Planspiel des israelischen Geheimdienstes: Umsiedlung der Bevölkerung von Gaza in den Sinai
test.rtde.websiteEin israelisches Kulturmagazin kam in den Besitz von brisanten Papieren. Danach soll die Bevölkerung des Gazastreifens laut den Plänen Israels "zwangsweise und dauerhaft" in den Sinai umgesiedelt werden. Zudem soll erreicht werden, die internationale Gemeinschaft für diese Maßnahme zu gewinnen.
Der Artikel des Onlinemagazins Mekomit erschien am 28. Oktober. Das demnach offizielle Dokument des "Geheimdienstministeriums" empfiehlt laut den Darlegungen dem israelischen Verteidigungsministerium "die vollständige Umsiedlung aller Bewohner des Gazastreifens in den nördlichen Sinai". Diese Strategie stelle "die vorzuziehende von drei Alternativen" dar, die das Papier inhaltlich für die Zukunft der Palästinenser im Gazastreifen nach Ende des aktuellen Kriegskonflikts vorschlägt.
Der Autor des Artikels, Yuval Avraham, betont nach Auswertung und Darlegungen, dass die formulierten Empfehlungen der Behörde "nicht unbedingt" vom Verteidigungsministerium berücksichtigt werden müssten. Die benannte Behörde wäre dabei nicht für alle nachrichtendienstlichen Stellen zuständig, "sondern erstellt unabhängig Studien und Strategiepapiere", die dann wiederum an die Regierung Netanjahu und entsprechende Sicherheitsbehörden zur Prüfung weitergeleitet werden. Dies alles ohne unmittelbare Verbindlichkeit. Der Einfluss dieser Ministeriumsbehörde gilt laut Avraham "als relativ gering".
Das zehnseitige Dokument, das auf den 13. Oktober datiert ist, trägt laut dem Artikel das Logo des Geheimdienstministeriums, das von Ministerin Gila Gamliel (Likud) geleitet wird, die seit Dezember 2022 den Posten der Ministerin für Geheimdienste ausübt. Eine Quelle im Geheimdienstministerium bestätigte in einer Nachfrage, "dass das Dokument authentisch sei, von der politischen Abteilung des Ministeriums an das Verteidigungsministerium verteilt wurde und 'nicht an die Medien gelangen sollte'", so das Onlinemagazin erläuternd.
Zu dem im Papier formulierten Gaza-Szenario heißt es zitierend, nach vollzogener Evakuierung der dort lebenden Bewohner:
"Zeltstädte und neue Städte im nördlichen Sinai errichten, die die vertriebene Bevölkerung aufnehmen, und dann ein steriles Gebiet von mehreren Kilometern innerhalb Ägyptens zu schaffen und der Bevölkerung nicht zu erlauben, in die Nähe der israelischen Grenze zurückzukehren oder sich dort aufzuhalten."
Parallel sollen in einer zuarbeitenden Kampagne "Länder auf der ganzen Welt, allen voran die Vereinigten Staaten, mobilisiert werden, um die Maßnahme umzusetzen". Das Dokument empfiehlt demnach unmissverständlich und ausdrücklich "die Umsiedlung von Zivilisten aus dem Gazastreifen als gewünschtes Ergebnis des Krieges". Über das Geheimdienstpapier wurde auch in der israelischen Zeitung Calcalist berichtet. Weitere Erläuterungen zu dem theoretischen Szenario lauten:
"Der Transferplan ist in mehrere Phasen unterteilt: In der ersten Phase müssen Maßnahmen ergriffen werden, damit die Bevölkerung des Gazastreifens "nach Süden evakuiert" wird, während sich die Luftangriffe auf den nördlichen Gazastreifen konzentrieren. In der zweiten Phase wird ein Bodenangriff auf den Gazastreifen beginnen, der zur Besetzung des gesamten Gazastreifens von Norden bis Süden und zur "Säuberung der unterirdischen Bunker von Hamas-Kämpfern" führt."
Laut dem Dokument würde parallel verlaufend mit der Besetzung des Gazastreifens "die Zivilbevölkerung des Gazastreifens in ägyptisches Gebiet umziehen, den Gazastreifen verlassen und nicht mehr zurückkehren dürfen". Weiter heißt es wörtlich zitiert:
"Es ist wichtig, die Verkehrsadern in Richtung Süden benutzbar zu halten, um die Evakuierung der Zivilbevölkerung in Richtung Rafah zu ermöglichen."
Laut der ungenannten Geheimdienstquelle des Magazins stehen die Autoren des Papiers "hinter diesen Empfehlungen". Die Quelle betonte, dass die Untersuchungen und Vorschläge des Ministeriums "nicht auf militärischen Erkenntnissen beruhen" und daher lediglich als Grundlage für Diskussionen mit der Regierung dienen sollen.
Des Weiteren wird in dem theoretischen Szenario empfohlen, gegenüber der palästinensischen Bevölkerung eine Informationskampagne zu eröffnen, über diese die Menschen "motiviert werden würden, dem Plan zuzustimmen", um dann ihre Heimat final aufzugeben. So lautet das wörtliche Zitat aus den Dokumenten:
"Die Botschaften sollten sich um den Verlust des Landes drehen, d. h. es sollte deutlich gemacht werden, dass es keine Hoffnung mehr auf eine Rückkehr in die Gebiete gibt, die Israel in naher Zukunft besetzen wird, ob das nun stimmt oder nicht."
