ERSCHÜTTERND: JOACHIM GAUCK – EX-BUNDESPRÄSIDENT VERBREITET IN NEUEM BUCH RECHTSEXTREME PROPAGANDA (Teil 2)
Das Siebte FlugblattTEIL 2: THE SOUND OF SUPREMACY
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„Die Rechte benutzt die Critical Race Theory (CRT) als ihre neueste rassistische Hundepfeife. Die Angriffe haben schwerwiegende Folgen - 26 Staaten haben entweder Gesetze verabschiedet oder sind im Begriff, Gesetze zu erlassen, die das Reden über systemischen Rassismus im Klassenzimmer verbieten.
Pädagogen, insbesondere schwarze Pädagogen, werden bedroht oder entlassen, wenn sie über die rassistische Geschichte unseres Landes unterrichten. Die Rechte wird CRT nutzen, um ihre Basis bei den Zwischenwahlen 2022 zu aktivieren und eine Führung aufzubauen, die rassistische, gegen die öffentliche Schule gerichtete Beamte in die lokalen Schulbehörden wählt.“
SHOWING UP FOR RACIAL JUSTICE, WEBINAR
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Gauck beißt sich im Folgenden noch weiter am führenden Antirassismusforscher Dr. Kendi fest:
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„Doch die Rigidität, mit der die zentrale Rolle der Menschenrechte für eine emanzipatorische Politik negiert wird, weist durchaus Ähnlichkeiten mit der traditionellen kommunistischen Klassenkampfrhetorik auf. Nur dass sich der Kampf jetzt nicht generell gegen Ausbeuter und ungerechte Gesellschaften richtet, sondern einseitig und undifferenziert gegen die Weißen. So schreibt Kendi: »Das einzige Heilmittel gegen rassistische Diskriminierung ist antirassistische Diskriminierung. Das einzige Heilmittel gegen vergangene Diskriminierung ist Diskriminierung in der Gegenwart. Das einzige Heilmittel gegen Diskriminierung in der Gegenwart ist Diskriminierung in der Zukunft.«
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Zwar handelt es sich hier um einen der wenigen Fälle, in denen Gauck einen Vertreter der Critical Race Theory wenigstens nominell korrekt zitiert – und es sich dabei auch tatsächlich um einen Vertreter, d.h. in einen Wissenschaftler der in diesem Fachgebiet forscht, publiziert und lehrt, handelt. Nur – auch hier kopiert er, eins zu eins, amerikanische Vorbilder der extremen Rechten, die dasselbe Zitat auf dieselbe Weise missbrauchen – lässt er den kompletten Kontext weg, in dem es steht, so dass der geneigte Leser nicht mehr verstehen kann was Prof. Kendi hier eigentlich sagt.
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Wir liefern an dieser Stelle einfach mal den vollständigen Passus nach:
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„Die entscheidende Frage ist, ob die Diskriminierung Gerechtigkeit oder Ungerechtigkeit schafft. Wenn die Diskriminierung Gleichheit schafft, dann ist sie antirassistisch. Wenn die Diskriminierung zu Ungleichheit führt, ist sie rassistisch. Jemand, der Ungleichheit reproduziert, indem er einer überrepräsentierten rassischen Gruppe dauerhaft zu Reichtum und Macht verhilft, ist etwas völlig anderes als jemand, der diese Ungleichheit bekämpft, indem er einer unterrepräsentierten rassischen Gruppe vorübergehend zu relativem Reichtum und Macht verhilft, bis Gleichheit erreicht ist.
Das einzige Mittel gegen rassistische Diskriminierung ist antirassistische Diskriminierung. Das einzige Mittel gegen vergangene Diskriminierung ist die gegenwärtige Diskriminierung. Das einzige Mittel gegen die gegenwärtige Diskriminierung ist die zukünftige Diskriminierung. Wie Präsident Lyndon B. Johnson 1965 sagte: "Man kann nicht einen Menschen, der jahrelang in Ketten lag, befreien, ihn an die Startlinie eines Rennens bringen und dann sagen: 'Du bist frei, mit allen anderen zu konkurrieren' und immer noch mit Recht glauben, dass man völlig fair war."
