Staatskrise in Israel: Dienstverweigerung in der Armee und wütende Massenproteste
test.rtde.websiteNachdem Ministerpräsident Netanjahu seinen Verteidigungsminister gefeuert hatte, gingen Hunderttausende Israelis auf die Straße. Zehntausende Reservisten drohten der israelischen Armee, den Dienst zu verweigern. Das Bild Israels als die "einzige Demokratie" in der Region wackelt.
Von Seyed Alireza Mousavi
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu feuerte seinen Verteidigungsminister Joav Gallant am Sonntagabend und löste damit Massenproteste und einen Generalstreik in Israel aus. Zuvor hatte Gallant als erstes Regierungsmitglied einen Stopp der umstrittenen Justizreform gefordert. Er begründete dies mit einer Bedrohung für die Wehrfähigkeit des Landes. Zehntausende Reservisten hatten gedroht, der israelischen Armee den Dienst zu verweigern, sollte Netanjahus Regierung mehr Macht über die Justiz bekommen. Die israelische Armee wurde gestern Abend wegen der Krise in der Regierungskoalition und wütenden Massenproteste in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt.
Netanjahu scheint mit seinem provokativen Schritt verhindern zu wollen, dass sich weitere Mitglieder seiner Likud-Partei an die Seite Gallants stellen. Denn nach dem Appell des Verteidigungsministers hatten mehrere Likud-Politiker ebenfalls eine Einstellung der Justizreform gefordert. Die Entlassung von Gallant offenbarte allerdings Risse in der Netanjahu-Koalition. Angesichts der Lage hielt Netanjahu in der Nacht zu Montag eine Dringlichkeitssitzung zum weiteren Vorgehen ab. Berichten zufolge wollte der Ministerpräsident nun eine Aussetzung der Justizreform verkünden. Präsident Jitzchak Herzog hatte die Regierung bereits zu einem sofortigen Stopp des Vorhabens aufgefordert.
Die Oppositionsführer Yair Lapid und Benny Gantz gaben eine gemeinsame Erklärung ab, in der sie erklärten, die Sicherheit Israels dürfe "keine Karte im politischen Spiel sein". "Netanjahu hat heute Abend eine rote Linie überschritten". Der ehemalige Ministerpräsident Naftali Bennett rief Netanjahu dazu auf, die Entlassung Galants rückgängig zu machen, und die Reform auszusetzen.
Die Regierung wirft dem Höchsten Gericht Einmischung in politische Entscheidungen vor. Dem Parlament soll es nach der Regelung der neuen Justizreform künftig möglich sein, mit einfacher Mehrheit Entscheidungen des Höchsten Gerichts zu überstimmen. Kritiker warnen vor einer Staatskrise. Dieser Schritt ist deshalb so brisant, weil Israel keine Verfassung hat und dementsprechend das Gericht das wichtigste Korrektiv der Regierung ist.
Seit Jahren wird Israel von westlichen Medien als die "einzige Demokratie" in der Region propagiert, wobei das Bild, das die Westmedien sorgsam durch Framing gepflegt haben, nun durch die umstrittene Justizreform bröckelt.
Die Staatskrise reicht allerdings weit über den Streit um die Justizreform und die radikalen Persönlichkeiten im Regierungskabinett hinaus. Die Rückkehr Netanjahus in einem Bündnis mit einer Reihe religiöser und rechtsextremer Parteien, die den Siedlungsausbau und die Entrechtung der Palästinenser befürworten, hat zu Befürchtungen über eine erneute Konfrontation mit den Palästinensern geführt. Jetzt besteht die Gefahr, dass Israels Erzfeind Iran und seine Stellvertreter in der Region wie die libanesische Hisbollah-Bewegung sowie Palästinenserorganisationen wie Hamas im Gazastreifen die Gunst der Stunde für Angriffe auf das durch die innenpolitische Krise massiv geschwächte Land nutzen.
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