Verfassungsschutz gegen Professor Meyen?

Verfassungsschutz gegen Professor Meyen?

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Verfassungsschutz gegen Professor Meyen?

Der Kommunikationswissenschaftler Michael Meyen ist erneut in den Fokus der Medien geraten. Nachdem die oppositionelle Zeitung „Demokratischer Widerstand“ mitteilte, dass man Meyen als Mitherausgeber gewonnen habe, berichteten die Süddeutsche Zeitung und andere, dass die Ludwig-Maximilians-Universität München nun den Verfassungsschutz beauftragt hätte, Meyen zu „überprüfen“. Doch offenbar stimmen die Medienberichte nicht. Eine Spurensuche.

Was Süddeutsche Zeitung, taz, Bayerischer Rundfunk und zahlreiche weitere Medien zuletzt berichteten, scheint skandalös: Medienforscher Meyen, Inhaber eines Lehrstuhls an der LMU München, wird Mitherausgeber einer „Querdenker-Zeitung“, woraufhin sein Arbeitgeber sich an das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz wendet um den Professor „überprüfen“ zu lassen. Das Problem dabei: Es ist wohl ganz anders.

Im März wurde von den Machern der Zeitung „Demokratischer Widerstand“, Anselm Lenz und Hendrik Sodenkamp, ein Video veröffentlicht, bei dem sie im Gespräch mit Michael Meyen zu sehen sind und dessen Mitherausgeberschaft ankündigen. Kurz darauf erschienen die ersten Berichte dazu in den Medien, wobei insbesondere t-online und die Süddeutsche Zeitung durch mehrere Beiträge innerhalb weniger Tage den Sachverhalt skandalisierten und die Uni unter Zugzwang setzten. Die LMU reagierte und brachte den Verfassungsschutz ins Spiel – offenbar in der Hoffnung, sich auf ein Gutachten der Sicherheitsbehörde stützen zu können und so zu vermeiden, selbst für oder gegen Meyen argumentieren zu müssen.

Womit wurde der Verfassungsschutz beauftragt?

Doch um was genau hat die LMU beim Verfassungsschutz gebeten? Die Süddeutsche Zeitung schrieb dazu am Freitag, dem 31. März unter der Überschrift „Professor Meyen wird ein Fall für den Verfassungsschutz“:

„Eine Sprecherin von LMU-Präsident Bernd Huber schreibt am Freitag auf eine Anfrage der SZ zunächst allgemein: 'Als zuständige Dienstbehörde hat die LMU zu prüfen, ob bei einem Beamten dienstliches Fehlverhalten vorliegt.' Im Weiteren erklärt sie mit Bezug auf Meyen: 'Im vorliegenden Fall hat die LMU sich daher an das zuständige Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz gewandt.'“

Die Süddeutsche Zeitung – und alle anderen berichtenden Medien – schließen daraus, die Uni habe den Verfassungsschutz gebeten, Meyen unter die Lupe zu nehmen. Tatsächlich erweckt die Stellungnahme der Uni diesen Eindruck. Doch offenbar ist das falsch. Auf Nachfrage erklärt Meyen – der auch Autor für Multipolar ist –, dass LMU-Präsident Huber ihm bei einem persönlichen Gespräch am 3. April etwas ganz anderes mitteilte: Huber habe beim Verfassungsschutz anfragen lassen, „ob gegen den 'Demokratischen Widerstand' etwas vorliege“. Sollte das der Fall sein, werde er Meyen die Herausgeberschaft der Zeitung verbieten. Von einer Prüfung Meyens selbst durch die Behörde war demnach nie die Rede.

Multipolar wandte sich an die LMU mit der Bitte um eine Klarstellung. Hubers Sprecherin Claudia Russo aber verweigert das und antwortet nach mehreren schriftlichen und telefonischen Nachfragen lediglich:

„Leider können wir dazu keine Informationen erteilen.“

Die LMU widerspricht der Darstellung von Meyen somit nicht ausdrücklich. Darauf aufmerksam gemacht erwidert Russo:

„In meiner vorigen E-Mail habe ich Ihnen lediglich mitgeteilt, dass wir keine Informationen dazu erteilen können. Daraus lassen sich keine Schlussfolgerungen ziehen.“

Doch so einfach ist es wohl nicht. Falls Meyen das Gespräch mit Präsident Huber in diesem entscheidenden Punkt falsch wiedergibt, müsste die Uni das dementieren. Dass die LMU ein solches Dementi auf Nachfrage hartnäckig vermeidet, lässt kaum einen anderen Schluss zu, als dass Meyens Darstellung des Gespräches der Wahrheit entspricht. Somit muss davon ausgegangen werden, dass die Uni den Verfassungsschutz tatsächlich damit beauftragt hat, Informationen zur Zeitung „Demokratischer Widerstand“ zu übermitteln – und nicht etwa damit, Professor Meyen zu überprüfen. Die LMU hat die Presse demnach mit einer vage formulierten Mitteilung in die Irre geführt und versucht nun – das ist bemerkenswert – eine Aufklärung des Sachverhalts zu blockieren.