Harry Blackmun, Richter am Obersten Gerichtshof der USA, schrieb 1978: "Um den Rassismus zu überwinden, müssen wir zuerst die Ethnie berücksichtigen. Es gibt keinen anderen Weg. Und um einige Personen gleich zu behandeln, müssen wir sie unterschiedlich behandeln."
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Der Ausschnitt sollte reichen um zu erkennen, dass Prof. Kendi hier, in einem sehr differenzierten Argument, explizit von sogenannter POSITIVER Diskriminierung, mithin von „affirmative action“ spricht, also nicht von der Benachteiligung von Menschen, sondern der Bevorzugung durch Ausgleichen struktureller Benachteiligung – was ein völlig anderer Inhalt ist, als der Bundespräsident a.d. in rechten Diensten uns hier gerne glauben machen würde.
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Und natürlich kann der ehemalige Pastor nicht widerstehen sich auch noch in die – rechtsextremen – Reihen der einzureihen, die aus einer streng wissenschaftlichen Disziplin der Rassismusforschung und somit der Sozialwissenschaft, eine vernunftfreie „Religion“ zimmern wollen. Ein Vorwurf, der, aus dem Munde eines ehemaligen Pastors nachgerade ganz besonders kurios anmuten muss:
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„Verbirgt sich dahinter letztlich doch die Rechtfertigung von Rache (Wie du mir, so ich dir), von Kollektivschuld (Noch die Söhne und Töchter sollen es büßen) und von einer Ursünde, die niemals aufgehoben werden kann (Der Weiße ist qua Geburt in ihr gefangen). Damit trägt der Antirassismus Züge einer rächenden Religion. Es wird ignoriert, dass die Entwicklung des Rechts das menschliche Bedürfnis nach Rache zivilisatorisch zähmte. Stattdessen gerät »der Weiße« in die Rolle eines Sünders, der ununterbrochen angehalten ist, Buße zu tun, bei gleichzeitiger Ungewissheit, ob er je in der Lage sein wird, dieser Prädestination zum Bösen zu entkommen.“
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Das Echo der Heritage Foundation, des AEI, aber auch von rechtsextremistischen Aktivisten wie des Republikaners Christopher Rufo, seinerzeit Architekt des McCarthyismus 2.0. in den USA, oder des verschwörungsideologischen Antisemiten James Lindsay, ist hier überdeutlich hörbar. Wir zitieren zum Beleg aus der Studie THE POLITICAL IMPLICATIONS OF THE EVANGELICAL RIGHT’S ANTI-CRITICAL RACE THEORY RHETORIC von Elizabeth Howell-Egan (https://scholarship.claremont.edu/cgi/viewcontent.cgi?article=2860&context=scripps_theses):
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„Rufo geht sogar so weit zu sagen, dass Kendi ein "falscher Prophet" sei und dass seine "Religion des 'Antirassismus' nichts anderes sei als eine marketingfreundliche Rekapitulation der schädlichsten Ideen der akademischen Linken" (Rufo, 2021). Kendi und CRT als Religion zu bezeichnen, stützt sich auf Vorstellungen von Amerika als einer christlichen Nation, die angegriffen wird, ähnlich denen, die nach dem 11. September 2001 aufkeimten. Wie hier zu sehen ist, ist Rufo geschickt darin, starke kulturelle Themen aufzugreifen und Debatten erfolgreich zu gestalten.
(…)
Diese rhetorischen Angriffe auf CRT kommen zusammen, um ein Bild eines angegriffenen Amerikas zu zeichnen. Rufo beschreibt eine Welt, in der einige Gelehrte dem amerikanischen Volk eine bestimmte, radikale Art des Denkens aufzwingen, die die Grundprinzipien des Landes verändert. Diese gefährliche und aufrührerische Rhetorik hat Auswirkungen auf das reale Leben in Städten und Gemeinden in den USA, wie in Kapitel vier untersucht wird. Die Grundlage dieser Rhetorik ist der Kulturkampf, den die Konservativen seit den Obama-Jahren führen. In den Augen der Rechten widerspricht eine fortschrittliche antirassistische Ideologie den amerikanischen Werten, und die USA werden angegriffen. CRT ist ein neues Schlagwort, das die "politische Korrektheit" im Kampf gegen progressive Politik und soziale Reformen abgelöst hat“
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Klingt wie Gauck, oder?
