Friedrich Merz: Vom «Hoffnungsträger» zum Kleingeist

Friedrich Merz: Vom «Hoffnungsträger» zum Kleingeist

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Wo Differenzierung angebracht wäre, schlägt Merz mit Rot-Grün auf J. D. Vance ein. Dabei spricht der US-Vizepräsident aus, was die Deutschen zur Meinungsfreiheit denken. Und eine Drohung des CDU-Chefs wirft die Frage auf, ob er den Wirtschaftsstandort endültig ruinieren will.

Das ging schnell. Kurz nach den gemeinsamen Abstimmungen zum verschärften Asylrecht mit AfD und FDP ist Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz wieder unter die rot-grüne Bettdecke gehuscht. Nichts macht das deutlicher als seine Reaktion auf die Rede des US-Vizepräsidenten J. D. Vance während der Münchner Sicherheitskonferenz.

„Es ist fast schon ein übergriffiger Umgang mit den Europäern, insbesondere mit uns Deutschen. Wir haben eine andere Meinung“, polterte er vor den Fernsehkameras. Das habe er Vance auch in einem persönlichen Gespräch deutlich zu verstehen gegeben. Damit äußerte er sich kaum anders, als es Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Grünen-Spitzenkandidat Robert Habeck getan hatten.

Dabei hätte er allen Grund gehabt, sich von den beiden inhaltlich klar abzusetzen und dem Vizepräsidenten den Rücken zu stärken. Die meisten Bürgerlichen teilen nämlich laut einer Erhebung die Kritik des Amerikaners. Wo blieb also eine differenzierte Antwort des CDU-Chefs? Wo waren seine Worte, daß sich Deutschlands Meinungskorridore tatsächlich verbreitern könnten? Denn Vance legte den Finger in eine klaffende Wunde, als er die auf dem Rückzug befindliche Meinungsfreiheit in Deutschland beklagte.

Mehrheit der Deutschen glaubt nicht mehr an Meinungsfreiheit

Schon im Oktober 2023 konstatierte das CDU-nahe Meinungsforschungsinstitut Allensbach, daß 44 Prozent der Deutschen der Überzeugung sind, ihre Meinung nicht mehr frei äußern zu dürfen. Nur 40 Prozent gaben an, in Deutschland noch ohne Angst frei zu reden. Es ist nicht einmal unwahrscheinlich, daß sich die Werte in diesen knapp anderthalb Jahren noch einmal verschlimmert haben.

Denn die Grenzen des Sagbaren werden jeden Tag enger gezogen. Für Spott und Kritik an Regierungspolitikern hagelt es seitdem Hausdurchsuchungen. Auch Merz selbst ist nicht zimperlich, veranlaßte mehrmals Durchsuchungsbefehle – unter anderem weil ihn jemand auf X „Suffkopf“ nannte. Das ist nicht weit weg von Habecks „Schwachkopf“-Affäre.

Vance spricht also der Mehrheit der Deutschen aus der Seele, wenn er diese Zustände mit überraschendem Detailwissen zu Einzelfällen kritisiert. Und das erst recht Unverständliche an Merz‘ Reaktion auf diese Zustandsbeschreibung ist: Nur die Anhänger der Grünen glauben mehrheitlich und mit 75 Prozent noch, in Deutschland herrsche Meinungsfreiheit ohne Risiko. Dies ist kein Wunder, denn es sind die Grünen mit ihren mit Steuergeld gepamperten NGOs und Vorfeldorganisationen wie Kirchen und Universitäten, die bestimmen, was gesagt werden darf und was nicht.

Meinungsfreiheit nur mit Konsequenzen?

Dies müßte einen Kandidaten, der als Kanzler angeblich einen „Politikwechsel“ herbeiführen möchte, bekümmern. Doch was macht Merz? Er diskreditiert in seiner Antwort auf Vance Andersdenkende mit typischem rot-grünen Vokabular: „Fake-News, Haßreden und Straftaten unterliegen weiterhin rechtlichen Beschränkungen und der Kontrolle durch unabhängige Gerichte.“

Der CDU-Chef begreift nicht, daß Politik in einer angeblich „liberalen Demokratie“ mehr bedeutet als Migration und Wirtschaft. Darüber steht die Freiheit, ohne Sorge dazu sagen zu können, was man denkt. Natürlich gebe es Meinungsfreiheit, beteuerte einst Merz‘ Vorgängerin Angela Merkel (CDU). Aber das bedeute nicht, daß man, wenn man sie nutze, dafür keine Konsequenzen zu tragen habe. Diese Drohung, ja fundamentale Absage an den Pluralismus, die einstigen westlichen Werte, scheint sich Friedrich Merz zu eigen gemacht zu haben.

