Versautes Schulmädchen will spielen

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Home Kultur Film „Jung & Schön“: Schulmädchensex im Hotel – und kein Skandal
Film „Jung & Schön“ Schulmädchensex im Hotel – und kein Skandal
Veröffentlicht am 13.11.2013 | Lesedauer: 5 Minuten
Erotikdrama von François Ozon – “Jung und schön“
Manifeste für oder gegen die Prostitution haben gerade Konjunktur, jetzt spielt sie die Hauptrolle in „Jung und schön“. Warum der Kinofilm mit Marine Vacth unbedingt sehenswert ist.
„Sie hat drei Kostüme. Das dritte ist Nacktheit“
„Nur eine Welt ohne Prostitution ist human“
Franzosen für Freiheit, Geilheit, Brüderlichkeit
Diese „Feuchtgebiete“ sind nichts für Erwachsene
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Isabelle ist 17 Jahre alt und verabredet sie sich mit älteren Männern, die sie für Sex bezahlen. Während die Schülerin an immer mehr Geld kommt, ahnen weder Eltern noch Freunde von ihrem Doppelleben.
E s ist Sommer, alles ist gut. Zwei Familien in den großen Ferien, ein Haus am Meer, lange Abendessen, bei denen die Gespräche plätschern, tagsüber sind alle am Strand. Isabelle hat noch ein paar Tage bis zu ihrem 17. Geburtstag, und sie wird es gerade noch schaffen, zu erfahren, wie Sex wirklich ist.
Felix, der Junge, den sie sich dafür ausgesucht hat, sieht gut aus und ist freundlich, ein netter Typ für einen Deutschen und auch sonst. Sie gehen spazieren, essen Eis, am Strand passiert es dann. Keine Angst, sagt er, dann bewegt er sich ein wenig in ihr, sie schaut dabei in den Himmel, und danach stiehlt sie sich an ihren Eltern vorbei in ihr Bett, abgehakt.
Zehn Minuten weiter in François Ozons Film „Jung & schön“ und eine Jahreszeit später in Isabelles Leben ist sie eine Schülerin, die Sex verkauft. 300 Euro der Termin, es ist alles ganz einfach, Internet, SMS, keine Zwischenhändler. Sie fährt in eines dieser Hotels für Geschäftsmänner, klopft an die Tür mit der Nummer, die ihr gesimst wurde, ein alter Mann öffnet, ob es sie störe, dass er über sein Alter gelogen hat, nein, sagt sie.
Hinterher liegt er im Bett und sieht zu, wie sie sich anzieht: Ob er sie noch einmal buchen dürfe und ob sie auch abends könne. Er habe ihre Nummer, sagt sie, und nein, nur nachmittags, dann nimmt sie das Geld und geht.
Warum sie das tut? Sie kommt aus einer dieser vorbildlichen Familien, in denen Eltern und Kinder über alles reden können, sie geht auf eine gute Schule, sie hat Freundinnen, wenn sie Geld braucht, bekommt sie es, da ist weder Zwang noch Not. Warum also? Vielleicht, weil sie ein Geheimnis haben, sich an einer Gefahr messen will.
Vielleicht will sie Männer kennenlernen, wie sie sind, wenn zwischen ihnen und ihr nur die Nüchternheit von Geld steht und Gefühle nicht simuliert werden müssen. Vielleicht ist es ein Übergangsritual auf dem Weg ins Erwachsenwerden. Vielleicht will sie sich durchs Geschäftliche eine Position erhandeln, in der sie passiv bleiben darf. Vielleicht ist sie unvernünftig, dumm, gedankenlos, einfach nur jung.