Und der gute Mann ist immer noch nicht fertig mit Ibram X. Kendi:
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„Als beispielsweise Barack Obama im US-Wahlkampf 2008 beklagte, dass überdurchschnittlich viele schwarze Kinder bei alleinerziehenden Müttern aufwachsen müssten, erklärte Kendi, es gebe kein Problem mit schwarzen Vätern; wenn Obama etwas anderes behaupte, sei dies eine rassistische Idee. [8] Doch wenn Schwarze allein durch weiße Dominanz zu einem Leben am sozialen Rand verurteilt sind: Wie erklärt sich dann, dass auch Hunderttausende Schwarze aufgestiegen sind und sich in der Kultur, in Medien und Wissenschaft, in Unternehmen und Politik eingebracht haben, ja, dass ein Schwarzer sogar Präsident geworden ist?“
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Abgesehen davon, dass der Umstand dass einige Schwarze trotz des bestehenden Rassismus herausragende Karrieren schaffen, nicht beweist, dass sie, aber auch andere, keinen Diskriminierungen ausgesetzt waren und sind (Obama beispielsweise musste während seiner Kandidatur und auch danach noch, seine amerikanische Herkunft leugnen lassen, was kein Weißer US-Präsident jemals musste), verschweigt Gauck auch hier gezielt das Entscheidende.
Nämlich den GRUND weshalb Kendi das sagte – den finden wir nicht nur in seinem Buch, sondern auch in folgendem Interview-Ausschnitt (https://www.democracynow.org/2019/8/13/ibram_x_kendi_interview_racism_antiracism):
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„Und was die Frage angeht, ob Barack Obama ein Antirassist ist, so denke ich, dass er in gewisser Weise eine antirassistische Politik verfolgt und antirassistische Ideen geäußert hat. So hat das Affordable Care Act offensichtlich dazu geführt, dass die Versicherungstarife für Schwarze und Latinos um 11% gestiegen sind. Natürlich hat er über "Rassen"gleichheit gesprochen.
Aber manchmal hat er auch assimilatorische Ideen geäußert, insbesondere während seiner ersten Amtszeit. Und das war eine Amtszeit - und vor allem während seiner Kandidatur für das Präsidentenamt. Ich meine, die meisten Leute verweisen zum Beispiel auf seine Rede zum Vatertag, die er während seiner Präsidentschaftskandidatur im Jahr 2008 hielt, in der er schwarze Väter für das, was sie nicht taten, herausforderte. Und einen Tag später schrieb Michael Eric Dyson einen Artikel, in dem er die Daten, die Studien, hervorhob, die gezeigt haben, dass schwarze Väter außerhalb des Hauses eher eine Beziehung zu ihren Kindern haben als andere ethnische Gruppen von Vätern. Es gibt also nicht wirklich ein Problem mit schwarzen Vätern. Es gibt ein Problem mit Vätern, aber nicht unbedingt ein Problem mit schwarzen Vätern.
Und so hat er, wie ich glaube, viele Amerikaner, sowohl rassistische als auch antirassistische Ideen geäußert, hat politische Maßnahmen unterstützt, die sowohl der Ungleichheit als auch der Gerechtigkeit dienen.“
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Aber Gauck geht sogar noch ein gutes Stück weiter:
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„Wer sagt, Schwarze Menschen könnten nicht rassistisch sein, weil Schwarze Menschen keine »institutionelle Macht« hätten, missachtet die Realität. Das Argument der Machtlosigkeit spricht Schwarzen Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträgern ihre gesamte Macht ab. Das Argument der Machtlosigkeit besagt, dass die über 154 Afroamerikanerinnen und Afroamerikaner, die von 1870 bis 2018 Mitglied des US-Kongresses waren, keine legislative Macht hatten?
