Genug von ihr es zu lassen

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Gillian fuhr ruckartig aus dem Schlaf hoch. Einen Moment lang konnte sie sich nicht entsinnen, wo sie war, bis ihr Körper sie daran erinnerte – er schmerzte an Stellen, die ihr bis gestern völlig unbekannt gewesen waren.
    Einem bretonischen Ritter, der darauf hoffte, ihrem Bruder Thaxted zu entreißen.
    Einem Bastard, den sein König ihr als Gemahl aufgezwungen hatte.
    Einem Mann, der eine solche Leidenschaft in ihr entfacht hatte, dass er sie damit beinahe um den Verstand gebracht hätte.
    Beinahe. Sie dachte über das nach, was zwischen ihnen geschehen war, seit sie sich gestern zu ihm gelegt hatte. Nicht im Traum wären ihr so viele verschiedene Wege eingefallen, jemandem Wonnen zu bereiten oder selbst Lust zu erfahren. Das erste Mal war er fast bedächtig vorgegangen, nicht so jedoch bei den nachfolgenden Malen. Einmal hatte er sie gar von hinten genommen, dabei ihre Brüste liebkost und jenen besonderen Punkt zwischen ihren Schenkeln gerieben, während er sich wieder und wieder in sie versenkt hatte.
    Und dann das letzte Mal. Gillian schloss die Augen und ließ wieder aufleben, wie kraftvoll, wie drängend, wie tief er in sie eingedrungen war. Hatte sie zum Ende hin gar die Besinnung verloren? Anschließend waren sie beide eingeschlafen, völlig erschöpft von ihrem Liebesspiel und dem vorangegangenen Tag.
    Sie vernahm die Laute des erwachenden Lagers. Die Männer rüsteten sich für den Kampf. Gillian drehte sich auf die Seite, um Brice anzuschauen. Wie würde er ihr nach den Vertraulichkeiten der vergangenen Nacht begegnen, wie würde er sie ansprechen oder ansehen? Doch der Platz neben ihr auf dem Lager war leer.
    Gillian wickelte sich die Decken um den Oberkörper, setzte sich auf und sah sich im Zelt um. Ihre Kleider lagen quer über dem Fußende des Lagers. Was Brice getragen hatte, war fort. Sie lauschte kurz und streifte sich Hemd und das lange Obergewand über, ehe irgendwer eintreten und sie hüllenlos vorfinden konnte. In wenigen Augenblicken waren auch Tuch und Umhang angelegt, und Gillian hob die Zeltklappe.
    Das Lager war so gut wie verlassen.
    Hatte sie den Kampf um Thaxted etwa verschlafen? Aber das war unmöglich! Brice musste sie in seinem Zelt sicher gewähnt haben und daher gegangen sein, ohne sie zu wecken. Aber den Lärm eines Gefechts konnte man doch wohl kaum überhören? Brice erwartete, dass sie sich heute an Vater Henrys Seite hielt. Daher begab sie sich auf die Suche nach dem Priester und schlängelte sich durch das Dorf aus Zelten. Gestern hatte sie erfahren, dass sich seine Unterkunft am östlichen Ende des Platzes befand, und nachdem sie sich bei einigen Bediensteten und Frauen nach dem genauen Weg erkundigt hatte, machte sie sich sogleich auf den Weg.
    Kein Schlachtenlärm, sondern tödliche Stille umgab sie. Sie schirmte die Augen gegen die Sonne ab, ließ den Blick in Richtung Thaxted Hall schweifen und erblickte Reihe um Reihe Bewaffnete. Die Feste war umzingelt. Unwillkürlich wandte Gillian sich in Richtung der Burg und lief darauf zu, bis sie von dem Priester aufgehalten wurde, nach dem sie gesucht hatte.
    „Lady Gillian, kommt.“ Er fasste sie am Arm und zog sie zurück. „Hier ist es nicht sicher für Euch.“
    „Hat es schon begonnen, Vater?“, wollte sie wissen, nicht bereit, sich im hinteren Bereich des Lagers zu verstecken, wenn so viele, die sie kannte, an der Front dieser Schlacht standen.
    „Nein, Mylady“, erwiderte er und schüttelte den Kopf. „Euer Bruder und Lord Brice reden noch.“
    „Über mich? Über meine Ländereien?“
    Noch ehe er etwas entgegnete, wurde sie sich ihres Irrtums bewusst – die Ländereien gehörten ihr nicht länger, und auch all ihre Rechte hatte sie verwirkt. Beides hatte sie an den Mann abgegeben, den sie geheiratet hatte. Die Normannen dachten anders über Position und Recht der Frau als die Engländer, Waliser oder Schotten. Sie wichen in ihren Ansichten selbst von denen der Nordmänner ab, die vor nicht allzu langer Zeit noch einen Teil Englands beherrscht hatten. Nach Vorstellung der Normannen gehörte alles dem Gemahl.
