Wilder Dreierfick mit Mutter und Tochter

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Wie Töchter sich mit ihrer Mutter versöhnen




7. Druckaufl., 2022, 356 Seiten, Broschiert
ISBN: 978-3-608-94474-7

Die ersten Kapitel unseres Lebens - neu erzählt
Uprising
Lukas Hermsmeier
Schöner Neuer Himmel
Ines Geipel
Frieden schließen mit Demenz
Sabine Bode

Klett-Cotta-Verlag

J. G. Cotta’sche Buchhandlung
Nachfolger GmbH
Rotebühlstrasse 77
70178 Stuttgart

info@klett-cotta.de






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Wie Töchter sich mit ihrer Mutter versöhnen
Mutter-Tochter-Beziehungen sind häufig problematisch. Oft fühlen sich Töchter entweder überbehütet und nie losgelassen oder vernachlässigt und abgewertet. So wie ihre Mutter wollen sie jedenfalls nicht werden. Marianne Krüll läßt Töchter die Lebensgeschichte ihrer eigenen Mutter in der Ichform erzählen und zeigt, wie sie dadurch zu einem neuen und besseren Verständnis ihrer gemeinsamen Beziehung gelangen können.
Enttäuschung, Trauer, Wut, manchmal sogar Hass - das sind einige der heftigen Emotionen, die viele Töchter ihrer eigenen Mutter entgegenbringen. »Warum hat sie mich nicht geliebt?« oder »Warum hat sie mich völlig vereinnahmt und damit missbraucht?«, solche Fragen stehen häufig als Anklage im Raum; die Töchter bleiben mit ihren negativen Gefühlen allein. Wie aber kann es zu einer Versöhnung mit der Mutter kommen? In 24 Geschichten erzählen Töchter mit ihren eigenen Worten in der Ichform die Lebensgeschichte ihrer Mutter. Durch diesen Perspektivwechsel gelingt es ihnen, ihre Mutter in einem völlig neuen Licht zu betrachten. Der Konflikt, die Vorwürfe, die unverstandenen Gefühle - all das löst sich auf in einem befreienden Verständnis. Es gelingt, die eigene Mutter sozusagen von innen zu erspüren - eben als die »Mutter in mir« - und sich mit ihr zu versöhnen. »Fast immer wünschen wir uns eine andere, bessere Mutter gehabt zu haben, eine, die uns das gegeben hätte, was wir glauben, gebraucht zu haben. Mit meinem Buch will ich einen Weg aufzeigen, wie wir als Töchter mit unseren Müttern zu einer Versöhnung kommen können, so dass die Liebe wieder fließen kann und wir Formen der Abgrenzung zwischen uns finden, die nicht Ausgrenzung sind.« Bestseller-Autorin Marianne Krüll
Einleitung Die »Mutter in mir« Wie die Geschichten entstanden sind Mütter der Jahrgänge vor 1920 Mütter der Kriegsjahre 1 Hedwig (1914-2001) und Christa (1944) Die Mutter mußte alles aushalten und war in all ihrer Traurigkeit doch irgendwie auch glücklich 2 Gerda (1918) und Antje (1942) Der Sohn war und ist der Liebling der Mutter 3 Elfriede (1913-1992) und Edeltraud (1939) Der frühe Tod von Elfriedes Eltern als Schatten über ihrem Leben - Mutter und Tochter machen etwas daraus 4 Mathilde (1911-1987) und Rosa (1954) Die Tochter als ungeplanter Nachkömmling der alten Mutter 5 Antonia (1895-1923) und Ingeborg (1923) Die Mutter starb bei der Geburt der Tochter 6 Gertrude (1909-1980) und Maria (1940) Die Mutter liebt den Sohn über alles, die Tochter ist nur »Ersatz« für eine verstorbene Tochter 7 Lina (1910-2001) und Inge (1948) Die Mutter ist auf Männer fixiert, die Tochter begehrt auf und schafft es allein Mütter der Jahrgänge zwischen 1921 und 1930 Mütter der Nachkriegsjahre 8 Hildegard (1928-1982) und Christine (1948) Das Geheimnis der Eltern, das nach drei Generationen allmählich gelüftet wird 9 Ingrid (1929) und Marika (1957) Die Tochter kam angeblich ins Waisenhaus 10 Mia (1925) und Angelika (1952) Die Mutter lebt nach dem Krieg in einer »Frauen-Enklave« - die Tochter befreit sich schrittweise immer mehr 11 Ilse (1926) und Jutta (1953) Die Tochter tritt in Mutters Fußstapfen in starker Verbundenheit und Frauensolidarität 12 Babett (1922) und Dorothea (1955) Die Mutter hält fünfzig Jahre bei einem ungeliebten Mann aus, die Tochter weint noch immer mit ihr 13 Petronella (1930) und Gudrun (1954) Mutter und Tochter sind krebskrank Mütter der Jahrgänge nach 1931 Mütter der Wohlstandsjahre 14 Gisela (1936) und Inga (1961) Die emanzipierte Mutter und die lesbische Tochter 15 Ulla (1938-2002) und Beate (1978) Die Mutter nimmt ein Geheimnis mit ins Grab 16 Carla (1938-1992) und Judith 1965) Der unerfüllte Kinderwunsch der Tochter und die von der Mutter übernommene Traurigkeit 17 Elisabeth (1934) und Anke (1960) Die Tochter, ein Einzelkind, spielt mit dem Vater das »Mutter-ärgern-Spiel« 18 Irmgard (1939) und Michaela (1968) Die ohne Vater aufgewachsene Mutter wollte ein Kind, nicht aber den Mann 19 Annegret (1952) und Marlies (1970) Ein Kind wird Mutter, und die Tochter macht was daraus 20 Annette (1946) und Jana (1964) Die haltlose Mutter hat ihre Kinder »ausgesetzt«, die Tochter sucht ein positives Mutterbild, um selbst gute Mutter sein zu können Zwei Mutter-Tochter-Paare: Ulrike - Sarah und Ursula - Grit 21 Ulrike (1947) und Sarah (1976) Die Tochter mit zwei Müttern in einer lesbischen Lebensgemeinschaft der Mutter 22 Charlotte (1917) und Ulrike (1947) Die Stärke der Frauen in den beiden Weltkriegen, die ihren Töchtern - und der Enkelin! - den Weg bereiten 23 Ursula (1940) und Grit (1967) Tochter Grit und Mutter Ursula nehmen gemeinsam am Mütter-Töchter-Seminar teil - die Tochter erlebt ihre Mutter und Großmutter neu 24 Frieda (1908-1977) und Ursula (1940) Die Mutter (mit beinamputiertem Mann) war »jeden Tag am Ende ihrer Kräfte«, die Tochter erstarkt daran Neue Wege zur Versöhnung Die Erzählung der Muttergeschichte in der Ichform - ein vergleichender Überblick Prägende Erlebnisse in den Kriegsjahren Generationenfolge von Müttern und Töchtern Ungewollte Schwangerschaften Sexualität - das große Tabu Männer im Leben der Frauen Das »verpaßte« Leben Der Blick aufs Ganze - die Mythen von der »perfekten« Mutter und dem »starken« Mann Der Muttermythos - eine gefährliche Falle Die männerzentrierte Gesellschaft und der Mythos vom »starken« Mann Folgen des Männlichkeitsmythos Solidarität unter Frauen Ausblick - für Töchter und Mütter Was wir als Töchter tun können Die Rolle der Väter Was wir als Mütter tun können Die Mutter als geistig-spirituelles Prinzip Dank Literatur
Einleitung Während eines Vortrags über das Mütter-Töchter-Thema habe ich einmal den etwa fünfzig Zuhörerinnen drei Fragen gestellt: Die erste lautete: Welche von Ihnen kann sagen: Ich bin froh und glücklich mit meiner Mutter? Es meldeten sich ungefähr zehn oder zwölf Frauen. Die zweite Frage war: Welche kann sagen: Ich bin glücklich, ihr ähnlich zu sein, und bemühe mich, in ihre Fußstapfen (Beruf, Partnerschaft, Lebensplanung usw.) zu treten? Nun hob sich nur noch eine Hand. Auf die dritte Frage: Welche möchte eine Mutter werden oder sein wie die eigene Mutter?, blieben alle Hände unten! Was geschieht hier? Warum sind wir Töchter so selten mit unserer Mutter zufrieden, so wie sie nun einmal ist? Warum wollen wir meist auf keinen Fall so sein wie sie? Wenn wir darauf antworten, schildern wir vor allem das Versagen unserer Mutter in unserer Kindheit, als wir, die Töchter, noch klein waren. Am häufigsten ist die Klage über mangelnde Liebe: »Sie hat mich nicht oder nicht genug geliebt, hat mich vernachlässigt. Sie war keine ›richtige‹ Mutter. Sie hatte nie Zeit für mich, hatte andere Dinge im Kopf, hat nur für andere Menschen, aber nicht für mich gesorgt. Sie hat mich überhaupt nicht gesehen. Sie hat meinen Bruder, meine Schwester vorgezogen. Sie hat mich nie gelobt, nichts an mir hat sie gelten lassen. Sie hat mich geschlagen. Sie hat mich nicht gewollt.« Andere Töchter meinen, von der Mutter »zu viel« geliebt worden zu sein: »Sie hat mich vereinnahmt. Sie hat mich mit ihrer Liebe aufgefressen. Sie war ständig besorgt um mich, hat mich in Watte gepackt. Sie hat mich für ihre unerfüllten Wünsche eingesetzt und damit mißbraucht.