Olaf Scholz bei Maischberger: Minimalistischer Defensivspieler trifft Fallenstellerin

Olaf Scholz bei Maischberger: Minimalistischer Defensivspieler trifft Fallenstellerin

www.spiegel.de - Arno Frank, Der Spiegel

Olaf Scholz und Sandra Maischberger lieferten sich ein Gesprächsduell wie aus dem journalistischen Lehrbuch. In die Bredouille geriet der Kanzler nicht – höchstens kurz in Verlegenheit.

Olaf Scholz bei Maischberger: Fallen gestellt und eiskalt zuschnappen lassen Foto: WDR/Oliver Ziebe

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In sichtbare Verlegenheit kommt Olaf Scholz immer dann, wenn er mal ganz unpolitisch daherplaudern soll. Das ist nicht sein Genre. Unbekanntes Terrain, wo hinter jeder Frage eine subtile Gefahr lauern können, gegen die er keine seiner erprobten Antworten zur Anwendung bringen kann. Welche Comics er denn als Kind gelesen habe, will Sandra Maischberger vom Bundeskanzler wissen. Da wird sein Grinsen dann noch scharfkantiger, die Hand geht zum Kinn, er wirkt fast linkisch. »Selbstverständlich«, sagt er dann tastend, »habe ich Comics gelesen«, meistenteils »die Disney-Produkte«.

Zu diesem Zeitpunkt, am Ende seines Auftritts, hat die Moderatorin ihm bereits die bewährte Sandra-Maischberger-Behandlung angedeihen lassen. Sie hat den ganzen Katalog harter Fragen ausgebreitet und hart gefragt, auch mehrmals, dann nochmal (»Mindestlohn, Mindestlohn«), jeden Ausweichversuch registriert und benannt, beizeiten Verständnis angetäuscht, Bögen gespannt und Klammern geöffnet, zustimmendes Schmunzeln simuliert, Fallen gestellt und eiskalt zuschnappen lassen. Das volle Programm.

Maischberger würdigt den »netten Ablenkungsversuch«

Und da fühlt der alte Scholz sich wohl. Etwa, wenn er den jungen Scholz (noch mit wallendem Haupthaar) kommentieren soll, der einst gegen die Nato demonstrierte. Kein exkulpierendes Geschwafel über die Jugend und ihre Privilegien. Es irre, wer die Nato für »aggressiv und imperialistisch« halte. Punkt.

Hätten denn, als der Konvoi der Soldateska nach Moskau rollte, der BND oder auch befreundete Geheimdienste »Menschen wie Sie« nicht »erst relativ spät ins Bild gesetzt«? Wer zu spät informiert worden sei, sagt Scholz, »war der russische Präsident«. Maischberger würdigt den »netten Ablenkungsversuch«, das »war aber nicht die Frage«. Deren Antwort kann man sich zurechtreimen. Scholz war ebenfalls relativ spät ins Bild gesetzt, hält sich aber zugute, »ruhig« reagiert zu haben.

Die »Hand aufs Herz«-Frage, ob er sich denn insgeheim gewünscht habe, dass das »Putin-Regime zu Ende geht«, bügelt er hingegen souverän ab. Spekulationen oder gar Wünsche machten in seiner solchen Lage »gar keinen Sinn«. Er wird kurz spitz: »Diejenigen, die alles vorweg wissen, bewundere ich«, hätten aber keine Ahnung. Dann schnell wieder staatstragend: »Ziel unserer Unterstützung der Ukraine ist kein Regime-Change in Russland«.

Es folgen Stromschnellen, Scholz soll Sätze vervollständigen

Maischberger würde gerne wissen, ob Putin »auch im kleinen Kreis« und »bei einem Glas Irgendwas« seine Positionen vertreten habe. Ja, seine Erzählung komme darin immer vor, sagt Scholz und klappt das Nähkästchen sofort zu. Es sei notwendig, »dem Land Ukraine dabei zu helfen, sich zu verteidigen«. Erster und einziger Applaus des Abends, zaghaft, nach 32 Minuten.

Da geht Maischberger sofort in die Gegenoffensive und will wissen, ob Scholz »mit in der Verantwortung« sei, »dass es jetzt so schleppend vorangeht« mit der ukrainischen Gegenoffensive. Nein, sei er nicht: »Wichtig ist, dass wir uns die Sache nicht so leicht machen und uns darauf einstellen«, dass es noch länger dauern könne.

