Gaza

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Doch der Widerstandsgeist der Bewohner von Gaza selbst richtete sich auch noch gegen die erzwungene Vormachtstellung des Christentums. Bischof Porphyrius konnte das Edikt Kaiser Theodosius’ von 395 n. Chr. zur Schließung der heidnischen Tempel in Gaza erst nach jahrelangen Auseinandersetzungen und schließlich unter dem Einsatz von Truppen durchsetzen. Sie zerstörten 402 n. Chr. den Marnas-Tempel und ließen ihn durch eine von Kaiserin Eudokia finanzierte, riesige Kathedrale ersetzen. Auf der Mosaikkarte von → Madaba (6. Jh.) und der entsprechenden Mosaikvignette der Stephanuskirche von Umm ar-Rasâs (718, Jordanien) ist sie vermutlich dargestellt.




Eine berühmte Rhetorenschule, der Äneas von Gaza (gest. 518), Prokopius von Gaza (gest. 528), Johannes von Gaza (gest. 550?) u.a. entsprangen, war neoplatonisch geprägt und konnte noch griechische Philosophie und Literatur vermitteln.



4.6. Arabische und osmanische Herrschaft




Nach einer kurzen Besatzung durch das sassanidische Persien 619-629 n. Chr., erreichten die arabischen Eroberer unter ‘Amr ibn al-‘As 634 Gaza. Auch sie stießen auf erbitterten Widerstand und konnten die Stadt erst drei Jahre später einnehmen. Der Islam fasste allmählich Fuß und begründete eigene Traditionen. So ist die nach der Großen Moschee, die die Eudokia-Kirche ersetzte, bedeutendste Moschee der heutigen Altstadt der Erinnerung an Haschim ibn Abd-Manāf gewidmet. Der Urgroßvater des Propheten Mohammed, nachdem die Familie und Dynastie der Haschemiten (Könige von Jordanien) benannt ist, soll 510 n. Chr. als Händler in Gaza gestorben sein. Auch von Mohammed selbst möchte die Tradition wissen, dass er noch vor seinem Prophetentum im Zuge des Karawanenhandels nach Gaza gelangt sei. Berühmt wurde der 767 in Gaza geborene Imam aš-Šāfiʿī (gest. 820 in Kairo), der zum Begründer einer der vier Rechtsschulen (Schafiiten) wurde. Nach den omaijadischen und abbasidischen Kalifaten in Damaskus und Bagdad kam Gaza im 9. Jh. unter die Herrschaft der Tuluniden und dann der Fatimiden von Ägypten. Das islamische Gaza exportierte weiterhin erstklassigen Wein, der in Europa als Messwein geschätzt wurde, und führte im 10. Jh. erstmals aus Indien Orangenbäume in Palästina ein. Christliche, jüdische und samaritanische Gemeinden bestanden, wie im übrigen Land, bis zu den Verheerungen der Kreuzfahrerzeit.






Die Kreuzfahrer errichteten in Gaza eine Templerfestung als Bollwerk gegen Ägypten. Dennoch gelang Saladin 1187 die Eroberung, Richard Löwenherz gewann sie 1191 nochmals für kurze Zeit zurück. Die Johannes-Baptist-Kirche, die die Kreuzfahrer anstelle der früheren Hauptmoschee erbaut hatten, wurde mit geringen baulichen Veränderungen wieder zur Großen Moschee umfunktioniert und besteht als solche bis heute (Zerstörungen und Wiederaufbau nach britischen Bombardements im Ersten Weltkrieg).




In den folgenden Jahrhunderten unter ajjubidischer und mamlukischer Herrschaft von Ägypten aus bedeutete der Mongolensturm 1260 eine Zäsur. Gaza war dabei kurzzeitig der westlichste Punkt des Mongolenreichs. Aus der Stadt wurde ein teilweise zerstörter, unbedeutender Ort, der Hafen wurde aufgegeben.