« Begleitet sind unsere Anklagen immer von heftigen Emotionen: Trauer, Enttäuschung, Wut, ja sogar Haß auf die Mutter, die uns so lieblos oder böse behandelte. Wenn wir davon erzählen, kommen die alten Gefühle wieder hoch, oft fließen Tränen. Verzweifelt fragen wir: »Warum hat sie bloß ...?« oder »Wie konnte sie nur ...?« Doch solche Fragen suchen keine Antworten, sondern bleiben als Anklage im Raum stehen. Wir können oder wollen der Mutter nicht vergeben, was sie uns damals antat. Aber auch über unsere aktuellen Konflikte mit der inzwischen gealterten Mutter klagen wir häufig: »Ich versuche, ihr das zu geben, was sie von mir will, aber sie ist nie zufrieden. Sie redet mit mir nicht über wichtige Dinge. Sie blockt alles ab. Sie behandelt mich noch immer wie ein kleines Kind. Sie verlangt Dankbarkeit von mir. Sie will mich kontrollieren. Sie mischt sich in mein Leben ein. Sie läßt mich nicht in Ruhe. Sie interessiert sich nicht für mein jetziges Leben.« Fast immer wünschen wir uns, eine andere, eine bessere Mutter gehabt zu haben, eine, die uns das gegeben hätte, was wir glauben, gebraucht zu haben. Oder eine, die wenigstens jetzt zu uns steht. Wir stellen wir vor, wie sie eine »bessere« Mutter sein könnte, und vergleichen sie mit Frauen, die »richtige « Mütter sind, gelegentlich sogar mit unserer eigenen Großmutter, von der wir meinen, mehr »echte« Liebe bekommen zu haben. Wir wünschen uns sehnlichst, daß sich unsere Mutter doch endlich ändern möge, um für uns, die Töchter, doch noch eine »gute« Mutter zu werden - was immer das für uns im einzelnen heißt. Doch meist haben wir schon lange resigniert: »Meine Mutter ist ein hoffnungsloser Fall. Sie wird sich nie ändern.« Trotz aller Kritik an der Mutter schwingen bei uns Töchtern immer auch Schuldgefühle mit. Viele von uns haben sich schon als kleine Kinder bemüht, die Mutter zufriedenzustellen. Wir fühlten uns schuldig, wenn es uns nicht gelang, es ihr recht zu machen. Besonders ungewollte Töchter scheinen das Unglück, das sie ihrer Mutter mit ihrer Existenz bereitet haben, als eigene Schuld zu empfinden und durch ungewöhnliche Opfer wiedergutmachen zu wollen. Andere wollen der Mutter helfen, wollen sie retten. Sogar das provokative, aufmüpfige Verhalten von Töchtern kann man als Appell an die Mutter verstehen, doch selbst endlich einmal aufzubegehren, sich zu wehren, anstatt Verletzungen nur leidend hinzunehmen. Wenn aber alle Anstrengungen scheitern, steigt Wut in uns auf, und wir beginnen wieder mit der Mütterschelte, jenem weitverbreiteten und extrem destruktiven Muster in der Mutter- Tochter-Beziehung, auf das ich im Schlußkapitel noch ausführlich zu sprechen kommen werde. Viele von uns gehen auf Distanz zur Mutter, manchmal mit jahrelangem Kontaktabbruch. Eine solche »Sendepause« muß nicht grundsätzlich schädlich sein. Besonders in symbiotischen Mutter-Tochter-Beziehungen erscheint es mir sogar notwendig, daß beide sich für eine gewisse Zeit voneinander trennen. Doch wenn der Bruch zu lange dauert und eine oder gar alle beide sehr unter der Trennung leiden, dann sollten Schritte zu einer Versöhnung getan werden. Oft geschieht dies, wenn die Tochter selbst Mutter wird und der Mutter den Kontakt zu ihren Enkelkindern nicht vorenthalten will. Doch auch dann sind die Hürden meist riesengroß. Jede erwartet von der anderen, daß sie sich nun endlich ändert und begreift, daß sie im Unrecht war. Der Streit kann sich dann über die Enkelkinder sogar noch verschärfen. Wenn wir als Töchter mit unserer Mutter in einem solchen Teufelskreis verstrickt sind, dann wird jede Begegnung mit der Mutter zu einem Alptraum. Schon vorher haben wir Angst, daß sich alles wiederholt und wir wieder von ihr verletzt werden. Und natürlich geht es unserer Mutter nicht anders. Auch sie hat Angst vor unseren Vorwürfen, vor unserer Wut, die sie als ungerecht und unberechtigt empfindet, weil sie doch alles nur gut