Typ verfällt ihren jugendlichen Reizen

Typ verfällt ihren jugendlichen Reizen

Rottweil Mini-Schramberg Ein Moralist verfällt den Reizen des leichten Mädchens

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Schwarzwälder-Bote 30.03.2012 - 00:00 Uhr
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Großer Applaus für den "Blauen Engel" / "Fesche" Stefanie Mendoni und "diktatorischer" Gerd Silberbauer
Von Antonie Anton Schramberg . Eine Marlene Dietrich war sie nicht, die Rosa Fröhlich, genannt Lola, dargestellt von Stefanie Mendoni bei der Aufführung des tragikomischen Theaterstücks "Der blaue Engel" von Peter Turrini mit dem Ensemble des Euro-Studios Landgraf im Bärensaal.
Aber das sollte sie auch gar nicht sein, denn das Stück geht nicht allein auf den berühmten Film von 1930 unter der Regie von Josef von Sternberg zurück, sondern in erster Linie auf den Roman "Professor Unrat" von Heinrich Mann, geschrieben vor gut 100 Jahren.
Die Hauptfigur in diesem Bühnenstück ist nicht "die fesche Lola", sondern der gescheiterte Professor Immanuel Rath, genannt Unrat, unnachahmlich überzeugend gespielt von Gerd Silberbauer, vielen bekannt als Kommissar einer Fernsehreihe. Die Schauplätze der Handlung – wiewohl vor demselben Bühnenbild – hätten gegensätzlicher nicht sein können. Einerseits die Schule, eine humanistische Lehranstalt alter Prägung mit allen Härten und Schrecknissen der Vorkriegszeit: ein autoritärer und diktatorischer Gymnasiallehrer namens Rath, in der ganzen Stadt nur unter dem Namen "Unrat" bekannt und gehasst, der seine Schüler wie Erzfeinde beargwöhnt und bespitzelt.
Andererseits die Hafenspelunke "Der blaue Engel" mit dem Kiepert'schen Varieté und der offenherzigen Lola.
Zwei Welten treffen aufeinander, als der verschrobene, weltfremde und sittenstrenge Professor das verrufene, lasterhafte und anrüchige Hafenmilieu betritt, um seine Schüler in flagranti zu erwischen und der Barsängerin wegen Verführung Minderjähriger den Prozess zu machen. Was er selbst, unverheirateter Moralist, am wenigsten vermutet hätte; er gerät wie ein Pennäler in die raffiniert ausgelegten Fallstricke der Verführerin und ihrer Kumpane.
Mit der locker-frivolen Selbstverständlichkeit, mit der Lola seine steife Pädagogenmentalität und alle Tabus durchbricht, fleißig assistiert von Guste Kiepert, die den Braten des fetten Geldsegens riecht, erobert sie sein fast schon erkaltetes Junggesellenherz und lässt eine späte Liebe aufflammen, die ihn erst der maßlosen Dummheit und später der maßlosen Lächerlichkeit preisgibt, bis er an ihr scheitert.
Sowohl als unnachsichtiger Pedant und aufbrausender Diktator als auch als ein von der Liebe getroffener in Liebesdingen völlig unkundiger Neuling und mehr noch als rasend um seine Liebe Kämpfender stellte Gerd Silberbauer alle Facetten dieser kurzen Liebe überzeugend dar. Am stärksten war seine Wirkung als gedemütigter, entwürdigter und in seiner Verzweiflung und Ausweglosigkeit halb wahnsinniger Clown.
Stefanie Mendoni gelang es mit ihrer rauchiger Stimme etwas Verruchtes in ihre berühmten Songs zu legen. In ihrer Rolle als verführerischer Vamp setzte sie dem Professor etwas entgegen, wogegen er keine Waffen hatte.
Sehr gelungen war die Idee mit dem roten Vorhang, der auch das Rotlichtmilieu vom bürgerlichen Milieu abtrennte.
Peter Schmidt-Pavloff als Herr Kiepert fungierte gekonnt als Varietédirektor, Zauberkünstler und gerissener Geschäftsmann, dem der demütigende Auftritt des Professors als Clown in seiner Heimatstadt nur als Mittel zum Zweck dient. Seine Zauberkunststücke machten großen Effekt. Judith Steinhäuser als seine Frau Guste mit lockerer Berliner Schnauze überzeugte als Allzweckwaffe des Varietés, hofierte den Professor, bis er gefangen war, und hatte nicht weniger einen Riecher fürs Geschäft.
Die beiden gegensätzlichen Schülercharaktere – Hans Machowiak spielte den souveränen, gegelten Guttenberg-Typ, Roland Schreglmann den hoffnungslos Unerhörten- verkörperten eine Schülergeneration, für die die Schule mit ihrer militärischen Zucht Not und Peinigung bedeutete. Andreas Klein schlüpfte gekonnt in die Rollen des Wirts, des betrunkenen Kapitäns und des seriösen Direktors. Jolanta Szczelkun war als begleitender Musikclown sehr präsent.
Die bewegten Zuschauer bedankten sich mit langem Applaus, der neben den brillanten Schauspielern auch Regisseur Frank Matthus galt.

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