Während Putin politisch eskaliert, behält die Ukraine militärisch die Initiative

Während Putin politisch eskaliert, behält die Ukraine militärisch die Initiative

Nico Lange

Aufgrund herber Rückschläge für die russischen Truppen in der Ukraine eskalierte Putin in den vergangenen Tagen auf politischer Ebene. Militärisch behält die Ukraine weiterhin die Initiative. Wie ist die Lage und was wird gebraucht?

Nordöstlich des Donbass verliert Russland derzeit den strategisch wichtigen Ort Lyman (1). Die Ukraine kreiste dort mehrere tausend russische Kräfte ein. Der einzig verbliebene Nachschubweg der Russen liegt mittlerweile in Reichweite ukrainischen Feuers. 

Verstärkung oder Rückzug scheinen den Russen nicht mehr zu gelingen, so dass sich in Lyman ein strategisch wichtiger Zwischenerfolg der Ukraine abzeichnet. 

Lyman eröffnet der Ukraine Möglichkeiten für weitere Gegenangriffe in Richtung Swjatowe und Starobilsk im Gebiet Luhansk, um die Russen noch weiter von den Bahnlinien und damit vom Nachschub abzuschneiden.

Östlich von Kupjansk (2) gelang den Russen weiterhin keine Stabilisierung der Front am Ufer des Oskil-Flusses. Ukrainische Truppen stoßen auch hier langsam aus der Oblast Charkiw in Richtung Oblast Luhansk vor.

Weiter südlich setzt Russland die Angriffe in Richtung Bachmut und der Straße Siwersk-Bachmut fort (3). Mittlerweile gelingt den Russen jedoch seit Monaten an diesem Frontabschnitt im Donbass kein Erfolg gegen die sehr gut und tief ausgebauten ukrainischen Stellungen.

Auf dem südwestlichen Ufer des Dnipro in der Oblast Cherson (4) setzt die Ukraine langsam und systematisch ihre "slice and starve" Taktik gegen die dort befindlichen etwa 20.000 russischen Truppen fort. Einige russische Einheiten sind bereits in prekärer Versorgungslage. 

Nach Meldungen aus Russland befahl Putin direkt den dortigen Generälen den Verbleib in Cherson und der Truppe das Aushalten auf dem westlichen Ufer des Dnipro. Militärisch könnte das im Verlust von 20.000 Soldaten enden, die nicht rechtzeitig aus aussichtsloser Lage zurückgezogen werden.

An allen Frontabschnitten wurden in den vergangenen Tagen frisch mobilisierte russische Truppen beobachtet , die offenbar ohne weitere Ausbildung direkt in die Ukraine verlegt wurden. Das "Auffüllen" der Einheiten durch diese Truppen macht bisher keinen erkennbaren Unterschied zugunsten Russlands.

Mit der sehr wahrscheinlichen Rückeroberung von Lyman, dem ukrainischen Brückenkopf westlich des Oskil und der prekären Lage für bis zu 20.000 russische Truppen am südwestlichen Ufer des Dnipro behält die Ukraine die Initiative und schafft Voraussetzungen für eine weitere Befreiung ukrainischer Gebiete.

Der fortgesetzte russische Angriff auf Bachmut ist strategisch unbedeutend, vor allem wenn weiter nördlich Lyman und die Nachschubwege von den Ukrainern kontrolliert bzw. bedroht werden. 

Damit die Ukraine den positiven Trend fortsetzen kann, braucht sie vor allem weiterhin 155mm-Artillerie-Geschütze mit viel Munition und Treibladungen sowie weitere Mehrfachraketenwerfer und passende Raketen. 

Für weitere Offensiven werden Kampfpanzer und Schützenpanzer gebraucht. Kettenfahrzeuge werden mit zunehmendem Regenfall und schlechteren Bodenbedingungen im Herbst noch wichtiger. 

Die Situation der ukrainischen Luftverteidigung verbessert sich graduell. Noch mehr Systeme zur Luftverteidigung werden gebraucht, auch wenn 8 NASAMS und 3 Iris-T SLM jetzt spät und schrittweise kommen. 

Bessere Luftverteidigung ist essentiell für die dringend benötigten Reparaturen der Infrastrukturen für die Winterfestigkeit der Ukraine. Der Wiederaufbau muss bereits beginnen und durch Luftverteidigung geschützt werden, während der Krieg noch weitergeht.

Weiterhin gebraucht werden militärische und zivile Drohnen, ebenso wie Drohnenabwehr und Drohnen-Jammer.

Nach den gelungenen Offensiven behält die Ukraine die Initiative und ist im Begriff, weitere ukrainische Gebiete zu befreien. Wir sollten nach unseren letzten Lieferungen jetzt nicht zuschauen sondern aktiv, schnell und unbürokratisch weiter liefern und damit helfen, den positiven Trend schnell weiter auszubauen.


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Karte: War Mapper (@War_Mapper) / Twitter

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