Königliches Blut / Королевская кровь von Irina Kotova (Ирина Котова), Buchvorstellung Teil 10: Kritik

Königliches Blut / Королевская кровь von Irina Kotova (Ирина Котова), Buchvorstellung Teil 10: Kritik

Eulenalltag

Mag ich diese Buchreihe? JA! Habe ich was zu Meckern? Aber hallo!

Zum einen muss ich immer die Augen verdrehen, wenn es um die Frauenrollen - genauer gesagt um die Rolle der Frau! - in diesen Büchern geht. Es sind Liebesromane, klar, also für Frauen verfasst, die Romantik lesen wollen. Darüber lässt sich nicht lästern, jede/r Leser/in hat ihren/seinen eigenen Geschmack was Bücher angeht. Trotzdem muss ich hierzu Folgendes loswerden: Auch Frauen, die gerne Romantisches lesen, wollen nicht zwangsläufig alle Ehefrau und Mutter werden. Dass es in Liebesromanen in erster Linie darum geht, den/die Richtige/n zu finden, ok. Sich ihm/ihr unterzuordnen - nein! Der Fairness halber ist gerade das in "Königliches Blut" nicht Thema. Was aber Thema ist, ist die allgegenwärtige Mutterschaft. Gefühlt jede weibliche Figur in den Büchern wird im Laufe der Geschichte schwanger und wird dadurch "häuslicher" und "weicher". Das trifft auf Marina Rudlog, zugegeben, nicht zu 100 % zu, weil ihre Schwangerschaft eine eher schwierige ist und zudem mitten in den Kriegshandlungen entsteht. Bei allen anderen dagegen ist das Mutterwerden/-sein das A und O. Als ein Beispiel möchte ich Ludgina nennen, die Assistentin des ehemaligen Sicherheitschefs Strelkovskiy. Diese Figur ist von Anfang an sehr sympathisch. Sie sticht aus der Menge der "typisch" weiblichen Figuren heraus. Sie ist Militärangehörige, eine hartgesottene Soldatin, stammt aus dem Rudlogschen unwirtlichen Norden, kann es kampfmäßig mit jedem Mann aufnehmen, ist durchtrainiert und durch und durch "unweiblich". Ihre (männlichen) Kollegen lästern über sie, denn Frauen haben einfach nicht so zu sein! Wo kämen wird denn da hin? Aber: Ludgina fühlt sich in ihrer Haut wohl, und ist großartig. Dann wird sie schwanger. Die Schwangerschaftshormone können eine Menge anrichten, ja... Aus Ludgina wird schlagartig eine andere Person. Sie wird fortan nur noch als häusliche, gemütliche, weiche, für den Mann ihres Lebens keksebackende Frau beschrieben. Und zwar auf eine Weise, die der Leserin klar machen soll, dass so eine Lebensweise die einzig richtige, die einzig erstrebenswerte ist. Pfui, ehrlich gesagt...

Ok, die Bücher sind, wie schon gesagt, in erster Linie Liebesgeschichten. Sei's drum. Mögen alle Paare ein Happyend erleben, möge es dabei Kerzenschein und Geigenmusik geben und Herzen vom Himmel regnen.

Der nächste Kritikpunkt ist einer, der die ganze Romantik in den Boden stampft. So etwas gehört weder in einen Liebesroman, noch in sonst ein Buch. Romantisierte sexuelle Gewalt nämlich. Das ist ein Punkt, den ich der Autorin nicht nachsehen kann wie den oberen mit dem Einzig-richtigen-Frausein. Geht. Gar. Nicht.

Dass die Helden in romantischen Büchern den starken Mann markieren und den Bestimmer herauskehren - ok. Kommt vor. Finden viele vielleicht sogar toll.

Was passiert in "Königliches Blut"?

Luke versucht Marina zu vergewaltigen. Strelkovskiy vergewaltigt Ludgina. Demian Bermont vergewaltigt Paulina. Aber natürlich meinen die Männer das nicht so!!!

Luke Cambrigde-Darmonshire versucht doch bloß, Marina zu provozieren, damit sie zugibt, wer sie wirklich ist.

Igor Strelkovskiy trauert so sehr um seine Königin Irina, dass er sich bis zur Besinnungslosigkeit besäuft. Dass er im Suff seine Assistentin mit der verlorenen Liebe verwechselt, Mensch, das kann doch mal passieren. Außerdem ist Ludgina ihm körperlich überlegen, also hat sie es doch wohl zugelassen, oder? Es sogar gewollt! Sie liebt ihn doch so sehr!

Demian Bermont wird in seiner Hochzeitsnacht mit einem magisch verstärkten Tollwut-Erreger infiziert und fällt über seine Braut Paulina her. Aber er war doch gar nicht er selbst! Da muss man doch Verständnis haben, also wirklich!

