Rechnungshof-Bericht: Haben die Kliniken bei Intensivbetten gelogen?

Rechnungshof-Bericht: Haben die Kliniken bei Intensivbetten gelogen?

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Meldeten die Krankenhäuser in der Corona-Krise weniger freie Intensivbetten, als sie wirklich hatten?

Ein neuer Bericht des Bundesrechnungshofs (liegt BILD vor), der am Mittwoch dem Haushaltsausschuss des Bundestags vorgelegt wurde, legt genau das nahe und zweifelt massiv die Verlässlichkeit der Intensivbelegung an – jener Zahl, die als harte Währung der Pandemie galt, auf deren Grundlage Deutschland mehrfach in den Lockdown ging.

Das Brisante: Das Robert-Koch-Institut (RKI) und die Bundesregierung wussten Bescheid!

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Demnach äußerte das RKI bereits am 11. Januar dieses Jahres die „Vermutung, dass Krankenhäuser zum Teil weniger intensivmedizinische Behandlungsplätze meldeten, als tatsächlich vorhanden waren.“ Der Brief ging an das Bundesgesundheitsministerium (BMG) von Jens Spahn (41, CDU).

Grund für die Falschmeldungen: finanzielle Anreize.

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Dadurch, dass die Kliniken weniger freie Intensivbetten meldeten, „könnte der für die Gewährung von Ausgleichszahlungen erforderliche Anteil freier betreibbarer intensivmedizinischer Behandlungsplätze von unter 25 Prozent erreicht werden“, so der Bundesrechnungshof.

Heißt: Die Krankenhäuser meldeten dem Intensivmedizinerverband DIVI, dass sie weniger freie Intensivbetten hatten, um Ausgleichszahlungen vom Staat zu kassieren. Der DIVI veröffentlichte täglich die Bettenauslastung, auf die ganz Deutschland schaute.

Denn: Seit November 2020 erhalten Kliniken die Ausgleichszahlungen nur, wenn die Intensivstationen eines Landkreises zu mehr als 75 Prozent der Kapazitäten ausgelastet sind (und die Inzidenz in der Region über 50 liegt) – die gemeldete Auslastung also äußerst hoch ist.

Wussten über Unstimmigkeiten bei den Intensivbetten Bescheid: RKI-Chef Lothar Wieler und Gesundheitsminister Jens SpahnFoto: Bernd von Jutrczenka/dpa

Merkel warb mit Intensivbetten-Belegung für Lockdown

Doch genau das sieht der Rechnungshof als einen gefährlichen Fehlanreiz, die Zahl freier Intensivbetten nach unten zu rechnen.

Der Rechnungshof-Hammer: „Nach Beobachtung des RKI entspannten sich zwar zeitweise die Fallzahlen auf den Intensivstationen. Allerdings sei der Anteil der freien, betreibbaren Betten insgesamt niedrig geblieben.“ Und: „Die gemeldeten Daten seien daher nicht mehr für eine Bewertung der Situation geeignet.“

ABER: Auf den gemeldeten Zahlen des Intensivmedizinerverbands DIVI stützte die Bundesregierung ihre Entscheidungen über Lockdowns. Diese Zahlen waren mehr als ein Jahr lang die Begründung der Bundesregierung, immer neue Kontaktverbote und Ausgangssperren zu verhängen, Schulen monatelang dichtzumachen.

Noch am 16. April warb Bundeskanzlerin Angela Merkel (66, CDU) mit den Worten für die „Bundesnotbremse“ im Bundestag: „Die Intensivmediziner senden einen Hilferuf nach dem anderen.“

DIVI-Präsident Gernot Marx (55) warnte Ende März: „Wir rennen sehenden Auges ins Verderben.“ Auch er forderte einen schnellen Lockdown.

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Nun ist klar: Zu diesem Zeitpunkt wusste das RKI bereits aus „zahlreichen E-Mails und Telefonaten“, dass Krankenhäuser falsche Zahlen über ihre wahre Intensivbetten-Belegung meldeten.

Hintergrund zu den Ausgleichszahlungen für Krankenhäuser: Die Kliniken erhalten die Zahlungen nicht direkt, sie werden vom Bund über das Land und dann an die Region verteilt. Doch auf die Liste der Empfänger kommen dann nur die Kliniken, die sich entsprechend bedürftig eingestuft haben – sie hatten also ein Motiv, sich bedürftiger darzustellen, als die Corona-Lage es wirklich hergab.

Das RKI empfahl dem Gesundheitsminister laut Rechnungshof bereits Anfang 2021, die Ausgleichszahlungen an Krankenhäuser nicht mehr von den im DIVI‐Intensivregister gemeldeten Daten abhängig zu machen.

Das Ministerium habe diese Hinweise aufgegriffen, so der Rechnungshof-Bericht. Per Erlass vom 8. Februar 2021 wurde das RKI aufgefordert, die DIVI-Zahlen über Engpässe in bestimmten Regionen nur noch dann umzusetzen „wenn diese nachvollziehbar“ sind. Der Rechnungshof: „Bei auffälligen Korrekturbitten sollten Änderungen unterbleiben und die Krankenhäuser bzw. Länder zur Begründung aufgefordert werden.“

Ansonsten aber schwieg das Gesundheitsministerium über den möglichen Fehlalarm für die Intensivstationen. Spahn habe weder „den für die Kontrolle in diesem Bereich geschaffenen Beirat“ noch die Bundesländer „über diesen Sachverhalt informiert“.

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