(S+) »Avatar: The Way of Water«: James Cameron und sein neues blaues Wunder

(S+) »Avatar: The Way of Water«: James Cameron und sein neues blaues Wunder

Lars-Olav Beier, DER SPIEGEL

Ende Januar 2010 hatte James Cameron seinen härtesten Konkurrenten endlich eingeholt: sich selbst. Sein 3D-Spektakel »Avatar: Aufbruch nach Pandora« hatte in rund sechs Wochen mehr eingespielt als über zehn Jahre zuvor sein Katastrophenepos »Titanic« und war damit der erfolgreichste Film der Kinogeschichte. Wieder mal hatte es der Regisseur all jenen gezeigt, die ihn für größenwahnsinnig halten und sich darüber lustig machen, wie viel Zeit und Geld er für seine Produktionen braucht. Wieder einmal hatte er einen Triumph errungen, statt Schiffbruch zu erleiden.



Die Fortsetzung seines Fantasy-Blockbusters, die ursprünglich schon vor Jahren anlaufen sollte, aber mehrfach verschoben wurde, steht fünf Wochen nach ihrem Start vor der Zwei-Milliarden-Dollar-Grenze. Nur fünf Filme haben diese übertroffen. Womöglich kommt die Produktion aber erst jetzt in die Gewinnzone. Laut dem Branchenmagazin »Variety« hatte Cameron gesagt, »Avatar: The Way of Water « müsse der dritt- oder vierterfolgreichste Kinofilm der Geschichte werden, um es aus den roten Zahlen zu schaffen. Sollte das stimmen, hätte nie zuvor ein Film eine so hohe Hürde zu überwinden gehabt.



Wahrscheinlicher dürfte allerdings sein, dass Cameron den Mund wie so oft ziemlich voll genommen hat und die Gewinne bereits jetzt kräftig fließen. Entscheidend aber ist, dass kein Ende abzusehen ist. Nach dem Einspielergebnis des ersten Wochenendes in Nordamerika, das unter den Erwartungen lag, wurden manche Box-Office-Analysten skeptisch. Sie schienen vergessen zu haben, dass Camerons Filme vergleichsweise langsam aus den Startlöchern kommen, dafür aber umso länger durchhalten. Cameron ist kein Sprinter, sondern Hollywoods Marathonmann.

Der bislang erfolgreichste »Star-Wars«-Film »Das Erwachen der Macht«, der 2015 ebenfalls kurz vor Weihnachten mit großem Hype ins Kino kam, spielte am ersten Wochenende in Nordamerika knapp 250 Millionen Dollar ein, am Ende seiner Laufzeit war es dort weniger als eine Milliarde. »The Way of Water« startete in Nordamerika mit 134 Millionen Dollar, doch schon vier Wochen später hatte der Film seine Einnahmen dort mehr als vervierfacht. Auch in Deutschland hat er schon mehr als sieben Millionen Zuschauer. Er läuft und läuft und läuft.



Dafür gibt es vor allem eine Erklärung. Manchen Kritikern, die an Camerons Drehbuch wenig Gutes fanden, wird sie vielleicht nicht gefallen. Doch »The Way of Water« ist für Millionen von Menschen alles andere als eine Produktenttäuschung, sondern offenbar genau was, wonach sie sich im Kino gesehnt haben: die Erfahrung einer ganz eigenen Welt. Nur in China wird der Film deutlich weniger einbringen, als die meisten Experten angenommen hatten. Aber auf diesem Markt gelten ohnehin ganz eigene Regeln, zumal nach den explodierenden Coronazahlen der letzten Zeit.

Natürlich hat »The Way of Water« eine Verdrängungswirkung auf andere Produktionen. Nach den harten Jahren der Pandemie kann man es allerdings niemandem verübeln, wenn er diesen Film unbedingt spielen will, um seine Sitzreihen endlich mal wieder zu füllen. Das vorletzte Wochenende war für das deutsche Kino das erfolgreichste seit Pandemiebeginn, einige Filme konnten sehr gute Besucherzahlen verzeichnen. Möglicherweise macht Camerons Blockbuster grundsätzlich wieder Lust auf große Filme und den Ort Kino.

So wird sich Cameron wohl ein weiteres Mal überholen. An den 2,2 Milliarden Dollar, die »Titanic« einspielte, sollte er vorbeiziehen. Der Hype, der seine drei letzten Spielfilme zu Events machte, entstand allerdings nicht zuletzt deshalb, weil man so lange auf sie warten musste. Der dritte von noch insgesamt drei weiteren angekündigten »Avatar«-Teilen steht bislang für Ende 2024 auf dem Startplan. Vielleicht sollte Cameron ihn einfach um ein paar Jahre verschieben.


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