Erdöl staut sich in Häfen: Ist die Nachfrage nach dem russischen Rohstoff tatsächlich gesunken?

Erdöl staut sich in Häfen: Ist die Nachfrage nach dem russischen Rohstoff tatsächlich gesunken?


Reuters berichtet von einer Rekordzahl nicht entladener Tankschiffe mit russischem Erdöl. Wie die Nachrichtenagentur unter Hinweis auf Vortex-Analytiker berichtet, finden die Händler nur mit Mühe Abnehmer für die russische Marke Urals. Gegenwärtig sollen sich auf der See Schiffe befinden, die rund 62 Mio. Barrel Öl aus Russland an Bord haben. Dies ist dreimal so viel wie vor dem Spezialeinsatz in der Ukraine. Die Zahl der nicht entladenen Tankschiffe hat die Rekordrate von 15 Prozent aller russischen Tankschiffe erreicht. Sachkenner behaupten aber, ein Großteil des Erdöls würde aus den einen in die anderen Schiffe umgefüllt, um Sanktionen zu umgehen. Alexej Jekimowski, Chefredakteur des Mediaportals „Leasing-Föderation“, verweist auf das Einfahrverbot für russische Tankschiffe in viele Häfen:

„Sie dürfen auf Reede ankern, indem sie auf die Fortsetzung der Fahrt warten, aber erstens muss das Schiff, um die Strecke zurückzulegen, unterwegs zur Wartung, zum Nachtanken usw. irgendeinen Hafen anlaufen. Dazu kommen noch Schiffausrüstungsdienstleistungen und Proviantzustellung. Aber sie dürfen nicht einlaufen und zuweilen auch nicht weiterfahren. Zweitens gibt es so eine Sache wie den Güterumschlag auf Reede, wenn zwei Tankschiffe sich faktisch auf hoher See treffen und Erdöl, Erdölderivate und jede flüssige Fracht aus dem einen in das andere umfüllen. Auf See geschieht es ungehindert.“

Die EU debattiert immer noch über das sechste Sanktionspaket gegen Russland. Laut Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck können die EU-Mitgliedsstaaten schon in den nächsten Tagen das Embargo auf russisches Erdöl vereinbaren. Zugleich hat sich die Chefin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, im Interview für MSNBC gegen ein vollständiges und sofortiges Verbot geäußert. Ihr zufolge würde es die Wirkung verfehlen, mit der einige europäische Politiker rechnen. Dem pflichtet der führende Mitarbeiter der Stiftung für nationale Energiesicherheit, Igor Juschkow, bei. Nach seiner Meinung zeigt die Situation, dass in Europa keine Einmütigkeit hinsichtlich der neuen Sanktionen herrscht:

„Sie möchten ja nicht sich das Erdöl, sondern Russland die Finanzierung entziehen. Dies bedeutet aber, dass es seine Erzeugnisse nirgendwohin liefern und sie überhaupt nicht exportieren darf. Verhängt man, wie es in der ursprünglichen Fassung des sechsten Sanktionspakets vorgesehen war, das Verbot auf die Beförderung der russischen Rohstoffe, so schafft man dadurch wirklich Probleme, und Russland muss einen wesentlichen Teil seiner Exporte nach Europa und dementsprechend die Förderung einstellen. Die Folge wäre aber dann der weltweite Anstieg der Erdölpreise. So würden die Europäer darunter leiden, während Moskau trotzdem einen Teil des Rohstoffs an asiatische Märkte liefern und dort seine Einnahmen vergrößern würde.

Europa tut quasi so, als würde es neue Sanktionen beschließen, auf Russland Druck ausüben und immer weniger Rohstoffe kaufen. Dabei ist es daran interessiert, dass Russlands Suche nach neuen Absatzmärkten erfolgreich sein wird, dass es seine Lieferungen etwa nach Indien wesentlich vergrößert. An Russlands Stelle in Europa treten zum Teil Saudi-Arabien, die afrikanischen Hersteller, die aus den asiatischen Märkten ausgestiegen sind. Im Grunde genommen haben sie mit Russland die Absatzmärkte getauscht. Die Variante mit einem stufenweisen Embargo ist realistischer. Dabei ist allerdings das Hauptproblem, dass seit ein paar Jahren in neue Projekte nicht genug investiert worden ist. Und die Ausweitung der Förderung in anderen Ländern stockt vorläufig sehr stark wegen unzureichender Investitionen in den letzten Jahren.“



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