Schwarzer Schwanz in schwarzes Loch
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Schwarzer Schwanz in schwarzes Loch
Veröffentlicht am 13. Mai 2022, 11:49 MESZ
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Diese Aufnahme von Sagittarius A*, dem supermassereichen Schwarzen Loch im Zentrum unserer Galaxie, ist der erste visuelle Beweis für seine Existenz. Erstellt hat sie das Event Horizon Telescope (EHT), für das sich acht Radioobservatorien auf der ganzen Welt zu einem einzigen virtuellen Teleskop von der Größe der Erde zusammengeschlossen haben. Benannt ist es nach dem dem Rand eines Schwarzen Lochs – dem Event Horizon –, hinter dem kein Licht mehr entweichen kann.
Im Jahr 2020 wurden der Astronomin Andrea Ghez von der University of California und dem Astrophysiker Reinhard Genzel vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik in Garching eine der höchsten Ehren zuteil: Das schwedische Karolinska-Institut verlieh ihnen den Nobelpreis für Physik. Ausgezeichnet wurde ihre Forschungsarbeit zu Sagittarius A*, einem dunklen Objekt im Zentrum unserer Milchstraße in circa 27.000 Lichtjahren Entfernung zur Erde. Einzelne Sterne umkreisen es auf elliptischen Bahnen mit Geschwindigkeiten von mehreren Millionen Kilometern pro Stunde. Messungen dieser Bewegungen ermöglichten es den Wissenschaftlern, Rückschlüsse auf die Masse des mysteriösen Objekts zu ziehen. Aus ihren Berechnungen erwuchs eine Vermutung: Sagittarius A* ist ein Schwarzes Loch.
Da Schwarze Löcher jedoch über eine solch starke Anziehungskraft verfügen, dass sie alles – auch Licht – verschlucken, konnte die Annahme der Nobelpreisträger zunächst nicht mit Bildern untermauert werden. Wo kein Licht ist, gibt es schließlich auch nichts zu sehen. Doch nach intensiven Bemühungen und jahrelanger Arbeit war am 12. Mai 2022 der große Moment endlich gekommen: Ein Forschungsteam des Event Horizon Telescope (EHT)-Netzwerks – einem globalen Zusammenschluss aus mehreren Observatorien, 80 Instituten und über 300 Wissenschaftlern – präsentierte die ersten Bilder des dunklen Herzens unserer Milchstraße.
Sie zeigen – etwas unscharf – einen schiefstehenden, gelb-orangenen Feuerring. Bei dieser Signatur handelt es sich um glühendes Gas, das eine zentrale Region – den Schatten – umgibt, die das Licht des Rings durch Gravitation beugt. „Wenn das Licht dem Schwarzen Loch zu nahe kommt, wird es von ihm verschluckt. Es durchquert seinen Horizont und hinterlässt im Zentrum nur eine dunkle Leere“, erklärt Feryal Özel, Astrophysikerin im Team des EHT.
Um Sagittarius A* abzubilden, wandten die Forschenden eine Technik namens Interferometrie an: Sie schlossen acht Radioobservatorien – von Hawaii über Spanien bis zum Südpol – zu einem virtuellen Riesenteleskop von Erdgröße zusammen. Dieses wurde im April 2017 auf das Objekt gerichtet. Die über mehrere Stunden gesammelten Daten fügten im Anschluss Hochleistungsrechner zusammen. Dass es so lange dauerte, bis das EHT-Team aussagekräftige Aufnahmen veröffentlichen konnte, liegt unter anderem daran, dass Sagittarius A* im Vergleich zu anderen supermassereichen Schwarzen Löchern eher klein ist.