Und weiter:
"Allah hat dafür gesorgt, dass ihr dieses Land wegen der Hamas-Führung verloren habt – ihr könnt nur mit Hilfe eurer muslimischen Brüder woanders hinziehen."
Eine parallel lancierte Medienkampagne soll zudem Israel in ein positiveres Licht rücken, "in der die Vertreibung der Bevölkerung aus dem Gazastreifen als humanitäre Notwendigkeit dargestellt wird und internationale Unterstützung findet, weil sie zu 'weniger Opfern unter der Zivilbevölkerung führt, als zu erwarten wäre, wenn die Bevölkerung bleibt'". In dem Dokument wird demnach dann vorgeschlagen, die Vereinigten Staaten "in den weiteren Prozess einzubeziehen, damit sie Druck auf Ägypten ausüben, die Bewohner des Gazastreifens aufzunehmen, und andere europäische Länder, insbesondere Griechenland, Spanien und Kanada, zur Aufnahme und Ansiedlung der aus dem Gazastreifen evakuierten Flüchtlinge zu bewegen".
Nach Quellenangaben des Geheimdienstministeriums wurde das Dokument vorerst "nicht über das Ministerium an US-Beamte verteilt, sondern nur an die israelische Regierung und die Sicherheitsbehörden". Dass genannte Pläne innerhalb der israelischen Sicherheitsbehörden bereits diskutiert würden, belege zudem ein Ereignis der letzten Woche.
Das Misgav-Institut, ein israelischer Think-Tank veröffentlichte laut Mekomit-Artikel "unter der Leitung von Meir Ben-Shabbat, einem engen Mitarbeiter Netanjahus und ehemaligen Leiter des Nationalen Sicherheitsrats, ein Positionspapier, in dem ebenfalls der Zwangstransfer der Bevölkerung des Gazastreifens auf den Sinai gefordert" wurde. Der auf X, ehemals Twitter, veröffentlichte Beitrag wurde jedoch wieder gelöscht, "nachdem er kritische internationale Reaktionen hervorgerufen hatte", so der Artikel erläuternd.
Zudem wurde jüngst bekannt, dass das von der Likud-Politikerin Gila Gamliel geführte Ministerium für Geheimdienste "dem Misgav-Institut etwa eine Million Schekel – rund 250.000 Dollar – aus seinem Haushalt" überwiesen hat, damit das Institut "Forschungen über arabische Länder durchführen" kann. Der Mekomit-Artikel stellt dazu fest:
"Falls das Misgav-Institut an der Ausarbeitung des Überweisungsdokuments des Geheimdienstministeriums beteiligt war, erscheint zumindest sein Logo nicht auf dem Dokument."
"Quellen im Nachrichtendienstministerium" erklärten demnach, dass es sich laut ihrer Einschätzung "um eine unabhängige Studie der politischen Abteilung des Ministeriums ohne Zusammenarbeit mit einer externen Partei handele". Bestätigt wurde jedoch gegenüber dem Onlinemagazin, dass sie vor Kurzem mit dem Misgav-Institut zusammengearbeitet hätten. Das Misgav-Institut hätte eine diesbezügliche Anfrage nicht beantwortet.
Laut dem Artikel bestehe daher der Verdacht, beziehungsweise die Möglichkeit, dass die zugespielten Unterlagen als Testballon dienen sollen, ob "die israelische Öffentlichkeit bereit ist, Ideen für einen Transfer aus dem Gazastreifen zu akzeptieren". Die Chancen "für die Umsetzung eines solchen Plans" wären dabei laut dem Mekomit-Autoren "in vielerlei Hinsicht verschwindend gering", da der ägyptische Präsident Abd al-Fattah as-Sisi erst kürzlich offiziell erklärte, dass er die Öffnung des Rafah-Übergangs zur Aufnahme der Zivilbevölkerung aus dem Gazastreifen entschieden ablehnt.
As-Sisi warnte davor, dass die Umsiedlung von Palästinensern aus dem Gazastreifen in den Sinai den Frieden zwischen Israel und Ägypten gefährden würde, und warnte, dass dies theoretisch "zu israelischen Angriffen auf ägyptisches Gebiet führen würde".
Die letzte genannte Alternative, "die Bildung einer lokalen arabischen Führung, die an die Stelle der Hamas tritt", sei laut dem Dokument zufolge "nicht wünschenswert", da es aktuell "keine lokalen Oppositionsbewegungen zur Hamas gibt und die neue Führung wahrscheinlich radikaler sein wird". Weiter heißt es dazu zitierend aus dem Dokument:
"Das wahrscheinliche Szenario ist nicht ein Wandel in der ideologischen Wahrnehmung, sondern die Gründung neuer islamistischer Bewegungen, die möglicherweise noch extremer sind."
Das Verteidigungsministerium, das Büro des Armeesprechers, wie auch das Misgav-Institut hätten zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Artikels am 28. Oktober auf zugesandte Anfragen "nicht geantwortet".
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