gemeint hat, das Beste für uns gewollt hat usw. usw. Die »Mutter in mir« Mit meinem Buch will ich einen Weg aufzeigen, wie wir als Töchter mit unseren Müttern zu einer Versöhnung kommen können, so daß die Liebe wieder fließen kann und wir Formen der Abgrenzung zwischen uns finden, die nicht Ausgrenzung sind. Auf diesem Weg haben mich zunächst meine Freundinnen begleitet. In kleinen Gruppen tauschten wir uns über unsere Mütter aus und waren erstaunt, wie gut es uns tat zu erkennen, daß es anderen Frauen mit ihren Müttern ähnlich ging. Wir sahen die eigene Mutter mit den Augen der anderen Frauen und bemerkten, daß sie so schlecht ja nun auch nicht war, daß zumindest einige der Frauen noch größere Probleme mit ihrer Mutter hatten als wir selbst. Nach der Publikation meines Buches »Käthe, meine Mutter« im Frühjahr 2001 begann ich, zweitägige Seminare für Frauen zum Thema »Versöhnung mit der Mutter in mir« anzubieten, und verwendete dabei die Methode des Rollentauschs, der »vertauschten Stühle«. Man wechselt von der eigenen Position in die des Gegenübers und redet in der Rolle des oder der Anderen, und zwar in der Ichform. Die Frauen - maximal zwölf in einer Gruppe - nahmen nun nacheinander die Rolle ihrer Mutter ein und erzählten den anderen die Lebensgeschichte ihrer Mutter in der Ichform. Die Wirkung war frappierend. Während die Frauen in der Vorstellungsrunde ein Horrorbild von ihrer Mutter gezeichnet hatten und wir Zuhörerinnen die arme Tochter bemitleideten, ein solches Monster zur Mutter gehabt zu haben oder immer noch mit ihr leben zu müssen, erschien uns nun die Mutter als Mensch »wie du und ich«. In der Rolle ihrer Mutter konnte keine der Frauen mehr die Mutter anklagen - es sei denn, die Mutter tat es selbst. Wir konnten nachvollziehen, weshalb diese Frau keine bessere Mutter sein konnte, und entwickelten Mitgefühl mit ihrem Schicksal. Und vor allem war die jeweilige Frau verblüfft zu erleben, daß die Fehler, die sie ihrer Mutter seit jeher zum Vorwurf gemacht hatte, mit der Stimme der Mutter nicht einmal mehr ausgesprochen werden konnten. Viele Frauen entdeckten dabei auch, daß sie große Wissenslücken über das Leben ihrer Mutter hatten, also ihre Mutter eigentlich nie richtig verstanden hatten. Es gab erstaunliche Phänomene: Frauen, die als Töchter sprudelnd über ihre Mutter geredet hatten, verschlug es plötzlich die Sprache, als sie in der Rolle ihrer Mutter in der Ichform redeten. Sie stammelten oder machten lange Sprechpausen - so wie die Mutter, die ihre Geheimnisse nicht offenbaren konnte oder die Tochter immer über bestimmte Themen im Unklaren gelassen hatte. Es geschah auch, daß die Tochter plötzlich ein Geheimnis aussprechen konnte, das für ihre Mutter ein Tabu gewesen war. Für mich waren diese Erfahrungen so etwas wie eine Offenbarung. Mit dieser Methode des imaginierten Rollentauschs mit der Mutter wurde für uns Töchter der Weg zur »inneren Mutter« geebnet, die in jeder von uns lebendig ist. »Die Mutter in mir« wurde für mich eine Metapher, mit der ich weitergehen wollte. Das mir seit Jahrzehnten wohlvertraute Bild vom »inneren Kind«, das in jedem Menschen bis zum Tode wach ist, ließ sich ergänzen durch das Bild von der »inneren Mutter« als Instanz, die sozusagen dem »inneren Kind« die Maßstäbe liefert, wie es sich zu verhalten hat. Sie ist die mahnende, warnende, aber auch ermunternde Stimme, sie kann das Gefühl von Wärme, Geborgenheit vermitteln wie auch von Schmerz und Verletzung, sie ist der kritische, strafende, aber auch wohlwollende, stolze Blick unserer Mutter aus unserer Kindheit. Sie ist das Bild unserer Mutter in all ihren Facetten, wie sie uns von unserer Geburt an - vielleicht auch schon vorgeburtlich - begegnet ist. Trägt die »Mutter in mir« überwiegend negative Züge, weil sie mir in meiner Kindheit viel Leid zufügte und ich mich auch
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