Mir kommt gerade Rauch aus den Ohren, während ich das schreibe, so sehr regen mich diese Szenen in "Königliches Blut" auf. So sehr mir die Reihe auch gefällt, so gerne ich sie auch lese/höre, so sehr ich das Erzähltalent der Autorin Irina Kotova bewundere - diese Abschnitte sind wie Fremdkörper, die permanent vor sich hin stinken.

Das ist aber noch nicht alles.

Ich habe schon in einem der früheren Beiträge geschrieben, wie sehr mir die Figuren Alina und Max gefallen. Ich verfolge ihre sich anbahnende Zuneigung mit großer Spannung. Aber - ja, auch hier gibt es ein Aber - am Ende des 9. Bandes passiert etwas, das sich ebenfalls wie ein Kieselstein im Pudding anfühlt.

Zum einen ist da der Altersunterschied, immerhin 60 Jahre. Alina ist erst 17 und Jungfrau mit gerade erlittenem Trauma (ob ihr es glaubt oder nicht, wieder eine versuchte Vergewaltigung, allerdings nicht durch Max Trott). Sie ist in Trott verliebt, aber es ist keine glühende Leidenschaft im Spiel, eher ein Anhimmeln aus sicherer Entfernung. Wie beide dann zusammenkommen (sollen), ist dann doch kniffelig.

Ja, es ist befremdlich, wenn ein Professor, ein treuer Freund und Beschützer, ein in jeder Hinsicht überlegener – weil lebenserfahrener – Mann, Sex mit einem 17jährigen Mädchen haben will/soll. Es ist in vielen Gesellschaften zu Recht eine verwerfliche, sogar kriminelle Handlung. Das waren Entwicklungen im neunten Buch, die ich nicht akzeptieren wollte und konnte. Erst beim zweiten Durchgang, als bereits wusste, was auf mich zukommt, habe ich mehr auf die Details geachtet, auf die Wege, die die Autorin gewählt hat, um diese Entwicklung für ihre Leser_innen akzeptabler zu gestalten.

Wie in allen anderen Dingen der Buchreihe geht Irina Kotova auch hier sehr raffiniert vor. Sie trennt die zivilisierte Seite (Oberwelt) von der „wilden“ (Unterwelt). In der Welt Thura ändert sich nichts, Alina und Trott werden von keinerlei befremdlichen Gelüsten und Erfahrungen berührt. Nicht nur metaphorisch. Sie schlafen, während ihre dunklen Hälften durch die Wälder von Lortakh wandern. Es sind dieselben Personen – und auch wieder nicht. Der pedantische Professor ist nicht wirklich auf Lortakh, dort gibt es nur den nicht besonders feinfühligen Krieger Okhtor, der die Dinge ganz anders wahrnimmt als der Magier, und perfekt in die urtümliche Welt voller Gewalt passt. Der Bücherwurm Alina mutiert bald zu einer Person, die sie auf Thura nie hätte werden können. Sie wird reifer, kämpferischer, entschlossener, und entfernt sich damit von ursprünglichen Prinzessinnen-Persönlichkeit. Ja, sie entwickelt Gefühle für ihren Begleiter, doch wer sagt, dass diese Gefühle nach ihrer Rückkehr Bestand haben werden?

Die entscheidende Annäherung der beiden geschieht nicht freiwillig. Auch das ist ein Trick der Autorin, der das Ganze vermutlich abschwächen, sprich: dem alten Mann die Verantwortung nehmen soll. Der Todesgott Corvin persönlich wünscht eine Verbindung von Alina und Trott/Okhtor. Wollen sie ihre Welt retten, müssen sie sich fügen und heiraten, ergo Geschlechtsverkehr haben. Befehl von ganz oben, sozusagen. Der Trick zeigte bei mir nur wenig Wirkung. Auch wenn das Paar am Ende des neunten Bandes dann doch nicht den letzten Schritt geht, bekam ich das Gefühl, dass hier etwas falsch läuft, nicht aus dem Kopf. Zu eifrig stürzt der Kontrollfreak Trott sich in die Ehe und zu begeistert ist er von der Idee, die Ehe zu vollziehen. Dass er im letzten Moment einen Rückzieher macht, hat ihn mir auch nicht sympathischer gemacht. Und dass, obwohl er eine meiner liebsten Buchfiguren ist, und dank der Erzählkunst der Autorin man jeden seiner Gedanken, jede Bewegung nachvollziehen und verstehen kann. Trotzdem: Diese Szene in der Höhle werde ich ihm nicht so schnell vergessen.

Zwei Bände lang sah es so aus, als würde ihr Weg an der Quelle des Todesgottes enden. Am Ende des neunten Buches stellt sich jedoch heraus, dass die bisherigen Entbehrungen nicht als ein Vorspiel waren. Die echte Herausforderung steht erst noch bevor. Es wird also doch noch zu gewissen Szenen zwischen der Roten Prinzessin und ihrem Beschützer kommen. Ich weiß, dass die Figuren sich weiterentwickeln, sich weiter annähern werden. Vielleicht wird das Befremdliche dann verschwinden.

Report Page