Vier Jahre Unterdrückung - Vier Jahre Solidaritätsarbeit im Untergrund für Gefangene

Vier Jahre Unterdrückung - Vier Jahre Solidaritätsarbeit im Untergrund für Gefangene


Seit dem Aufstand gegen die gefälschte Präsidentschaftswahl 2020 in Belarus sind fast vier Jahre vergangen. Die Ereignisse waren für viele von uns das Schönste und gleichzeitig das Schlimmste. Die Gewalt des Regimes führte zu vielen Verletzten, zu Getöteten, tausenden Inhaftierten, zu Menschen, die gezwungen waren, ihr Zuhause zu verlassen, oder in Belarus zu bleiben und auf die Polizei zu warten. Denn nach fast drei Jahren des öffentlichen Schweigens und des scheinbaren Gehorsams hat die Repression nicht aufgehört. Sie sind buchstäblich hinter allen her, die sie über Telefone, Telegram-Chats, Beiträge in "extremistischen" Medien aufspüren oder in Fotobüchern und Dokumentationen über längst vergangene Proteste identifizieren können.

Heute wissen wir, dass mindestens 5000 Menschen strafrechtlich verfolgt und inhaftiert wurden. 1300 von ihnen wurden nach Ablauf ihrer Strafe wieder freigelassen. Einige wurden aufgrund neuer Anschuldigungen erneut inhaftiert. Allein im letzten Monat wurden mehr als 300 Personen verhaftet. Es waren zumeist Frauen, viele von ihnen ältere Menschen, die den politischen Gefangenen Hilfspakete brachten oder per Post schickten, ihnen etwas Geld oder Stifte und Briefumschläge spendeten. Sie wurden inhaftiert, weil sie es wagten, sich mit den Demonstrant*innen zu solidarisieren. Unter den zuletzt Festgenommenen befinden sich auch Angehörige von Antifaschist*innen und Anarchist*innen. Unter ihnen sind Familien, die nicht nur ihre Angehörigen für viele Jahre - manche bis zu 21 Jahren - an das System verloren haben, sondern nun ihr ganzes Geld dafür ausgeben müssen, ihre Erfahrungen im Gefängnis lebenswert zu gestalten.

Mehrere Anwält*innen wurden entlassen, aus der Anwaltskammer ausgeschlossen oder sogar verhaftet, weil sie politischen Gefangenen geholfen haben. Die Verbliebenen weigern sich jetzt aus Sicherheitsgründen, ihre Arbeit fortzusetzen. Es ist deshalb fast unmöglich, eine Person zu finden, die ihren Namen auf einen Briefumschlag oder einen Vertrag mit einem Anwalt setzen möchte.

Wer heute in Belarus an eine Solidaritätsstruktur in Belarus spendet, riskiert Gefängnis. Die Polizei hat viele Menschen identifizieren können, die über Facebook an Solidaritätsfonds im Jahr 2020 gespendet haben, und zwingt sie, das Zehnfache des Betrags an den Staat zu zahlen. Wer sich weigert, wird mit 5 Jahren Gefängnis bestraft. Diejenigen, die zustimmen, müssen damit rechnen, dass die Cops sie erneut aufsuchen, um sie zu erpressen und zu zwingen, noch mehr Geld zu geben, um sich damit ein weiteres Jahr relativer Freiheit zu erkaufen.

Die meisten unserer anarchistischen und antifaschistischen Genoss*Innen werden in den Gefängnissen schikaniert. Sie dürfen ihre Familien nicht sehen und sie nicht anrufen. Sie können nur schriftlich mit ihren Verwandten und Geliebten korrespondieren. Dies soll sie einschüchtern und Zweifel schüren. Einige der Betroffenen denken deshalb, dass die Leute draußen aufgehört haben, sich für die Gefangenen zu interessieren und sie nun auf sich allein gestellt sind. Aber wir haben sie nicht vergessen. Wir vom belarusischen Anarchist Black Cross, vom ABC-Belarus und andere Solidaritätsgruppen tun alles, was wir können, um sicherzustellen, dass die Familien die notwendigen Mittel haben, um ihre Angehörigen im Gefängnis zu unterstützen, dass die Gefangenen Zugang zu Anwält*innen haben, und sei es nur, um mit einer Person aus der "freien Welt" zu sprechen, dass sie auch kleine Nachrichten über Menschen erhalten, die sich an sie erinnern, ihnen schreiben und sich mit ihnen solidarisieren.

Wir selbst können nur mit externer Unterstützung unsere Solidaritätsarbeit fortsetzen. Deshalb suchen wir nach Gruppen oder Einzelnen, die eine Patenschaft für eine*n Genoss*in übernehmen können und regelmäßig Spenden sammeln, um sie bei der Bewältigung der zunehmend unmenschlichen Haftbedingungen zu unterstützen. Auf diese Weise kann die Verantwortung für die Gefangenen, die wir seit fast 15 Jahren als Gruppe tragen, auf viele Schultern verteilt werden. Der Bedarf der Gefangenen ist hierbei verschieden und unterscheidet sich je nachdem, was ihnen von den Knaststrukturen zugestanden wird. Die monatlichen Kosten reichen von 70 bis 460 Euro pro Person. Dementsprechend haben immer wieder sehr daran zu kämpfen, die Bedürfnisse von 30 von uns unterstützten Gefangenen zu decken.

Bitte überlegt deshalb, ob ihr uns als Gruppe oder persönlich unterstützen wollt. Sprecht mit euren Freund*innen. Findet reiche Verwandten oder was auch immer, um uns und den Gefangenen zu helfen. Einmalige Spenden sind selbstverständlich ebenfalls willkommen. Mehr Infos gibt es dazu auf unserer Seite unter abc-belarus.org/donate.

Laßt uns weiter für diejenigen kämpfen, denen vorerst die Hände gebunden sind!

Mit solidarischen Grüßen

ABC-Belarus, Februar 2024

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