Je größer und schwerer ein Schwarzes Loch, desto stabiler ist es – und leichter im Bild festzuhalten. So konnte das EHT-Team bereits im Jahr 2019 Bilder des gigantischen Schwarzen Lochs im Zentrum der Galaxie Messier 87 präsentieren, obwohl dieses mit 55 Millionen Lichtjahren um ein Vielfaches weiter entfernt liegt als Sagittarius A*. Es ist jedoch auch tausendmal größer und sehr viel schwerer. „Wir haben es mit zwei völlig unterschiedlichen Arten von Galaxien und zwei sehr unterschiedlichen Massen von Schwarzen Löchern zu tun“, sagt Sera Markoff, Professorin für theoretische Astrophysik an der Universität von Amsterdam. „Aber in der Nähe ihrer Ränder sehen sie sich verblüffend ähnlich.“
Gemeint ist das Gas, das um beide Löcher mit etwa ähnlicher Geschwindigkeit strudelt. Aufgrund der vergleichsweisen geringen Größe von Sagittarius A* hat es dieses Objekt jedoch sehr schnell – innerhalb weniger Minuten – umrundet. Bis das Gas das Objekt in der Mitte von M87 einmal vollständig umkreist hat, vergehen hingegen mehrere Tage oder gar Wochen. Die sehr viel schnellere Umrundung von Sagittarius A* führt dazu, dass sich Erscheinungsbild und Helligkeit der glühenden Gase in seinem Umfeld ständig und in hoher Geschwindigkeit ändern. Das Erstellen einer brauchbaren Aufnahme wurde durch diesen Umstand extrem erschwert. „Das ist so, als würde man versuchen, ein scharfes Bild von einem Hund aufzunehmen, der unentwegt mit dem Schwanz wedelt“, erklärt Chi-kwan Chan, Astronom an der University of Arizona.
Weitere Schwierigkeiten bereiteten den Forschenden die durch die heißen Gase, Magnetfelder und geladenen Teilchen erschwerte Sicht auf Sagittarius A* und der Streueffekt in den Radiomessungen. Dieser entstand, weil sich die Erde auf derselben galaktischen Ebene befindet wie das Beobachtungsobjekt. Schließlich gelang es ihnen mithilfe ausgeklügelter Methoden aber doch, aus den vorhandenen Aufnahmen eine Art Mittelwert zu erstellen. „Unsere Entdeckung zeigt, dass es sich bei dem Objekt im galaktischen Zentrum tatsächlich um ein Schwarzes Loch handelt“, sagt Anton Zensus, Direktor am Max-Planck-Institut für Radioastronomie.
Die spektakulären Bilder erlauben unter anderem Rückschlüsse auf den Gravitationsfluss im Zentrum unserer Galaxie, einschließlich seiner Drehrichtung. Sie deuten außerdem darauf hin, dass die Spitze des Schwarzen Lochs – oder sein Boden, je nach Perspektive – fast direkt auf die Erde gerichtet ist. Außerdem bestätigen sie die bisherigen Schätzungen zur Masse von Sagittarius A*.
„Bei Messier 87 hatten wir keine verlässlichen Vorkenntnisse über die Masse des schwarzen Lochs“, sagt Michael Kramer, Direktor am Max-Planck-Institut. „Im aktuellen Fall ist das ganz anders. Dank vorhergehender Messungen wie denen von Reinhard Genzel kennen wir sowohl die Entfernung als auch die Masse von Sagittarius A* sehr genau, sodass wir die erwartete Schattengröße berechnen konnten, um sie mit den Beobachtungen zu vergleichen. Und sie passt sehr gut!“
Dass nun sowohl Aufnahmen von Sagittarius A* und dem Schwarzen Loch in der Mitte von M87 vorliegen, die sich in ihrer Größe so eklatant voneinander unterscheiden, eröffnet den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ganz neue Möglichkeiten: Sie können nun prüfen, ob sie sich in ihren Eigenschaften trotz des Größenunterschieds ähneln und sich bisherige Theorien über Schwerkraft und Materie im Umfeld Schwarzer Löcher bestätigen lassen.
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