Iran und Israel. Die Achse des Widerstandes

Iran und Israel. Die Achse des Widerstandes

Militaernews

Guten Abend an alle lesefreudigen MN-Follower. Mit einer längeren Artikelserie möchte ich mich mit der "Achse des Widerstandes" und seine Rolle im Kampf gegen Israel beschäftigen. Zunächst folgt eine kürzere Einführung in die Begrifflichkeit und zur Geschichte der bilateralen Beziehungen. Quellen sind angegeben. Die volle List findet ihr hier: https://telegra.ph/Quellen-06-10


Terminologie - "Hybrid Wars" und "Stellvertreter"

Ein präzises Verständnis der verwendeten Begrifflichkeiten ist entscheidend, um die Komplexität des Themas vollständig erfassen zu können. In diesem Abschnitt werden daher zentrale Termini definiert und kontextualisiert, um eine solide Basis für die anschließende Analyse zu schaffen. Da im Folgenden im Zusammenhang mit der „Achse des Widerstandes“ verschiedene Gefahren für den Staat Israel dargestellt werden, sollten nun diese Begriffe im Grunde geklärt werden. Die selbsternannte „Achse des Widerstandes“ wird von Steinberg als „wichtiger Bestandteil der iranischen Militärstrategie (…) diese fußt größtenteils auf asymmetrischen Instrumenten“ (Steinberg2021: 7) kategorisiert. Diese präzise Definition trifft nicht nur den Kern des Sachverhalts, sondern wirft auch ein Licht auf einen weiteren bemerkenswerten Aspekt: die „asymmetrischen Instrumente“.


Asymmetrische Instrumente lassen sich in zwei Hauptkategorien unterteilen: Zum einen gebe es die „Stellvertreterkriege“ (Proxy Wars), zum anderen die „hybride Kriegsführung“ (Hybrid Warfare).  Letzteres ist noch immer Gegenstand der Forschung. Gewisse Merkmale können dennoch herausgearbeitet werden. Hybride Bedrohungen würden Gebrauch vom Cyberspace, einschließlich sozialer Netzwerke, grenzüberschreitender Kriminalitätsnetzwerke und fortschrittlicher Technologien wie unbemannten Luftfahrzeugen (UAVs), sowie konventioneller Waffen machen (vgl. Keshavarz2023: 23). Hybride Kriegsführung sei eine neuere moderne Art des Krieges, auch als „vierte Generation“ genannt. Sie bedient sich an „mittleren“ „capabilities“ und liegen zwischen den Möglichkeiten eines regionalen Hegemonen und der einer reiner Guerrilla Organisation (vgl. ebd.:23)

Der Neorealismus übt somit auch Einfluss auf unterschiedliche Definitionen von Krieg aus, indem der Begriff der „capabilities“ durchgängig verwendet wird. Der bereits erwähnte „offensive Realismus“ lässt sich weiterführen, indem man betrachtet, wie eine regionale Macht wie der Iran durch den Einsatz hybrider Kriegsführung bestrebt sein könnte, seinen Einflussbereich zu erweitern. Im traditionellen Verständnis erfolgt dies durch offene Angriffskriege. Allerdings ermöglicht der Einsatz von Stellvertretern, dass hybride Bedrohungen genutzt werden können, ohne dass der offensive Staat selbst direkt handeln muss. In diesem Zusammenhang wird von Stellvertreterkriegen oder auch „Proxy Wars“ gesprochen. Stellvertreterkriege sind Konflikte, in denen ein externer staatlicher Unterstützer mindestens einer lokalen Kriegspartei Unterstützung zukommen lässt, die für die Führung einer bewaffneten Auseinandersetzung nützlich sein können. Dazu zählen finanzielle Mittel, Waffen, Ausrüstung, Beratung, Ausbildung, Geheimdienstinformationen und/oder Truppen. Ziel sei es, strategische Ziele zu erreichen. Für einen potenziellen Intervenienten stelle die Unterstützung lokaler bewaffneter Akteure eine deutlich abgegrenzte Option dar, verglichen mit anderen Interventionswerkzeugen wie direkten militärischen Operationen oder wirtschaftlichen Sanktionen (vgl.  Watts u.a.2022:3).

Die Vorteile dieser Art von Kriegsführung liegen dabei auf der Hand, einerseits seien die kosten oftmals niedriger als bei einer direkten Intervention, eigenes Personal wird geschont, nur Material aus eigenen Beständen wird eingesetzt. Des Weiteren bestehe eine gewisse Unsichtbarkeit vor der breiten Öffentlichkeit, die eigenen Aktivitäten können vertuscht werden, was Schutz vor internationalen Sanktionen, sowie heimischer Unruhen bietet (vgl. ebd.:4f.). Geopolitische Akteure, wie beispielsweise der Iran, können solche Konzepte nutzen und kombinieren, um sich gegen festgelegte Gegner wie Israel oder die Vereinigten Staaten zu positionieren. Wie genau dies geschieht und welche Stellvertreter relevant sind, wird im Anschluss dargestellt.

