Reichelts Kopf ist ihnen nicht genug

Reichelts Kopf ist ihnen nicht genug

jungefreiheit.de - Manfred Schwarz

Nach dem Rauswurf von Bild-Chef Julian Reichelt fordern relevante Medien in Deutschland den Rücktritt des Springer-Vorstandsvorsitzenden Mathias Döpfner – zumindest als Präsident des Deutschen Zeitungsverlegerverbandes. An die Spitze der Döpfner-Kritiker haben sich der Stern, der Spiegel, der Bayerische Rundfunk und der Tagesspiegel gesetzt.

Stern-Chefredakteur Florian Gless wirft dem Vorstandsvorsitzenden des Springerkonzerns mit großer Chuzpe „Mitwisserschaft von Machtmißbrauch und fehlgeleiteter Unternehmenskultur, Querdenkerlyrik und Verharmlosung der Umstände“ vor. Starker Tobak. Klar, es geht längst nicht mehr nur um den abgesetzten Bild-Chef, über den Mathias Döpfner als Springer-Verlagschef lange Zeit seine schützende Hand gehalten hatte.

Jetzt geht es ebenfalls um den Kopf des Vorstandsvorsitzenden. Drei Dinge vor allem ärgern den Chef der Stern-Redaktion:

  • daß Döpfner angeblich den lange mächtigsten Boulevard-Chefredakteur zu lange gedeckt habe, der sich häufig nicht gescheut hat, wider den linken Zeitgeist zu löcken und dabei die amtierende Bundesregierung sowie auch mächtige linke Gruppierungen in der Bundesrepublik dezidiert zu kritisieren
  • daß der Springer-CEO in einem privaten Kurznachrichten-Chat, gerichtet an seinen früheren Freund Benjamin von Stuckrad-Barre, die jetzige bundesrepublikanische Gesellschaft mit dem früheren „DDR-Obrigkeitsstaat“ verglichen hat
  • daß der Vorstandsvorsitzende in diesem Chat sagte, „fast alle anderen“ deutschen Journalisten seien längst „zu Propaganda-Assistenten“ der Herrschenden in Deutschland geworden.

Von allen Ämtern zurücktreten?

Je mehr Zeilen Florian Gless schreibt, desto mehr steigert er sich in seiner Empörung. Zuletzt will er Mathias Döpfner beruflich ganz vernichten.

Der oberste Stern-Mann meint, durch das Verhalten von Döpfner in der Bild-Affäre und seine Internet-Nachricht an seinen damaligen Freund sei „er entlarvt“. Gless‘ Schlußakkord: „Mathias Döpfner sollte von allen Posten und Ämtern zurücktreten.“

Der Spiegel formuliert seine Vorwürfe und Forderungen feiner. Er zitiert kritische Äußerungen von wichtigen Medienschaffenden. In der Medienbranche, schrieb das Magazin am Freitag, sei die Kritik an der Springer-Führung heftig geworden. So habe der Geschäftsführer des Madsack-Verlages, Thomas Düffert, unterstrichen, die Aussagen Döpfners zur bundesrepublikanischen Politik und zu den Medien seien „für alle Journalistinnen und Journalisten der Madsack Mediengruppe und sicherlich auch darüber hinaus eine unangemessene und verfehlte Herabsetzung“.

Nicht mehr haltbar?

Auch der Verlagsleiter des Mindener Tageblatts, Carsten Lohmann, habe den Rücktritt Döpfners „ins Spiel“ gebracht. Dieser betonte: „Ich finde, daß jemand, der oberster Repräsentant der Tageszeitungen in Deutschland ist, mit so einer Aussage nicht mehr haltbar ist.“

Ebenfalls öffentlich-rechtliche Rundfunk- und Fernsehanstalten schießen mit schwerer Artillerie. Ausgerechnet der Bayerische Rundfunk (BR), der früher mal als eher konservativer „Schwarzfunk“ gegolten hatte und der sich jetzt seit Jahren immer mehr nach links positioniert, stellt sich nun an die Spitze der Kritiker aus den Reihen der ARD.

2017 habe „Döpfner das Internetangebot der öffentlich-rechtlichen Sender auch schon in die Nähe einer Diktatur gerückt“. Und zwar mit den Worten: „Nur Staatsfernsehen und Staatspresse im Netz – das wäre eher etwas nach dem Geschmack von Nordkorea.“ Der BR stellt die rhetorische Frage: „Was aber ist aber von jemanden zu halten, der in seiner Funktion als Chef eines großen Verlags und als Präsident des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger wiederholt nicht im Stande ist, Demokratie von Diktatur zu unterscheiden?“

Die linke Journaille will nun also auch Mathias Döpfner abschießen. Zunächst als Präsident des Deutschen Zeitungsverlegerverbandes. Bereits jetzt scheint es fast undenkbar, daß Döpfner noch einmal für dieses Präsidentenamt kandidiert. Allenfalls wird er, der erst 2020 einstimmig in seinem Amt bestätigt worden ist, der Bundesvorsitzende des Verbandes bis zum Ende seiner Amtsperiode bleiben, also bis 2024.

Auch die New York Times gehört zu den Kritikern

Es ist damit zu rechnen, daß Döpfner ebenfalls als Vorstandsvorsitzender des Axel-Springer-Verlages vermehrt unter Feuer genommen wird. Der Verlag Springer, der gerade dabei ist, seine Aktivitäten in den USA stark zu intensivieren, ist längst auch das Ziel von linker Kritik US-amerikanischer Medien.

Allen voran die New York Times (NYT), die jüngst mit ihren Enthüllungen über die „Causa Julian Reichelt“ vor allem die Bild-Zeitung – aber damit auch den Springer-Verlag – in schwere Bedrängnis gebracht hat. Die NYT, in früheren Jahrzehnten eher linksliberal und seriös ausgerichtet, ist gegenwärtig wohl die Speerspitze der linken Mediengewalt in den Staaten. Wenn die NYT zum Angriff bläst, folgen die meisten anderen Medien in den Bundesstaaten nach.

Mathias Döpfner ist das alles sicherlich ganz klar. Deswegen wohl hat er in den vergangenen Tagen schon klein beigegeben. Er übte Selbstkritik. In einem Brief an die Verlage schreibt er: „Ich nehme diese Kritik sehr ernst.“ Wenn der Ruf der Branche, des Verbandes und insbesondere des Präsidentenamts in diesen Tagen „hierdurch Schaden genommen“ hat, „bedauere ich dies persönlich zutiefst“. Zugleich bat der Verbandschef „um Unterstützung bei den verbandlichen Aufgaben“. Was immer das auch heißen mag.

Döpfner übt sich schon in Demut

„Der Springer-Chef übt sich in Demut“, schrieb der linke Tagesspiegel am Sonntagabend triumphierend. „Muß er auch, wenn er BDZV-Präsident bleiben will“, fügt die Berliner Zeitung hinzu. Sogar im Springer-Konzern habe es „Empörung“ gegeben, „daß unter den vielen Journalistinnen und Journalisten des Konzerns nur ein wahrer Journalist zu finden sei: Julian Reichelt“.

So viel ist klar: Ebenfalls Mathias Döpfner ist in sehr schwere See geraten. Ob er die orkanartigen Stürme überleben wird, läßt sich derzeit kaum voraussagen. Im medialen Mainstream, der immer größere Schlagseite auf der Backbordseite hat, wird jedenfalls kaum noch jemand wagen wollen, das zu sagen, was abseits der veröffentlichten Meinung viele denken: Daß Mathias Döpfner in wesentlichen Punkten seiner Kritik recht hat.

Source jungefreiheit.de

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