Im Hinblick auf China bemüht sich Scholz um geopolitischen Überblick. Wir würden noch »viele mächtige Länder kennenlernen, auch in Asien«. Die deutsche Zukunftssicherheit hänge davon ab, auch mit Indien, Südkorea oder Thailand gute Geschäfte zu machen: »Wir nennen das De-Risking«.

Es folgen Stromschnellen, Scholz soll Sätze vervollständigen.

Die Abhörung der Letzten Generation? »Sei sicher sorgfältig erwogen worden« von den Verantwortlichen.

Bahnstreik? »Ich wünsche mir, dass das nicht passiert«.

Irgendwann merkt Maischberger an, eine Antwort sei »grammatikalisch nicht ganz richtig« gewesen. Scholz sofort: »Aber inhaltlich!«.

Ein Kanzler mit Gedächtnislücken? Hier wird’s gefährlich, Scholz merkt das und wägt die Worte. Dergleichen sei »unvermeidbar. Ich kenne keinen Menschen, bei dem das nicht so ist«. Maischberger macht ein sehr lustiges Gesicht, in dem sich im Grunde die komplette Cum-Ex-Affäre und alle staatsanwaltschaftlichen Fragen an Olaf Scholz spiegeln, der sich da an nichts erinnern mag. Scholz versucht es mit einem Lächeln: »Was haben Sie mit siebeneinhalb gemacht?«.

Maischberger behält ihr Gesicht bei, erhält aber keine weitere Antwort. Dafür hält sie Scholz ein älteres Zitat vor, wonach er »keine Politik des kleinsten gemeinsamen Nenners, sondern eine Politik der großen Wirkung« machen wolle. Und nun? Stichwort Energiewende, Heizungsgesetz? Scholz räumt ein, er hätte »manches gerne geschmeidiger hingekriegt«. Aber politische Voraussetzungen müsse man eben erst einmal schaffen und sich dabei »mit unheimlich vielen anlegen«.

So lapidar lässt sich Maischberger nicht abspeisen, dafür aber den gescheiterten Landrat von Sonneberg in Thüringen einspielen, wie er neben Friedrich Merz steht und dessen Kurs paraphrasiert: »Was uns auf die Füße gefallen ist, ist die unsägliche Politik der Ampelregierung«. Weshalb den Leuten, so die Erzählung, gar nichts anderes übrig bleibe, als – leider, leider! – Rechtsextremisten mit faschistischen Vorstellungen ihre Stimme zu geben.

Eine überraschend offene Tätigkeitsbeschreibung

Ist Scholz denn wenigstens schuld am Hoch der AfD? Auf ein knappes »Nein!« folgt ein längerer Anlauf, für den Scholz sogar seine Sitzposition ändert: »Ich glaube«, hebt er an, »es ist was los, worüber man offen reden muss«. Veränderungen, Zukunft, Zusammenhalt, Respekt.

Maischberger hört sich das geduldig an und stellt dann fest: »Alles, was sie bisher gesagt haben, haben Sie auch im Wahlkampf gesagt«. Zitat von Saskia Esken und deren Kritik am Heizungsgesetz. Geholfen habe das Weihevolle offensichtlich nicht. Im Gegenteil. Signale wären doch schön, rät sie, etwa finanzpolitische Sofortmaßnahmen gegen die Inflation.

Scholz reagiert irritiert und erklärt, dass man etwa gesenkte Mehrwertsteuern auf Grundnahrungsmittel eines Tages »auch wieder erhöhen« müsse, so also höchstens Zeit zu gewinnen sei. Auch bei der Frage des Mindestlohns bleibt er hartleibig, selbst wenn die aktuelle Entscheidung hier nicht zugunsten »der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer« ausgefallen sei, als deren Anwalt er sich sieht.

Solche diplomatischen Einlassungen gehören offenbar zu seinem Geschäft, das er dann doch noch in einen launigen Satz packt – und damit eine überraschend offene Tätigkeitsbeschreibung abgibt: »Ich bringe ja ständig Ordnung in alle möglichen Streitereien«.

Nein, in die Bredouille hat an diesem Abend auch Sandra Maischberger den minimalistischen Defensivspieler nicht bringen können. Immerhin aber ein bisschen in Verlegenheit, das schon.

»Disney’s Lustige Taschenbücher« also. Sieh an, sieh an …

Source www.spiegel.de

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