Raketenangriffe auf Infrastrukturen und harte Kämpfe im Winter

Raketenangriffe auf Infrastrukturen und harte Kämpfe im Winter

Nico Lange

Während die Ukraine versucht, die Folgen der russischen Raketenangriffe auf Infrastrukturen abzumildern, wird an der Frontlinie auch im Winter hart gekämpft. Wie ist die Lage und was wird gebraucht?

Seit dem 10. Oktober 2022 feuerte Russland in mehreren Wellen etwa 370 Marschflugkörper auf ukrainische Infrastrukturen für Energie, Wasser, Heizung und Gas. Etwa 250 Raketen konnte die ukrainische Luftverteidigung abwehren. 

Infolge der russischen Raketenangriffe sind vor allem Umspannwerke und Verteiler, aber auch Teile von Kraftwerken, Heizkraftwerke, Wasserleitungen und Infrastrukturen für Stadtgas schwer beschädigt oder zerstört.

Die Ukraine erweist sich immer wieder dazu in der Lage, zumindest zeitweise die Strom- und Wasserversorgung in den Städten wieder herzustellen. Viele Beschädigungen sind jedoch kurzfristig nicht zu reparieren, viele Ersatzteile sind schwer zu beschaffen oder werden global nur wenig und langsam produziert.

Der Ukraine gelingt es bisher, die Folgen der russischen Raketenangriffe auf die Infrastrukturen abzumildern. Es bleibt offen, ob Reparaturen und Zwischenlösungen für eine Überwinterung der ukrainischen Bevölkerung in den großen Städten in der bisherigen Weise ausreichen.

An der Frontlinie wird auch im Winter hart gekämpft. Historische Bilder oder Klischees zu "festgefrorenen" Kampfhandlungen im Winter oder "Winterkrieg" sind auf die Lage in der Ukraine nicht übertragbar.

Im Gebiet Luhansk versuchen die ukrainischen Streitkräfte weiterhin, sowohl nördlich als auch südlich von Swatowe weiter nach Osten vorzustoßen. Aufgrund eingebrachter russischer Verstärkungen und starker russischer Artillerie kommt die Ukraine nur langsam voran.

Bei Bachmut greift Russland bereits seit fünf Monaten gegen gut ausgebaute ukrainische Stellungen weiter an und konnte zuletzt bis an den Stadtrand vordringen. Für sehr geringe taktische Geländegewinne zahlt Russland hier einen extrem hohen Preis.

Die Ruinen von Bachmut und das verwüstete Gelände östlich der Stadt gleichen einem Schlachtfeld im 1. Weltkrieg. Russland erlitt bei Bachmut enorm hohe Verluste, aber auch auf ukrainischer Seite gibt es hohe Verluste und viele Verwundete.

Westlich von Donezk bei Adwijiwka erreichte Russland mit sehr hohem Aufwand ebenfalls geringe Geländegewinne. Die Intensität der Angriffe verringerte sich jedoch zuletzt.

Aufgrund der astronomisch hohen Verluste wird Russland die Intensität der Angriffe im Donbass und die Verteidigung im Gebiet Luhansk in der bisherigen Weise nur aufrecht erhalten können, wenn schon in Kürze - möglicherweise ab Mitte Januar - die Mobilmachung fortgesetzt wird.  

Die Ukraine könnte trotz weiterer Rückeroberungen in den nächsten Wochen aufgrund der kritischen Lage der Infrastrukturen, kleinerer Geländegewinne oder der Einnahme einzelner Ortschaften durch Russland im Donbass psychologisch in eine schwierige Lage gelangen.

Die schnelle Hilfe der Partner für die Widerstandsfähigkeit der Ukrainerinnen und Ukrainer kommt an. Möglichst viele Notstromaggregate, Generatoren, mobile Heizungen, Powerbanks, Ladegeräte mit Kurbeln, kleine LED-Leuchten sowie LED-Armbänder und Reflektoren für Kinder werden weiterhin gebraucht.

Für einige Luftverteidigungssysteme der Ukraine mangelt es an Munition. Hilfe mit Munition, höhere Munitionsproduktion und Unterstützung bei der Munitionslogistik sind notwendig. Je schneller weitere Luftverteidigungssysteme kommen, desto besser.

Für Offensiven zur Befreiung ihres Staatsgebiets braucht die Ukraine weiterhin Kampfpanzer, Schützenpanzer und generell mehr Kettenfahrzeuge, auch wenn viele gepanzerte Fahrzeuge auf Rädern aufgrund des gefrorenen Bodens aktuell wieder mobiler werden.

Möglichst viele Drohnen sowie Präzisionsartillerie und Raketenartillerie mit möglichst hohen Reichweiten sind weiterhin notwendig. Artilleriemunition in großen Mengen wird gebraucht.

Russland hat sich auf die Reichweiten der Ukraine mittlerweile eingestellt. Für entscheidende Schläge gegen Führung, Kommunikation und Logistik braucht die Ukraine Waffen und Munition mit höheren Reichweiten.

Die EU sollte sich zudem auf eine zumindest zeitweise Migration aus der Ukraine zur Überwinterung einrichten und insbesondere Polen und die Slowakei finanziell und mit Infrastrukturen an den Grenzen darauf vorbereiten. 

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Karte: (@AndrewPerpetua) / Twitter

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