Tanzen
Gigi übersetzt von DerGeier
"Ich stehe am Meer, allein, und beginne zu denken. Da sind die rauschenden Wellen ... Berge von Molekülen, jedes dummerweise mit sich selbst beschäftigt ... Billionen voneinander getrennt ... und doch bilden sie im Einklang eine weiße Brandung.
Zeitalter über Zeitalter ... bevor irgendjemand etwas sehen konnte ... Jahr für Jahr ... donnernd an die Küste stoßend wie jetzt. Für wen, für was? ... auf einem toten Planeten, ohne Leben, das es zu genießen gilt.
Niemals in Ruhe ... gequält von Energie ... verschwenderisch von der Sonne vergeudet ... in den Raum geschüttet. Ein Scherflein bringt das Meer zum Brausen.
Tief im Meer wiederholen alle Moleküle die Muster der anderen, bis sie komplexe neue Muster bilden. Sie machen andere wie sich selbst ... und ein neuer Tanz beginnt.
Wachsende Größe und Komplexität ... lebende Dinge, Massen von Atomen, DNA, Proteinen ... tanzen ein immer komplizierteres Muster.
Aus der Wiege auf das trockene Land ... hier steht es ... Atome mit Bewusstsein ... Materie mit Neugierde.
Steht am Meer ... wundert sich über das Staunen ... ich ... ein Universum aus Atomen ... ein Atom im Universum.
Der gleiche Nervenkitzel, die gleiche Ehrfurcht und das gleiche Mysterium stellen sich immer wieder ein, wenn wir uns tief genug mit einem Problem beschäftigen. Je mehr wir wissen, desto tiefer und wunderbarer wird das Geheimnis, das uns dazu verlockt, noch tiefer vorzudringen. Niemals besorgt, dass die Antwort sich als enttäuschend erweisen könnte, sondern mit Freude und Zuversicht drehen wir jeden neuen Stein um und finden ungeahnte Merkwürdigkeiten, die zu weiteren wunderbaren Fragen und Geheimnissen führen - sicherlich ein großes Abenteuer!
Es ist wahr, dass nur wenige unwissenschaftliche Menschen diese besondere Art von religiöser Erfahrung machen. Unsere Dichter schreiben nicht darüber; unsere Künstler versuchen nicht, diese bemerkenswerte Sache darzustellen. Ich weiß nicht, warum. Ist niemand von unserem derzeitigen Bild des Universums inspiriert? Der Wert der Wissenschaft bleibt von den Sängern unbesungen, so dass man sich darauf beschränkt, nicht ein Lied oder ein Gedicht, sondern eine Abendvorlesung darüber zu hören. Wir leben noch nicht in einem wissenschaftlichen Zeitalter.
Vielleicht ist einer der Gründe dafür, dass man wissen muss, wie man die Noten liest. In dem wissenschaftlichen Artikel steht zum Beispiel so etwas wie dies: "Der Gehalt an radioaktivem Phosphor im Großhirn der Ratte nimmt innerhalb von zwei Wochen auf die Hälfte ab." Was bedeutet das nun?
Das bedeutet, dass der Phosphor im Gehirn einer Ratte (und auch in meinem und deinem) nicht derselbe Phosphor ist wie vor zwei Wochen, sondern dass alle Atome im Gehirn ersetzt werden und die, die vorher da waren, verschwunden sind.
Was ist also dieser Geist, was sind diese Atome mit Bewusstsein? Die Kartoffeln von letzter Woche! Das ist es, woran ich mich jetzt erinnern kann, was vor einem Jahr in meinem Geist vor sich ging - ein Geist, der längst ersetzt wurde.
Das ist es, was es bedeutet, wenn man entdeckt, wie lange es dauert, bis die Atome des Gehirns durch andere Atome ersetzt werden, um festzustellen, dass das, was ich meine Individualität nenne, nur ein Muster oder ein Tanz ist. Die Atome kommen in mein Gehirn, tanzen einen Tanz und gehen wieder hinaus; immer neue Atome, die aber immer denselben Tanz machen und sich daran erinnern, wie der Tanz gestern war."
'Richard Feynman, Vom Vergnügen, Dinge zu entdecken'