Geschichte - Wie entstand die Islamische Republik Iran?

Die Entstehung der Islamischen Republik Iran markiert einen Wendepunkt in der Geschichte des Nahen Ostens und stellt ein Schlüsselelement im Verständnis der regionalen Dynamiken und der Außenpolitik Irans dar. Gesellschaft, Kultur und Außenpolitik waren grundlegenden Veränderungen ausgesetzt. Um die Ambitionen des Irans im 21. Jahrhundert zu verstehen, ist eine Auseinandersetzung mit der jüngeren Geschichte unerlässlich. Die Islamische Republik Iran entstand 1979 als Ergebnis der iranischen Revolution.

Diese Revolution führte zum Sturz des Schahs Mohammad Reza Pahlavi und zur Einrichtung einer islamischen Republik unter der Führung von Ayatollah Khomeini. Die Revolution war geprägt von massiven Protesten und politischer Mobilisierung, die durch Unzufriedenheit mit der autoritären Herrschaft des Schahs, sozioökonomische Ungleichheiten, politische Unterdrückung und eine Sehnsucht nach größerer sozialer Gerechtigkeit angetrieben wurden (vgl. Ghods1989: 217-220). Eine Monarchie wich einer theokratischen Autokratie. Um einen derart grundlegenden Wandel zu ermöglichen, musste die neue politische Elite der Ayatollahs spezifische Narrative etablieren. Der bereits definierte offensive Realismus lässt sich auch anhand der Ideologie der islamischen Republik zeigen.

 Der Begriff „Revolutionsexport“ enthält die Kernaussage bereits im Namen. Das Prinzip des "Exports der Revolution" war innerhalb der politischen Elite des Landes von einem umfassenden und parteiübergreifenden Konsens getragen. Dieser Konsens fuße auf dem gemeinsamen Glauben, dass es die verfassungsmäßige Pflicht der Islamischen Republik Iran sei, zur Befreiung aller Muslime und Unterdrückten weltweit beizutragen, indem die Revolution, die sich als islamisch versteht, global verbreitet wird (vgl. Borszik2020: 39). Der Export richte sich demnach an die direkten Nachbarstaaten des Irans, eine aggressive Außenpolitik wurde zur Staatsdoktrin. Schon früh machte der Oberste Führer Chomeini sein Ziel des „Revolutionsexports“ aus: „Wir verteidigen die schutzlosen Völker Libanons und Palästinas gegen Israel. Israel, diese Quelle der Intrige, ist immer eine Basis Amerikas gewesen“ (vgl. ebd.:41). Diese nicht-muslimische „Feinde“ sind passend als Feindbild.

Um dieses Feindbild aufrecht zu erhalten versuchte Chomeini sich an einer „islamischen Einheit“. Dies diene als Vorleistung des Revolutionsexports. Hierbei sollten auch sunnitische Muslime angesprochen werden. So wird auch ein „Weltjerusalemtag“ jährlich zelebriert, dieser gedenkt den sogenannten gemeinsamen Kampf aller Muslime gegen den jüdischen Staat (vgl. ebd.: 64f.). Demnach bemühte sich der Iran schon früh um eine Vormachtstellung im Nahen Osten. Die Strategie der Annäherung an sunnitische Muslime bedarf einer kritischen Betrachtung. Es würde scheinen, dass diese nicht primär aus einem religiösen Solidaritätsgefühl heraus initiiert wurde, sondern vielmehr in der Hoffnung, durch die Unterstützung einiger Sunniten, die eigens definierten Gegner wie die USA und Israel schwächen zu können. Dass diese Rechnung wohl definitiv aufging, zeigt sich anhand der aktuellen Situation in Israel sowie Palästina. Israel gilt als Feind für die islamische Republik, doch dies war nicht immer der Fall. Wie sich die ambivalenten bilateralen Beziehungen zwischen dem jüdischen Staat und dem Iran, vor und nach der der Revolution entwickelt haben wird nun im Folgenden dargestellt

