungen sollten für Lebensmittel ausreichen, um das Betteln zu beenden und das kostenlose Verteilungssystem von Lebensmitteln wie beispielsweise Tafeln und Suppenküchen abzuschaffen. Weitere Erhöhung der Zahlungen sollen dann Obdachlosigkeit beseitigen.

Bedingungslose Zahlungen, deren Wert sich ändern kann, werden hier als „Bürgerdividende“ bezeichnet. Obwohl dieser Begriff bereits verwendet wurde und eine andere Bedeutung hatte, konnte ich keinen passenderen Ersatz dafür finden. Bürgerdividenden sowie Grundeinkommen sind bedingungslose Zahlungen für alle ohne Bedingungen und Verpflichtungen, aber ihr Wert kann unter oder über dem Basisniveau liegen.

Die Behandlung bedingungsloser Zahlungen als legitime Dividenden und nicht als Almosen zur Deckung der Grundbedürfnisse verändert den sozialen Status der Empfänger radikal. Mehr dazu im nächsten Abschnitt „BGE- Fallgrube“.

Bürgerdividenden werden aus Steuern finanziert. Gleichzeitig sollen die Superreichen stärker besteuert werden. Diese Umverteilung der Steuerlast begünstigt an sich selbst das Wirtschaftswachstum und die soziale Gerechtigkeit. Mehr dazu im Abschnitt „Wer bezahlt die Gerechtigkeit?“.

Sind bedingungslose Zahlungen für alle gerecht?

Das Recht der Bürger auf bedingungslose Auszahlungen muss aus Gründen der Gerechtigkeit legitimiert werden:

Erstes Argument: Die Menschen sollen berechtigt sein, Anteile aus den natürlichen Ressourcen und Fruchtbarkeit des Landes zu erhalten. Natürliche Ressourcen sollen der gesamten Menschheit gehören, gemäß den Vorstellungen von Henry George (1839 – 1897). Er war ein US-amerikanischer politischer Ökonom und der berühmteste Befürworter einer Einheitssteuer auf Landbesitz.

Zweites Argument: Die Produktionsanlagen der Volkswirtschaft wurden von Arbeitern mehrerer Generationen geschaffen. Deshalb wird es gerecht sein, einen Teil der Gewinne der Eigentümer unter allen Bürgern, als Erben früherer Generationen, aufzuteilen. Aus dieser Sicht ist es gerecht, dass die Eigentümer für das (vom Volk geschaffene) Kapital zahlen müssen – durch eine Kapitalsteuer.

Drittes Argument: Der britische Ingenieur Clifford Hugh Douglas präsentierte Anfang des 20. Jahrhunderts folgende Idee: Er war nicht einverstanden mit den klassischen Ökonomen, die nur drei Produktionsfaktoren, nämlich Land, Arbeit und Kapital, anerkannten. Douglas betrachtete das "kulturelle Erbe" einer Gesellschaft als den wichtigsten Produktionsfaktor. Er beschrieb das kulturelle Erbe als das Wissen, die Techniken und Verfahren, die sich im Laufe der Zivilisation allmählich angesammelt haben. Folglich braucht man das Rad nicht ständig neu zu erfinden.

Wir sind nur Verwalter dieses kulturellen Erbes, das allen, ohne Ausnahme, gehört. Es ist ungerecht, dass die Gewinne aus dem kulturellen Erbe meistens den Industrie- und Kreditkapitaleignern zufließen, deren Anstrengungen minimal sind. Jeder Bürger sollte als Nachfolger unserer Zivilgesellschaft einen bestimmten Anteil bekommen.

Wie schnell sollen die Bürgerdividenden erhöht werden?