Eine Wende brachte die Eroberung von ganz Syrien und Ägypten durch den osmanischen Sultan Selim I. 1516. Im 17. Jahrhundert erlebte die Stadt eine Blütezeit und war de facto Hauptstadt Palästinas. Napoleon nahm die Stadt 1799 ein, die er als „Außenposten Afrikas und Tor zu Asien“ zugleich bezeichnete. Danach stand Gaza unter Muhammad Ali wieder unter ägyptischer Kontrolle und verfiel wieder zusehends in den letzten Jahrzehnten osmanischer Herrschaft.



Im Verlauf des Ersten Weltkriegs kam Gaza 1917 nach heftigem Bombardement unter britische Kontrolle. Die jüdische Gemeinde wurde 1929 im Zuge der landesweiten Unruhen im britischen Mandat Palästina auch aus Gaza vertrieben. Nach dem Palästinakrieg 1948 wurde der Gazastreifen ägyptisch besetzt. Die weiteren Eckpunkte sind: 1967 Sechstagekrieg und israelische Besatzung; 1987-1993 1. Intifada; 1994 Errichtung der Palästinensischen Autonomiebehörde mit dem Einzug Jasser Arafats (1929-2004) in Gaza; 2000-2005 2. Intifada; 2005 einseitige Räumung der israelischen Siedlungen; 2007 palästinensischer Bürgerkrieg, „Hamas“ übernimmt die Macht im Gazastreifen; die fortdauernde Blockade des Gazastreifens durch Israel und anhaltender Raketenbeschuss auf israelisches Gebiet führen 2008/9, 2012, 2014 und 2021 zu verheerenden Zerstörungen und katastrophalen Folgen für die Bevölkerung von Gaza.





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  • Simson bringt den Palast und Tempel von Gaza zum Einsturz („Simsons Tod“, Gustave Doré, undatiert). Wikipedia, Public Domain


  • Feldzug Sethos’ I. gegen Schasu-Beduinen vor Gaza; Außenrelief am Hypostyl des Amuntempels von Karnak. © Stefan J. Wimmer, 2018.


  • Schematische Darstellung Gazas („Kanaan-Stadt“) aus Abb. 3, oben links. © Stefan J. Wimmer, 2018


  • Skarabäus mit Darstellung eines Philisterfürsten vor dem widderköpfigen Amun, aus Tell el-Far’a (Süd). Aus: O. Keel et al. (Hgg.), Studien zu den Stempelsiegeln aus Palästina / Israel III, OBO 100, 1990, S. 14, Abb. 4.


  • Einnahme einer Stadt (vermutlich Gaza) durch Sargon II. und Gefangennahme ihres Fürsten (vermutlich Ḫânûnu); Relief in der assyrischen Palastanlage Chorsabad. Aus: M.P.E. Botta, Monument de Ninive, Paris 1849, T.II, Pl. 90


  • Einnahme einer Stadt (vermutlich Gaza) durch Sargon II. und Gefangennahme ihres Fürsten (vermutlich Ḫânûnu); Relief in der assyrischen Palastanlage Chorsabad (Detail). Aus: M.P.E. Botta, Monument de Ninive, Paris 1849, T.II, Pl. 100


  • Marmorstatue des Zeus-Marnas von Gaza; Archäologisches Museum Istanbul. Wikipedia, Public Domain


  • Münze Hadrians aus Gaza, mit Darstellung des Marnas-Tempels. Quelle: https://www.wildwinds.com/coins/greece/judaea/gaza/i.html (bearb. SJW)


  • König David spielt Psalmen; Bodenmosaik aus der Synagoge von Gaza, rekonstruierte Kopie. Wikipedia, Public Domain (Bearbeitung: SJW)


  • Relief mit Menora an einer Säule aus der Synagoge von Gaza, Große Moschee (zerstört). Aus: C. Clermont-Ganneau et al., Archaeological researches in Palestine during the years 1873-1874 (1896), S. 392 (Wikipedia, Public Domain)


  • Darstellung von Gaza mit Stadttor und Kathedrale; Bodenmosaik aus der Stephanuskirche von Umm ar-Rasas (Jordanien). © Stefan J. Wimmer


  • Große Moschee von Gaza. Wikipedia, Mohammed Alafrangi, 2007, Public Domain



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