Es ist ohnehin zweifelhaft, wie der CDU-Chef seinen Politikwechsel mit SPD und Grünen herbeiführen will. Die Frage aber, ob er sich für das Kernelement der Demokratie, unterschiedliche Auffassungen gelten zu lassen, einsetzen möchte, hat er mit seiner rüden Reaktion auf Vance beantwortet.

Merz kritisiert Trump, Vance, Milei

Alle, die in diesem Punkt Hoffnungen auf ihn gesetzt haben, hat Merz furchtbar enttäuscht. Und er zerschlägt internationales Porzellan. Schon seine Frontalangriffe auf US-Präsident Donald Trump und den argentinischen Amtskollegen Javier Milei zeugten nicht gerade von diplomatischem Geschick – zumal beide mit viel Energie ihre vom Abstieg bedrohten Staaten sehr erfolgreich umkrempeln. Sie könnten für Merz statt Feindbild durchaus ein Vorbild sein.

Doch im Stile eines Beton-Sozialisten bedroht Merz nun auch noch die einzige erfolgreiche ausländische Groß-Investition, die es in Deutschland seit Jahren gegeben hat. Wegen Elon Musks Unterstützung für die AfD stellte das amerikanische Wall Street Journal Merz eine interessante Frage. Ob die von ihm angedrohten Konsequenzen gegen den Milliardär im Falle seiner Kanzlerschaft auch die Tesla-Fabrik bei Berlin betreffen, wollte die Zeitung wissen. Der CDU-Chef: „Ich lasse die Konsequenzen bewußt vorerst offen.“

Daß hier nicht ein entschiedenes Nein kam, ist für einen angeblich wirtschaftsnahen Christdemokraten nicht nur erstaunlich, sondern erschütternd. Sowohl, was den Wirtschaftsstandort Deutschland als auch internationale Beziehungen angeht, entfaltet dieser Satz eine verheerende Wirkung. Wer soll hier noch investieren, wenn er mit Sanktionen aus politischen Gründen rechnen muß? Was bezweckt Merz? Will er sich nur bei SPD und Grünen für Koalitionsverhandlungen warmlaufen und sich bei den Journalisten lieb Kind machen? Oder ist das tatsächlich seine innere Haltung? Es spielt keine Rolle. Entscheidend ist, was er sagt.

Ist das tatsächlich Merz‘ Haltung?

In Grünheide, am südöstlichen Stadtrand der Hauptstadt, steht die einzige europäische Gigafactory des E-Auto-Bauers. Musk hat hier 12.000 Arbeitsplätze geschaffen – in einer Zeit, in der die deutsche Automobilbranche massiv Stellen abbaut und die Industrie in großer Zahl ins Ausland flüchtet.

Wie kleingeistig muß man sein, um globale Wirtschafts- mit provinzieller Parteipolitik zu verknüpfen? Und wie politisch dumm ist das, wenn man mit Wirtschaftskompetenz punkten möchte? Warum hat Merz nicht einfach gesagt, wir sind zwar politisch unterschiedlicher Meinung, schätzen aber Musks großes Engagement in Deutschland? Stattdessen bestätigt er Vance‘ Ausführungen von der eingeschränkten Meinungsfreiheit auf unbeabsichtigte, aber doch beeindruckende Weise. Fällt das, was der Tesla-Chef gesagt hat, für Merz unter „Fake-News, Haßreden und Straftaten“?

Hinzu kommt, daß es auch außenpolitisch alles andere als schlau ist, mit Elon Musk den wichtigsten Berater des US-Präsidenten und dessen Stellvertreter Vance so scharf anzugehen. Wäre er jünger, könnte man sagen: Merz muß noch eine Menge lernen. Aber der Mann wird im November 70 Jahre alt.

Quelle: https://jungefreiheit.de/debatte/kommentar/2025/friedrich-merz-vom-hoffnungstraeger-zum-kleingeist/?x

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