Energiekrise in Europa treibt Preise für LNG-Frachter in die Höhe

Energiekrise in Europa treibt Preise für LNG-Frachter in die Höhe

Karli Stemmler

Die europäische Energiekrise hat einen Bieterwettkampf um LNG-Tanker ausgelöst. Die Frachtschiffe, mit denen Flüssiggas um die Welt verschifft wird, sind rar und heiß begehrt. Es mangelt weltweit an Schiffen, um die gestiegene Nachfrage aus Europa und Asien zu decken. Der Anstieg der Frachtraten wiederum erhöht den Gaspreis in Europa weiter – und Entspannung auf dem Markt ist nicht in Sicht.

LNG-Tanker sind Spezialschiffe, mit denen verflüssigtes Gas (Liquified Natural Gas, LNG) um die Welt transportiert werden kann. Neben Deutschland bezieht auch eine Reihe asiatischer Staaten große Mengen Flüssiggas, um ihre Energiesicherheit zu gewährleisten. Zwischen Europa und Asien ist nun ein Bieterwettkampf ausgebrochen, der sich nicht nur auf die Flüssiggasvorräte, sondern zunehmend auch auf die LNG-Frachtschiffe ausweitet.

Bieterwettkampf zwischen Europa und Asien um LNG-Frachter

Das durch den Ukraine-Krieg angespannte Verhältnis zu Russland gefährdet aktuell die Energiesicherheit in Europa. Besonders Deutschland versucht nun den Wegfall des russischen Erdgases durch Flüssiggas aus den USA und Katar zu kompensieren. Das amerikanische Flüssiggas ist dabei bis zu sieben Mal teurer als russisches Erdgas. Ein Grund für den hohen Preisunterschied ist das energieintensive Verfahren, mit dem das durch Fracking gewonnene Erdgas zunächst auf minus 260 Grad Celsius abgekühlt und verflüssigt wird, um es anschließend per Schiff zu Terminals in Europa zu transportieren.

Europa hat seine Nachfrage nach LNG-Gas drastisch erhöht und konkurriert dabei mit vielen asiatischen Staaten wie Südkorea, Japan und Indien um ein begrenztes Gasangebot. Die Hitzewelle in Asien hat auch dort die Nachfrage nach Flüssiggas stark erhöht. Laut einem Bericht des Wall Street Journal hat der Bieterwettkampf zwischen Europa und Asien zu einem Anstieg der Aufträge für neue LNG-Tanker und auch zu einem sprunghaften Anstieg der Charterpreise für die Gastanker geführt.

Die Gaspreise in Europa stiegen am Montag vergangener Woche um weitere 15 Prozent, nachdem Russland bekannt gegeben hatte, dass es Ende des Monats eine wichtige Pipeline wegen unerwarteter Wartungsarbeiten vorübergehend schließen muss. Der Anstieg in Europa wiederum ließ auch den Erdgasmarkt in den USA um 3,7 Prozent auf den höchsten Stand seit 2008 steigen. Die Gaspreise und Tankerraten werden noch weiter steigen, wenn China vor Winterbeginn wieder auf dem Markt aktiv wird. Dort war die Nachfrage zuletzt als Folge der Lockdowns vorübergehend gesunken.

Charterpreise für LNG-Tanker haben sich in einem Jahr verdoppelt

Laut dem Branchenportal Spark Commodities sind die täglichen Charterraten für bestehende LNG-Tankschiffe, die Händler zwischen Mitte September und Mitte November für die Route von den USA nach Europa zahlen müssen, auf rund 105.000 US-Dollar pro Tag gestiegen. Für die Zeit zwischen Juni bis August lagen sie noch bei etwa 64.000 US-Dollar und etwa vor einem Jahr bei rund 47.000 US-Dollar pro Tag.

Händler gehen davon aus, dass die Charterpreise noch weiter steigen werden, sobald die Anlage in „Freeport“ wieder ans Netz geht – was voraussichtlich im Oktober geschehen soll. Die USA werden ihre LNG-Exporte wieder erhöhen, was zu einer weiteren Verknappung der verfügbaren Tanker führen wird. Zudem sind Gasexporteure angesichts der anhaltenden Energiekrise in Europa darum bemüht, langfristige Verträge für die Tanker abzuschließen, was den verfügbaren Pool an Schiffen weiter senkt.