„Jung & schön“ ist ein sehr undeutscher Film, irritierend entschieden darin, keine Urteile zu fällen und sich nicht in Motive zu verbeißen. Und dennoch ist bei Ozon keine Indifferenz, sondern sehr viel Moral. Sie steckt in seiner Haltung, die Menschen, von denen er erzählt, zu lieben, in Ruhe zu lassen, zu beobachten – statt sie mit Rettungspathos, Verdammnis, Mitleid oder all den anderen Von-oben-herab-Positionen zu traktieren, die in Prostitutionserzählungen häufig vorkommen.
Das liegt auch daran, dass in Ozons Film (obwohl er sehr französisch ist) nicht ungeheuer viel geredet wird, schon gar nicht von Marine Vacth, jenem 23-jährigen Model, das Isabelle spielt, eine spektakulär schöne junge Frau, auf eine Weise, die etwas Träges, fast Melancholisches hat. Vacth hat eine höchst seltene Begabung: Sie kann in der reinen Passivität alles sagen, Verlorensein, Fremdheit, Trotz durch die kleinsten Gesichtsausdrücke zu erkennen geben. Es ist ziemlich sensationell, wie sie das macht.
Dann stirbt Georges, der älteste ihrer Kunden, ein freundlicher Mann mit makellosen Manieren, während sie sich auf ihm bewegt. Sie versucht ihn wiederzubeleben, dann haut sie ab, natürlich findet die Polizei sie, so wird ihr Doppelleben entdeckt. Und natürlich ist Isabelles Mutter wie von Sinnen, der Stiefvater versucht zu vermitteln, das Mädchen wird zum Psychiater geschickt, aber dabei kommt nicht viel mehr zutage, als sie selbst schon weiß, es war eine Art Abenteuer, eine fixe Idee, die mit dem Tod von Georges zu Ende ging.
Auch in diesen Passagen ist Ozon so erleichternd undeutsch, wie es in Deutschland nur die Regisseure der „Berliner Schule“ sind: Er verweigert seiner Geschichte das dicke Ende. Die Familie Isabelles zerbricht nicht, niemand wird verstoßen, niemand muss büßen, kein Untergang nirgends. Kann sein, dass diese Souveränität eine Tugend ist, die zur französischen Art zu leben gehört (was Isabelle gemacht hat, kommt vor, so wie Liebhaber, Affären vorkommen, kein Grund, daran zu zerbrechen).
Könnte auch sein, dass sie ein Effekt von Ozons Liebe zu den Frauen ist, die er in seinen Filmen wieder und wieder bewiesen hat: Nie würde er es über sich bringen, dass eine Frau bestraft wird, was immer sie getan hat.
Am Ende von „Jung & schön“ wird Isabelle sich mit Georges Witwe (von Charlotte Rampling großartig gespielt) verabreden. Die hat ihre Nummer aus seinem Handy und möchte das Mädchen kennenlernen, das er als Letztes gesehen hat, zusammen gehen sie ins Zimmer hoch, in dem er gestorben ist. Die alte Dame erteilt dem jungen Mädchen Absolution, dann liegen die beiden nebeneinander auf dem Bett, in dem Georges starb, und endlich ist da eine Nähe, die es bei Isabelle zuvor nicht gegeben hat, bei niemandem.
Es ist völlig klar, dass dieser Film nichts mit dem zu tun hat, was von Anti-Prostitutions-Manifesten verdammt wird, aber auch nichts mit dem, was von den Prostitutionsverteidigungs-Manifesten verteidigt wird. Man könnte Ozon für verlogen halten, ihm vorwerfen, dass Prostitution nicht so ist, wie er sie zeigt. Natürlich hätte man sehr recht damit. Aber protestiert jemand gegen die Filme, in denen die Liebe nicht so ist wie im Leben, sondern deutlich besser?
Vielleicht hat Kino, wenn es gut sein will, einen anderen Job als den, zu zeigen, wie es ist, aber nicht sein darf. Vielleicht besteht sein Job darin, Geschichten zu erzählen, bei denen man merkt, wie oft man die Geheimnisse nicht fassen kann, die sich im Leben einnisten.
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