    Da es den normannischen Absichten in diesem Fall entgegenkam, würden sie das Testament ihres Vaters anerkennen und Thaxted ihr zugestehen – nur um Gewalten und Befugnisse umgehend ihrem Gemahl zu übertragen.
    „Sie sprechen über Frieden und wollen in dieser Auseinandersetzung zu einer gütlichen Einigung gelangen, anstatt sie mit Opfern auf beiden Seiten zu lösen, Mylady.“ Vater Henry musste langjährige Erfahrung mit Friedensverhandlungen zwischen Kontrahenten haben. Das schloss sie sowohl aus seinem ruhigen Ton als auch aus der Wahl seiner Worte.
    „Und habe ich etwa kein Mitspracherecht bei dieser Unterredung?“, fragte sie erzürnt.
    Gott allein mochte wissen, welche Lügen Oremund ihrem Gemahl auftischte. Schlimmer noch, er würde Anschuldigungen gegen sie und ihre Mutter erheben. Ihr Bruder würde alles sagen oder tun, um endgültig die Macht über Thaxted zu erlangen – wie er ebenso alles tun würde, um herauszufinden, wo ihr Vater sein Vermögen verborgen hatte. Wenngleich er dessen Existenz kaum ihrem bretonischem Gemahl auf die Nase binden würde.
    „Ganz recht, Madame, das habt Ihr nicht“, rief Letzterer urplötzlich hinter ihr. Gillian fuhr herum und sah sich Brice und zweien seiner Befehlshaber gegenüber.
    Dies war nicht länger der Mann, der ihr mit tiefer Stimme Zärtlichkeiten zugeraunt hatte, während er ihre intimsten Stellen liebkoste. Dies war nicht der Mann, der sie mit Leib und Seele zu Wonnen geführt hatte, die sie sich niemals hätte träumen lassen. Dies war nicht länger nur ein Mann, dies war … ein Krieger des Königs.
    Gillian hatte ihn schon zuvor in Brünne und Helm gesehen, das Schwert an der Seite. Sie hatte erlebt, wie er auf der Straße seine Mannen befehligt hatte, während sie sich im Gebüsch versteckt hielt. Als er nun auf sie zuschritt, zuckte sie zusammen und war versucht, näher an den Priester zu rücken. Als könne ein einfacher Mann Gottes ihn daran hindern zu tun, was immer er zu tun beliebte!
    „Euer Bruder wünscht Euch zu sprechen. Er möchte sich vergewissern, dass Ihr wohlauf und in Sicherheit seid. Er hat tagelang nach Euch gesucht und dankt dem Allmächtigen dafür, dass Euch bei Eurem närrischen Unterfangen kein Haar gekrümmt wurde.“ Er sprach ruhig, stieß die Worte jedoch zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Sie sah, dass seine Kiefermuskeln deutlich hervortraten. Seine Augen verdunkelten sich zusehends, und sein Blick schien sie zu durchbohren.
    Die beiden Männer neben ihm rührten sich nicht und blieben stumm. Gillian war überzeugt, dass die Kerle sie gleich packen und zu ihrem Bruder schleifen würden. Mit einem Mal begann ihre Zuversicht zu bröckeln, und sie zögerte, ihm die wahren Absichten ihres Bruders zu offenbaren. Ihr schoss durch den Kopf, was sie gerade über die Normannen gedacht hatte. Wer wusste schon, ob Brice nicht ein falsches Spiel mit ihr trieb? Somit mochte Schweigen die beste Lösung sein.
    Wenngleich dies ihrem Wesen widersprach.
    „Und das glaubt Ihr ihm, Mylord?“ Sie verschränkte die Arme vor der Brust, obwohl sie wusste, dass sie ihn damit herausforderte. Aber er musste begreifen, dass ihr Bruder log. „Ihr stellt also sein Wort über das meine?“
    Brice betrachtete sie. Er sah Wut in ihren Augen aufflammen. Ihre ganze Haltung drückte Empörung aus, die zweifellos aufrichtig war. So stürmisch sie sich in der Nacht der gemeinsamen Lust hingegeben hatte, so leidenschaftlich würde sie ihm nun trotzen. Doch dies war ein entscheidender Moment, und daher konnte er ihr dies nicht durchgehen lassen.
    Er wusste, dass ihr Bruder ein berechnender Lügner war, der seine eigene Mutter an den Teufel verkauft hätte, um zu erreichen, was er wollte. Aber jedes Zeichen dafür, dass er sich von Gillian beeinflussen ließ, würde seine Position derzeit schwächen, das wusste Brice. Ein Mann, der sich der Frau fügte, mit der er gerade einmal einen Tag lang vermählt war, musste als Weichling gelten, und das konnte er sich nicht erlauben.
    „Schließlich ist er ein Mann, Madame“, erwiderte er. Damit beantwortete er ihre Frage zwar nicht, wies den darin mitschwingen
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