Was kommt nach Soledar?

Was kommt nach Soledar?

Nico Lange

Russland erobert Soledar und erhöht den Druck auf Bachmut. Die Ukraine kommt in Richtung Swatowe langsam voran und bereitet weitere Gegenangriffe vor. Putin setzt auf Terror gegen die Zivilbevölkerung und langfristige Kriegsplanungen. Wie ist die Lage und was wird gebraucht?

Nach fünf Monaten des Anrennens gegen gut ausgebaute Stellungen eroberte Russland die Kleinstadt Soledar mit früher 11.000 Einwohnern. Soledar geriet in den Fokus, weil die geplante Erstürmung von Bachmut seit Monaten misslingt und die Einnahme von Soledar als Schlüssel zur Eroberung Bachmuts gilt. 

Die russischen Streitkräfte und die Gruppe Wagner opferten viele tausend Soldaten, Söldner und ehemalige Gefängnisinsassen für den Sturm einer Kleinstadt mit Taktiken des primitiven Infanteriesturms, die in Teilen an Szenen aus dem 1. Weltkrieg erinnerten.

Auch die Ukraine erleidet im Frontabschnitt bei Soledar und Bachmut sehr hohe Verluste. Durch die russische Einnahme Soledars und weitere Angriffe kommt Bachmut weiter unter Druck. Ein Verlust auch Bachmuts zeichnet sich ab.

Soledar und möglicherweise Bachmut sind mit überproportional hohen Verlusten erzwungene Gebietsgewinne Russlands, die lokal die Situation mit Blick auf Siwersk und die Straßen nach Kostjantyniwka und Slowjansk zugunsten Russlands verschieben, strategisch aber für den Kriegsverlauf von geringer Bedeutung sind.

Putin, Russland und die Gruppe Wagner werden die Einnahme Soledars und potenziell die Einnahme Bachmuts jeweils intensiv propagandistisch nutzen, um zu zeigen, dass man nach allen Rückschritten doch noch in der Lage ist, Gebiete zu erobern oder sogar als "Beweis" einer vermeintlichen russischen Überlegenheit.

Die Ukraine hat die Möglichkeit, die Verteidigung im Donbass in gut befestigten Stellungen fortzusetzen. Eine Fortsetzung der Angriffe im Donbass wäre für Russland auch nach einer Eroberung Bachmuts nicht leichter und weiter mit extrem hohen Verlusten verbunden.

Die Ukraine greift bei Swatowe im Gebiet Luhansk weiter an. Fortschritte waren vor allem aufgrund der starken russischen Artillerie und der durch mobilgemachte Kräfte erhöhten Truppendichte zuletzt auf wenige kleine Ortschaften begrenzt.

Südlich von Saporishje bei Tokmak und Melitopol führt die Ukraine mit Artillerie und Raketenartillerie weiter "shaping operations" durch, die sich gegen russische Truppenkonzentrationen, Logistik und Führungseinrichtungen richten. Allerdings hat Russland sich erkennbar auf die für die Ukraine derzeit möglichen Reichweiten eingestellt und hält wichtige Einrichtungen außerhalb.

Russland deutet immer wieder mögliche neue Angriffe von Belarus aus in Richtung Kyjiw oder weiter westlich in Richtung der Nachschubwege in der Westukraine an. Terror gegen die Bevölkerung in Kyjiw durch umfunktionierte S-300 Raketen wie in Charkiw, Saporishje und Cherson könnte dann zur realistischen Gefahr werden.

Derzeit sind auf Satellitenbildern keine konkreten Aufmärsche an der belarussischen Grenze zur Ukraine erkennbar. Allerdings errichtete Russland in Belarus Ausbildungseinrichtungen und Gefechtsstände, so dass die Gefahr latent bleibt.

Die ukrainische Luftverteidigung wird schrittweise enger und besser mit Iris-T, NASAMS, Hawk und jetzt drei angekündigten Patriot-Batterien. Gebraucht werden Lenkflugkörper für die Systeme und mehr Systeme zur Drohnenabwehr.

Weiterhin braucht die Ukraine möglichst viele Drohnen, auch zivile, die sehr viele Einsatzzwecke haben - von Aufklärung und Feuerkontrolle über Überwachung von Infrastrukturen bis hin zur Minensuche.

Die Ukraine braucht Munition für HIMARS und Mars 2 mit höheren Reichweiten und Waffensysteme, die höhere Reichweiten erreichen können, um ihren bisher erfolgreichen Kampf gegen russische Logistik, Führungs- und Kommunikationseinrichtungen fortsetzen zu können.

Die Ukraine verbraucht etwa 90-100.000 Schuss Artilleriemunition pro Monat. Das ist mehr, als Europa und USA gemeinsam monatlich produzieren. Weltweit wird bei Partnern noch gelagerte Munition gefunden, doch die Produktion von Munition muss dringend hochgefahren werden, vor allem in Europa.

Die Ukraine braucht weiterhin moderne Schützenpanzer und moderne Kampfpanzer, gepanzerte Fahrzeuge, mehr Artillerie und Artilleriemunition, um mit starken mechanisierten Verbänden die Front zu durchbrechen und ukrainische Gebiete zurückerobern zu können.

Während Putin militärisch seine Ziele in der Ukraine nicht erreichen kann, setzt er auf langfristige Kriegsproduktion und weitere Mobilmachung, weil er politisch auf sinkendes Interesse und wachsende Uneinigkeit der Unterstützer der Ukraine hofft. 

Die Antwort darauf müssen politische Einigkeit, weitere Lieferungen von Waffen und Munition mit größerer Durchschlagskraft und höheren Reichweiten sowie strategische Erhöhungen der Produktion von Material und Munition sein.

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Karte: War Mapper (@War_Mapper) / Twitter

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