Laut dem Schiffsmakler Poten & Partners sind die verfügbaren Frachtschiffe zum Gastransport bereits knapp. Demnach steht für eine Fahrt nach Asien in den nächsten zwei Monaten nur ein einziger LNG-Tanker zur Verfügung und im Atlantischen Ozean sei in der nächsten Zeit gar kein Schiff mehr zu bekommen. „Alles, was es da draußen gibt, wird weggeschnappt“, sagte Toby Copson, Leiter der Handels- und Beratungsabteilung bei Trident LNG in Shanghai, gegenüber dem Wall Street Journal. „Im Endeffekt bieten Europa und Asien gegeneinander und befeuern den Markt.“

Nicht genügend LNG-Tanker verfügbar, um russisches Erdgas zu ersetzen

Europa steht vor einem weiteren Problem, denn weltweit gibt es nicht genügend LNG-Tanker, um russisches Erdgas komplett durch Flüssiggas zu ersetzen. 2020 importierte Europa laut dem BP Statistical Review of World Energy rund 168 Milliarden Kubikmeter Erdgas über Pipelines aus Russland. Um die gleiche Menge per Schiff aus anderen Märkten wie den USA oder Katar zu importieren, wären laut dem Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik (ISL) zusätzliche Transportkapazitäten für circa 280 Millionen Kubikmeter Flüssiggas erforderlich. Bei einer Standardgröße der LNG-Tanker von 174.000 Kubikmetern und durchschnittlichen zehn Fahrten pro Jahr, müssten allein für den europäischen Bedarf 160 neue Schiffe bereitstehen. Das ist bäußerst optimistisch gerechnet. Real sind 5 Fahrten pro Schiff, somit besteht ein Fehlbedarf von 320 Schiffen.

Der Baupreis für einen LNG-Tanker lag im April laut ISE noch bei etwa 220 Millionen US-Dollar. Inzwischen sind auch diese Preise deutlich gestiegen. Durch steigende Stahlpreise und begrenzte Werftkapazitäten liegen die Neubaupreise nun bei 240 Millionen US-Dollar pro Schiff. Europa müsste also zwischen 38 - 79 Milliarden US-Dollar in den Aufbau einer LNG-Flotte stecken, um russische Pipeline-Importe komplett ersetzen zu können. Derzeit besteht die weltweite Flotte an LNG-Tankern aus 680 Schiffen. Zudem sind 257 neue Schiffe bestellt und sollen die Flotte bis 2027 ergänzen.
Vergessen wird immer wieder, daß die Tanks für das LNG aus hochveredeltem Nickel - Stahl bestehen. Der zweitgrößte Nickelproduzent der Welt ist Norilsk Nickel aus Russland. Der größte ist Yale aus Brasilien und das ist über das BRICS - Abkommen mit Russland verbunden.

Trotz der gestiegenen Herstellungskosten verzeichnete der Markt für LNG-Tanker in diesem Jahr Rekordgewinne. Laut dem Londoner Schifffahrtsunternehmens Clarkson haben die Kunden im Jahr 2022 bisher 24,1 Milliarden Dollar für neue LNG-Tanker ausgegeben. Damit haben sie bereits den Jahresrekord von 15,6 Milliarden Dollar aus dem Jahr 2021 übertroffen. Die meisten LNG-Schiffe werden in Spezialwerften in Südkorea hergestellt. Die südkoreanischen Reedereien sind bis Ende 2027 ausgebucht. Weitere Werften für die Herstellung befinden sich in Russland und China. Wen werden beide wohl mit Tankern beliefern. Größter Auftraggeber für neue LNG-Schiffe ist derzeit Katar, das selbst auf großen Mengen Gas sitzt, die es auf die Weltmärkte bringen will.


unter Verwendung von Material aus DWN



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