Schule kennzeichnet Nicht-Infizierte mit grünem Punkt – Psychologe schlägt Alarm
m.focus.de - Focus OnlineUm schneller zum Normalbetrieb zurückkehren zu können, bietet ein Gymnasium seinen Schülern freiwillige Corona-Tests an. Wer nicht infiziert ist, den kennzeichnet ein grüner Punkt – und gelten für ihn andere Regeln als für Schüler, die sich nicht testen lassen. Psychologe Thilo Hartmann kritisiert das Vorgehen.
Das Gymnasium Carolinum in Neustrelitz in Mecklenburg-Vorpommern wirkt von außen betrachtet moderner und innovativer als andere Schulen in Deutschland. Die Homepage ist klar strukturiert und aktuell, der Schulleiter Henry Tesch, der bis 2011 auch mecklenburgischer Bildungsminister war, erklärt sogar in Videobotschaften den Corona-Status-quo.
Eine Maßnahme des Gymnasiums zur Eindämmung der Virus-Pandemie macht jetzt allerdings Schlagzeilen. Denn die Schule testet in Kooperation mit dem Rostocker Biotech-Unternehmen Centogene, das für die Kosten aufkommt, jeden Schüler zweimal die Woche auf das neuartige Coronavirus – sofern er oder sie zustimmt.
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„Das angewandte Verfahren weist das RNA-Erbgut von Sars-CoV-2 Viren in Rachenschleimhautabstrichen nach und beruht auf dem publizierten Verfahren von Prof. Drosten“, erklärt der Schulleiter in einem Infobrief.
Die Schüler müssen sich dafür bei der Diagnostik-Firma aus Rostock registrieren, den Abstrich aus dem Rachen entnehmen sie an der vor der Schule eingerichteten Teststation selbst. Wer ein negatives Testergebnis erhält, also nachweislich nicht infiziert ist, und das jeden Montag und Freitag aufs Neue, erhält einen grünen Punkt auf sein Namensschild und Sondergenehmigungen, wie Schulleiter Tesch der „FAZ“ sagte. Nicht-Infizierte dürfen sich demnach frei auf dem Schulgelände bewegen sowie eine „Fast Lane“ nutzen, um in ihr Klassenzimmer zu gelangen.
„Wir hoffen sehr, dass durch diese Maßnahme der erste Schritt in Richtung Normalität gemacht werden kann und wir damit auch der Politik einen Schritt voraus sind“, erklärt die Gymnasialleitung.
Psychologe kritisiert die Kennzeichnung der Schüler
Inwiefern die Kennzeichnung von Schülern tatsächlich als fortschrittlich erachtet werden darf, erscheint ob der Erfahrung aus der Geschichte allerdings fraglich, mahnt der Berliner Psychologe Thilo Hartmann. Zwar begrüße er den kreativen Umgang der Schule mit der aktuellen Situation und die Suche nach individuellen Lösungen.
„Ich sehe aber die Eingruppierung von Menschen kritisch. Mit den Punkten werden zwei für alle sichtbar nicht gleichberechtigte Gruppen von Schülern aufgemacht. Eine ist der anderen durch die Sonderregeln klar überstellt. Das kann das Selbstwertgefühl der Schüler ohne grünen Punkt in Frage stellen und Rivalität zwischen den Gruppen provozieren. Auch kann es dazu führen, dass ich mich Regeln unkritisch unterwerfe, nur um zu der Gruppe zu gehören, die mir attraktiver erscheint.“
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