Russland intensiviert die Angriffe

Russland intensiviert die Angriffe

Nico Lange

Russland intensiviert die Angriffe, um die Initiative zurückzugewinnen und die Ukraine zum Einsatz von Reserven zu zwingen. Die Ukraine braucht Zeit, um weiter Reserven auszubilden und neue Waffensysteme zu integrieren. Wie ist die Lage und was wird gebraucht?

Die Ukraine erreicht mit den Angriffen im Gebiet Luhansk in Richtung Swatowe kaum noch Fortschritte. Russland ersetzt gleichzeitig weiter südlich bei Kreminna Einheiten geringeren Kampfwerts schrittweise mit ausgeruhten und stärkeren russischen Verbänden. 

Russland verstärkt nicht nur die Front sondern versucht mit Angriffen bei Kreminna die Initiative in Richtung Lyman zurückzugewinnen. Ein erfolgreicher russischer Vorstoß in Richtung Lyman würde strategisch die Lage an der Front für den nördlichen Donbass verändern. 

Im Donbass greift Russland nördlich von Bachmut weiter über Blahodatne hinaus an, das an der Straße von Bachmut nach Siwersk liegt. Südlich von Bachmut stößt Russland bis zur Straße zwischen Bachmut und Kostjantyniwka vor. Zwei zentrale Nachschubwege nach Bachmut sind damit für die Ukraine unzugänglich.

Weiter südlich brachte Russland bei Wuhledar frische Kräfte der Marineinfanterie für einen größeren Angriff ein, bleib jedoch nach anfänglichen Erfolgen stecken. Wuhledar bleibt unter ukrainischer Kontrolle. Damit bleiben die russischen Nachschubwege in Richtung der südlichen Front und der Landweg zur Krim weiter durch ukrainisches Artilleriefeuer bedroht. 

Russland beschießt zunehmend auch wieder das Gebieten Charkiw von Russland aus mit Artillerie und Mörsern. Vermutlich handelt es sich hier um Ausbildung, bei der man einfach in ukrainisches Gebiet schießt.

Russland terrorisiert Charkiw, Kramatorsk, Saporishje und Cherson weiterhin mit sporadischem Feuer mit Raketenartillerie und umfunktionierten S-300-Raketen in zivile Wohnviertel.

Die aktuelle russische Absicht ist, die Initiative wiederzugewinnen, um dann mehrere Angriffsachsen in Richtung Slowjansk und Kramatorsk weiter voranzutreiben. Russland will die Front an mehreren Abschnitten jetzt unter Druck setzen, damit die Ukraine gezwungen ist, Reserven einzusetzen. Dadurch würden potenzielle ukrainische Gegenangriffe erheblich geschwächt.

Die Ukraine braucht unterdessen Zeit. Erfolgversprechende Gegenangriffe sind möglich, wenn die neuen Schützenpanzer und Kampfpanzer gut integriert werden können. Dazu braucht es nicht nur die Ausbildung der Besatzungen, sondern anschließend auch gemeinsame Übungen im Gefecht der verbundenen Waffen. 

Sehr gute Ausbildung und intensive Übung für den gemeinsamen, verbundenen Einsatz von Kampfpanzern, Schützenpanzern, Artillerie, Drohnen, Minenräumgeräten usw. zum Durchbrechen der Front haben einen höheren Einfluss auf eine Erfolgswahrscheinlichkeit als die reinen technischen Leistungsdaten. 

Es ist vor diesem Hintergrund eine große verpasste Chance für die Ukraine, dass die Lieferung der Schützenpanzer und Kampfpanzer so spät erfolgt. Russland hat dadurch Zeit bekommen, die Truppendichte zu erhöhen, Verteidigungsstellungen zu befestigen und neue Truppen auszubilden und heranzuführen. 

Russlands Angriffe könnten im schlechtesten Fall dazu führen, dass die Ukraine zu wenige Reserven zurückbehält und zu wenig Zeit für die Übung mit verbundenen Waffen und eine bestmögliche Vorbereitung der Gegenangriffe hätte.

Die Ukraine braucht viel Munition, vor allem Artilleriemunition, Lenkflugkörper für die Luftverteidigung sowie Hilfe für Munitionslogistik und Transport.

Die Ukraine braucht Präzisionswaffen und Munition mit höheren Reichweiten. Sollten GLSDB mit mehr als 150 km Reichweite in das nächste Paket der Lieferungen aus den USA gelangen, wäre das eine gute Nachricht. Die USA sollten auch ATACMS für die Ukraine freigeben.

Die Ukraine braucht weiterhin möglichst viele Drohnen aller Größen und Typen und Systeme zur Drohnenabwehr, kinetisch und elektromagnetisch.

Für die Luftverteidigung braucht die Ukraine Systeme, die auch die umfunktionierten russischen S-300-Raketen abwehren können, mit denen Russland in Frontnähe die Zivilbevölkerung in ukrainischen Städten terrorisiert. Die neuen Signale der Offenheit für Gespräche über eine Unterstützung mit Iron Dome aus Israel sind diesbezüglich eine gute Nachricht. 

Die Partner der Ukraine dürfen sich nach den hinausgezögerten Entscheidungen für Schützenpanzer und Kampfpanzer nicht zurückzulehnen, um das weitere Geschehen abzuwarten. Die Vorbereitungen neuer Lieferungen und die Erhöhung der Produktionskapazitäten müssen sofort angegangen werden.

Unsere Hilfsformel für die Ukraine sollte jetzt lauten: Viel mehr Munition liefern, Produktionskapazitäten für Munition und Material steigern, Waffen und Munition mit höheren Reichweiten liefern und eine ständige Pipeline der Ausbildung und Übung organisieren. 

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