Bedingungslose Zahlungen an die Bevölkerung sollen die Wirtschaft ankurbeln, indem sie die effektive Nachfrage heben. Bei kleinen Zahlungen können die Preise stabil bleiben, da die Produktionskapazität derzeit nicht zu 100 % ausgelastet ist und die Produktion kann wachsen, ohne neue Anlagen. Bei einem starken Anstieg des Geldeinkommens der Bevölkerung ist ein Preisanstieg unvermeidlich, und es gibt kein schnelles Wachstum von Produktion und Konsum. Es wird Zeit und Investitionen erfordern, um die Produktion zu steigern und die Preise auf ein neues stabiles Niveau zu bringen (Sowie auch neue Lohne). Niemand weiß, wie schnell man die Bürgerdividenden heben kann, ohne die wirtschaftliche Stabilität zu bedrohen. Gehen wir davon aus, dass eine Erhöhung um 50 € alle drei Monate optimal wäre. Mit diesem Schritt steigen die Zahlungen in einem Jahr auf 200 Euro und nach 4 Jahren auf 800 Euro.

Wo liegen die Wachstumsgrenzen der Bürgerdividenden?

Befürworter des Grundeinkommens kämpfen für die Freiheit zu arbeiten oder nicht zu arbeiten. Aber eine bedingungslose Zahlung von 1000 Euro oder sogar 1500 Euro wird die Beschäftigungsrate senken. Dementsprechend sinkt auch die Güterproduktion, und die erwartete Wohlfahrtssteigerung wird nicht erreicht. Außerdem ist die Volkswirtschaft krisenanfällig, so dass ein Rückgang der Beschäftigung um 5 bis 10 Prozent zu einer wirtschaftlichen Katastrophe führen kann.

Wenn die Bürgerdividenden schrittweise erhöht werden, ist es logisch anzunehmen, dass Wohlfahrt zuerst steigt (durch Stimulierung des Konsums) und dann zu sinken beginnt (durch Rückgang der Beschäftigung). Niemand weiß genau, wie hoch der optimale Betrag für die Bürgerdividenden sein sollte.

Höchstwahrscheinlich werden die Länder Nordeuropas sowie Japan das Niveau der bedingungslosen Zahlungen in der Nähe des Basisbedarfs, beispielsweise 1000 Euro, „überleben“, da diese Länder eine sehr einheitliche Bevölkerung mit hoher Arbeitsmoral haben.

Im Gegensatz dazu wird es in Indien, das immer noch praktisch in Kasten geteilte ist, kaum möglich sein, bedingungslose Zahlungen über 50 oder 100 Euro einzuführen. Die niedrigste und am meisten verachtete Kaste der Dalits (Unberührbare) ist heutzutage gezwungen, die schmutzigste Arbeit zu verrichten. Und wenn diese Menschen eine Garantie bekämen, dass sie nicht verhungern, würden sie aufhören zu arbeiten - da es eine Schande ist, solche Arbeiten zu übernehmen.

Vielleicht wird für Deutschland die optimale Höhe der Bürgerdividenden bei 600 oder 800 Euro liegen. Bei einem so geringen Einkommen ist die Arbeitsmotivation ziemlich hoch. Und die Abwesenheit von bürokratischen Hürden würde das Beschäftigungsniveau und Wohlfahrt heben.

Selbst mit solchen geringen Zahlungen kommt die "Lohnsklaverei" zum Ende. Die Bürgerdividende kann man als endloser Streikfond betrachten, der die Verhandlungsmacht der Arbeitnehmer stärkt. So können beispielsweise Arbeitnehmer in “schmutzigen Berufen“ höhere Löhne kriegen als Büroangestellte.

Es ist aber auch denkbar, dass die Realeinkommen der Beschäftigten in schmutzigen Berufen nicht steigen, sondern sinken. Dies kann passieren, wenn das Angebot auf dem Arbeitsmarkt durch den Abbau bürokratischer Hürden steigt. Ein garantiertes Einkommen könnte den Arbeitsmarkt dramatisch und unerwartet verändern. Es können auch andere unerwartete Änderungen vorkommen. Deshalb ist es unverantwortlich, ein vollwertiges Grundeinkommen „über Nacht“, von heute auf morgen einzuführen.


Weiter: BGE Fallgrube

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