Nord-Stream-Pipelines: Für immer zerstört? –Energiesicherheitsexperten antworten

Nord-Stream-Pipelines: Für immer zerstört? –Energiesicherheitsexperten antworten


Das Gasleck an den Pipelines Nord Stream 1 und 2 hat der Sprecher des russischen Präsidenten, Dmitri Peskow, wie folgt kommentiert: „Es ist eine sehr alarmierende Nachricht. Eine absolut beispiellose Situation, die eine dringende Untersuchung erfordert. Wir sind über diese Nachricht höchst besorgt.“

Auf die Frage, ob er die Möglichkeit eines Anschlags einräume, antwortete er: „Jetzt kann man keine Version ausschließen. Die Röhre hat einen Schaden. Was war der Grund? Bis das Ergebnis der Untersuchung vorliegt, ist keine Version auszuschließen.“ Sind Kontakte zu dem Thema mit Scholz oder anderen Behörden geplant? „Zweifellos, weil dies Fragen sind, die mit der Energiesicherheit des ganzen Kontinents zusammenhängen.“

Momentan beschuldigt keiner jemanden auf offizieller Ebene. Dabei kann der Wert des russischen Gases, das sich in den Röhren befand, laut einigen Experten zwei Mrd. Dollar übersteigen. Über die vorläufigen Schlussfolgerungen spricht Konstantin Simonow, Generaldirektor der Stiftung für nationale Energiesicherheit Russlands:

„Diese Geschichte ist sicher handgemacht. Seit zehn Jahren funktionieren die beiden Stränge von Nord Stream 1 im kommerziellen Vollbetrieb ohne ernsthafte Unfälle oder Fehler. Es hat dort keine Gaslecks gegeben. Nord Stream wird von den Europäern aufs sorgfältigste überwacht. Nun werden es alle wieder einander in die Schuhe schieben, aber diese Geschichte ist viel rätselhafter als die mit den Turbinen. Mal sehen, wie die europäische Seite es erklären wird. Allerdings kann sie gar nichts erklären, sondern einfach sagen: Was können wir dafür? Nichts. Die Dänen werden ratlos meinen: Du liebe Zeit, so was in unseren Gewässern!“

Trotz allem hat Hoffnung bestanden, dass früher oder später, etwa beim Beginn der Kälte, Russland und Europa sich einigen, und die Lieferungen durch Nord Stream 1 wiederaufgenommen werden. Jetzt lässt sich kaum voraussehen, wann die Reparaturarbeiten starten, wie viel Zeit sie in Anspruch nehmen und wann man durch diese Röhren wieder Gas liefern kann.

Michail Krutichin von RusEnergy, Experte für Erdöl- und Erdgasmarkt, sagt, man müsse einzelne Abschnitte dieser Gasleitung aus dem Wasser heben und ersetzen. „Anschließend ist eine Wasserdruckprobe des ganzen Strangs durchzuführen und er muss wieder mit Gas befüllt werden, bevor er wieder in Betrieb genommen wird. Es ist aber ausländischen Firmen verboten, an Nord Stream 2 zu arbeiten, weil das Projekt mit Sanktionen belegt ist. Dies bedeutet, dass man wieder das Verlegeschiff ‚Akademik Tscherski‛ aus dem Fernen Osten mit einer ganzen Flottille von Hilfsschiffen wird herbestellen müssen.“

Alexej Gromow, Direktor des Instituts für Energie und Finanzen, sagt, dass man Nord Stream nicht vor Ablauf der europäischen Winterheizperiode hochfahren werde. „Das heißt, Europa bekommt im 4. Quartal 4,5 Mal weniger russisches Gas als im Vorjahr. Im Ganzen werden die von Russland in den ganzen europäischen Raum exportierten Gasmengen 2022 um die Hälfte schrumpfen.

Die Möglichkeit diese Winterheizperiode ohne Probleme zu überstehen bleibt jedoch bestehen. Es wird aber erst Ende Februar oder im März klar, ob es der Fall sein wird, und auch das nur bei einem milden Winter. Die Europäer werden dank den in unterirdischen Speichern angesammelten Reserven, dank der Einsparung von Erdgas und den Maßnahmen, die sie entwickelt haben, diese Heizperiode überstehen können, wenn auch unter Schwierigkeiten und hohen Preisen.

Die europäische Industrie wird es aber schwer haben, vor allem die erdgasintensiven Branchen wie Chemie, Stickstoffdüngerproduktion, Metallurgie und Zementproduktion. Diese werden entweder die Produktion stoppen oder die produzierten Mengen wesentlich kürzen müssen.“

Wie wird sich aber das Ganze auf die Umwelt auswirken? Wassili Bogojawlenski, Professor an der Russischen Staatlichen Universität für Erdöl und Erdgas, äußerte dazu, die Auswirkungen würden nicht so schlimm sein, wie es auf den ersten Blick scheinen möge: „Es geht doch um Gas, nicht um Erdöl. Wären es Erdölleitungen, ließe sich bereits von einer globalen Katastrophe reden. Da es sich aber um Gas handelt, dazu noch um das trockene Gas Methan, wird es praktisch spurlos in der Atmosphäre zergehen. Allerdings ist Methan ein Gas mit sehr starkem Treibhauseffekt. Die Freisetzung von Methan in die Atmosphäre beschädigt das Ökosystem auch.“

Hat es gegenwärtig Sinn, die Röhren instand zu setzen, wozu offenbar sehr viel Geld erforderlich sein würde? Gibt es Garantien dafür, dass es nach einiger Zeit nicht wieder zu ähnlichen Unfällen kommt?

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