Meyen erklärte gegenüber Multipolar auch, am 6. April, drei Tage nach dem Gespräch mit Huber, dessen Sprecherin Claudia Russo darüber informiert zu haben, dass er seine Mitherausgeberschaft bei der Zeitung wieder beendet hat. Huber habe ihm erklärt, dass laut LMU-Rechtsabteilung ein Zeitungsherausgeber für alles haftbar gemacht werden könne, was in der Zeitung erscheint. Meyen dazu: „Spätestens damit war für mich klar, dass ich meinen Namen dafür nicht hergeben kann“ – denn mit Lenz und Sodenkamp war eine andere Herausgeberrolle vereinbart gewesen:

„Für unsere Zusammenarbeit hatten wir uns auf die Formel 'schützende Hand, mahnendes Wort' geeinigt. Übersetzt: Sollte die Zeitung angegriffen werden, würde ich den Machern zur Seite springen und ihnen außerdem alle paar Wochen sagen, was mir gefällt und was nicht.“

Mit dem Ende von Meyens Mitherausgeberschaft dürfte der Prüfauftrag seitens der LMU an den Verfassungsschutz hinfällig sein. Ist die Überprüfung nun also abgesagt? Auf Nachfrage schweigt die Uni erstaunlicherweise auch zu diesem Punkt – und befeuert zugleich via Bayerischem Rundfunk weiter die Gerüchteküche, ganz so, als wüsste man gar nichts von Meyens Beendigung der Mitherausgeberschaft.

Unwürdiges Schauspiel

Die Affäre zeigt einmal mehr, wie Medien Druck gegen Intellektuelle aufbauen, die gegen den Strom schwimmen – Guérot, Ganser etc. – und wie vermeintlich freie Institutionen diesem Druck nachgeben und dabei wiederum die Medien manipulieren. Es ist ein unwürdiges, niveauloses Schauspiel.

Beteiligt sind auch Studenten. An der Fachschaft des Instituts für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung an der LMU wurde zuletzt eine Umfrage durchgeführt, in der von den Studenten angekreuzt werden konnte, ob man Meyens „politische Äußerungen und publizistische Tätigkeiten unterstützt“, ob diese „dem Lehrbetrieb und dem Klima am Institut schaden“ – sowie, ob der Professor noch weiter „lehren dürfen“ soll. In der Umfrage wird keine konkrete Äußerung Meyens angeführt, stattdessen heißt es dort:

„Solltet Ihr nicht mit den Hintergründen zu den Geschehnissen vertraut sein, so informiert Euch bitte auf den offiziellen Seiten der Universität sowie in der Berichterstattung zahlreicher deutscher Medien, bevor Ihr die Umfrage ausfüllt.“

Das Ergebnis (230 Teilnehmer) ist entsprechend: 86 Prozent lehnen Meyens „politische Äußerungen und publizistische Tätigkeiten“ ab, ganz pauschal, ohne eine Konkretisierung oder Differenzierung – was schon als deutlicher Hinweis darauf angesehen werden kann, dass es vielleicht weniger um die Äußerungen des Professors geht, als vielmehr um die Tatsache, dass Meyen „auffällig“ ist und die LMU in Schlagzeilen bringt, die man dort nicht mag. 70 Prozent meinen, „die Äußerungen“ (wieder: welche?) schaden dem Lehrbetrieb. 76 Prozent finden es richtig, „den Verfassungsschutz einzuschalten“ und 54 Prozent stimmen sogar der Aussage zu, Meyen sollte gleich gar nicht mehr an der Uni lehren dürfen.

Einer der Initiatoren der Umfrage ist der Student Simon Prommersberger, dessen bisherige berufliche Stationen zeigen, in welchen Kreisen er verkehrt: Münchner Sicherheitskonferenz, Bundespresseamt, Hanns Seidel Stiftung Washington. Der 21-jährige Prommersberger lässt sich dazu in dieser Woche staatstragend vom Bayerischen Rundfunk zitieren: Meyens „Zusammenarbeit mit Akteuren aus radikalen politischen Strömungen“ werde unter den Studenten kritisch gesehen, es gebe „berechtigte Zweifel an Prof. Dr. Michael Meyens Treue zur Verfassung sowie zur Freiheitlich Demokratischen Grundordnung“.

Mit solchem Pathos steht der Student nicht allein. Sebastian Krass von der Süddeutschen Zeitung, einer der Journalisten, die diese Affäre mit ihren Berichten erst in Gang gebracht haben, fragte Meyen per Mail unter anderem:

„Bekennen Sie sich zur freiheitlich demokratischen Grundordnung und treten dafür ein? Wenn ja, inwiefern? Bekennen Sie sich zur Treue zur bayerischen Verfassung und zum Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland?“

Krass und Prommersberger verwechseln dabei – wie es üblich geworden ist – Verfassungstreue mit Regierungstreue. Man muss es wohl betonen: Nein, es ist kein Skandal, die Regierung, staatliche Institutionen oder die Medien grundsätzlich zu hinterfragen und deren politische Linie argumentativ anzugreifen, so wie Meyen und andere es tun. Vielmehr ist genau das Teil einer freiheitlichen Grundordnung. Gerade deshalb wirkt es so bedrohlich, den immer weiter eskalierenden Kampf gegen regierungskritische Intellektuelle, die von kaum jemandem verteidigt werden, zu beobachten. Auch den Druck zu öffentlichen politischen Bekenntnissen kennt man zur Genüge aus anderen Epochen.

Was bleibt? Es wäre schön, wenn Medien und Universitäten endlich wieder Dissens als eine Selbstverständlichkeit lernten – und vielleicht auch respektvollen Umgang.

Source multipolar-magazin.de

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