Iran und Israel - Bilaterale Beziehungen

Die Beziehungen zwischen Iran und seinen geopolitischen Gegnern, insbesondere den USA und Israel, sind maßgeblich durch die historische Zäsur der Islamischen Revolution von 1979 geprägt. Diese Revolution führte zur Absetzung des Schahs und zur Etablierung der Islamischen Republik unter der Führung der religiösen Elite. Dieses Ereignis markierte nicht nur einen tiefgreifenden Wandel innerhalb Irans, sondern auch einen entscheidenden Wendepunkt in seinen internationalen Beziehungen. Vor der Revolution waren die Beziehungen zwischen Iran und den westlichen Staaten, insbesondere Israel durch eine enge Partnerschaft und strategische Allianzen gekennzeichnet. Konkret pflegten die Staaten von 1948 bis 1979 eine meist verdeckte, aber strategisch bedeutsame Zusammenarbeit, die auf gemeinsamen geopolitischen Interessen basiere. Israels „Peripheriedoktrin“ zielte darauf ab, durch Allianzen mit nicht-arabischen Akteuren wie dem Iran, die arabische Ablehnung zu umgehen. Für den Iran waren die Beziehungen zu Israel von Vorteil, um seinen Ölexport auszubauen und seine Position gegenüber gemeinsamen Bedrohungen, wie dem Panarabismus und sowjetischem Einfluss, zu stärken. Diese Kooperation umfasste den Energiebereich, bei der Israel und Iran die Eilat-Ashkelon-Pipeline entwickelten und politische Unterstützung, etwa durch die Förderung der jüdischen Emigration über iranisches Gebiet oder militärische Hilfe für die Kurden im Irak, was beiderseitig strategische Ziele unterstützte .(vgl. Furlan2022: 171) Die Beziehungen basierten demnach nicht auf altruistischen Motiven, sondern auf einer gegenseitigen Nutzenerwartung, bei der beide Seiten einen Vorteil für sich selbst antizipierten. Dies zeigt sich am Beispiel des iranischen Öl-Exports nach Israel.

Premierminister Mosaddeq


Nach der Verstaatlichung der iranischen Ölindustrie durch Premierminister Mosaddeq erlebte der Produktionsausstoß einen signifikanten Anstieg. Im Gegensatz dazu bezog Israel seinen Ölbedarf hauptsächlich aus Nordamerika und der Sowjetunion. Mitte des Jahres 1952 erginge eine Kontaktaufnahme iranischer Geschäftsleute an den israelischen Geheimdienst Mossad mit dem Angebot Öl zu einem vergünstigten Tarif zu importieren. Dieses Angebot traf für Israel in einer kritischen Zeit ein, bedenke man, dass das Land den höchsten Pro-Kopf-Verbrauch an Öl aufwies und zudem die Qualität der sowjetischen Ölimporte für industrielle Verarbeitungsprozesse als unzureichend galt. Ab 1955 war der Iran der größte Öllieferant Israels .(vgl. Shaoulian-Sopher2017: 144f.)

„[A] new era in Israeli-Iranian relations characterised by virulent hostility to the Jewish State and open calls for its destruction that have persisted to this very day“ (Furlan2022: 171): so beschreibt Furlan die Zäsur durch die islamische Revolution Khomeinis, ein Einschnitt, welcher die sicherheitspolitischen Implikationen für Israel grundlegend ändere. Nichtsdestotrotz gab es auch nach der Revolution eine pragmatische Zusammenarbeit zwischen den beiden Staaten. In der Zeit, als die Invasion des Iran durch Saddam Hussein im September 1980 die Existenz des islamistischen Regimes zu bedrohen und den Irak zur dominierenden Macht in der Region aufsteigen zu lassen schien, erwies sich Israel wohl bereit, Teheran verdeckte militärische Unterstützung zu gewähren. Dies erfolgte mit der Vermittlung der Vereinigten Staaten. Jenes fand seinen Ausdruck in der sogenannten "Iran-Contra-Affäre", in der US-amerikanische Raketen über Israel an den Iran geliefert wurden. Die Gegenleistung bestand aus finanziellen Mitteln, die zur Bewaffnung der Contra-Rebellen in Nicaragua dienten, welche gegen die sozialistische Regierung kämpften (vgl. ebd.: 172).

Während des Kalten Krieges, in einer bipolaren Weltordnung, verfügten sowohl die USA als auch Israel über eindeutig definierte Feindbilder. Für die Vereinigten Staaten manifestierte sich dies in der Form des internationalen Sozialismus, während für Israel die arabischen Staaten als Hauptgegner galten. Da zögerte man wohl auch nicht das islamistische Regime zu unterstützen, ganz im Sinne von „der Feind meines Feindes ist mein Freund“ – Denkens. Doch im Zuge der Multipolarisierung der Geopolitik, sowie des arabisch-israelischen Annäherungsprozesses änderte sich dies drastisch.

Eben nach dem Ende des achtjährigen Krieges mit dem Irak profitierte das islamistische Regime in Teheran von zwei wesentlichen Ereignissen. Einerseits dem Zusammenbruch der Sowjetunion und andererseits dem Sturz Saddam Husseins im Jahr 2003. Diese Ereignisse ebneten den Weg für Irans Streben nach regionaler Vorherrschaft, einschließlich der Unterstützung von Terrororganisationen und der Aufnahme seines Atomprogramms. Die Entschlossenheit Teherans, Atomwaffen zu entwickeln, wurde besonders nach dem Krieg mit dem Irak verstärkt, was in Israel als existenzielle Bedrohung wahrgenommen wird (vgl. ebd.: 173f.). Mit beiden letzten genannten Punkten wird sich im Folgenden beschäftigt.

Um die Spannung aufrecht zu erhalten beginnen wir richtig erst in den nächsten Tagen





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