Es besagt, dass Tausende Schwarze Politikerinnen und Politiker in den Bundesstaaten und Kommunen keinen Einfluss auf die Gesetzgebung und politische Entscheidungen hatten. Es besagt, dass Clarence Thomas, Richter am Obersten Gerichtshof, nie die Macht hatte, seine Stimme bei einem Urteil für antirassistische Ziele abzugeben. Das Argument der Machtlosigkeit besagt, dass die über 700 Schwarzen Richterinnen und Richter an den Gerichten der Bundesstaaten und die über zweihundert Schwarzen Richterinnen und Richter an den Bundesgerichten bei den Verfahren und Urteilen, mit denen das System der Masseninhaftierung aufgebaut wurde, keine Einflussmöglichkeit hatten.
Es besagt, dass die über 57 000 Schwarzen Polizistinnen und Polizisten in den USA nicht die Macht haben, Schwarze Menschen brutal zu behandeln und zu töten. Es besagt, dass die dreitausend Schwarzen Polizeichefs, stellvertretenden Polizeichefs und Kommandantinnen und Kommandanten keine Macht über die ihnen unter-stehenden Polizistinnen und Polizisten haben. Das Argument der Machtlosigkeit besagt, dass die über 40 000 Schwarzen Mitglieder des Lehrkörpers an amerikanischen Universitäten und Colleges 2016 nicht die Macht hatten, Schwarze Studierende be-stehen oder durchfallen zu lassen, Schwarze Lehrende einzustellen oder ihre Anstellung zu verlängern oder gar das Denken von Schwarzen Menschen zu prägen. (…)
Als ein Schwarzer Mann 2009 das Amt des mächtigsten Mannes der Welt übernahm, wurde seine Politik von seinen Fürsprecherinnen und Fürsprechern oft mit dem Argument verteidigt, er habe keine exekutive Macht. Als ob seine Präsidialverfügungen nicht umgesetzt worden wären, als ob seine Schwarzen Justizminister nicht die Macht gehabt hätten, die massenhafte Inhaftierung von Schwarzen Menschen zu beschränken, als ob seine Schwarze nationale Sicherheitsberaterin keine Macht gehabt hätte. Die Wahrheit lautet: Schwarze Menschen können rassistisch sein, weil Schwarze Menschen durchaus Macht haben, selbst wenn diese Macht begrenzt ist. (…)“
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Ach halt, Moment.
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Da ist uns wohl ein kleiner Fauxpas unterlaufen.
Obenstehendes Zitat STAMMT überhaupt NICHT von Joachim Gauck.
Wer das wirklich gesagt hat?
Nun, der angeblich hysterisch übersteuernde Aktivist, der in Wirklichkeit selbst Rassist sei – der Mann, den Gauck hier verleumdet: Prof. Dr. Ibram X. Kendi, vielfach ausgezeichnete Historiker und Soziologe seit 2020 Professor für Geschichtswissenschaft an der Boston University sowie Gründer und Direktor des BU Center for Antiracist Research, Träger der Andrew W. Mellon-Professur für Geisteswissenschaften der Boston University, die vor ihm nur Elie Wiesel bekleidet hat. Das Zitat stammt aus „How To Be An Antiracist“ demselben Buch das Gauck mehrfach in diesem Kapitel zitiert hat.
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Wie geht das?
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Kann es möglicherweise sein, dass uns Gauck irgendwie doch nicht die volle, tatsächliche oder mindestens näherungsweise Wahrheit über jene wissenschaftliche Disziplin erzählt hat, die er zu kritisieren vorschützt, sondern uns stattdessen, die Flapsigkeit sei uns verziehen, mit vorsätzlich konzipierter rechter Propaganda nach Strich und Faden die Hucke vollgelogen hat?
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Noch immer nicht zufrieden arbeitet sich Gauck dann noch intensiver an Antirassisten generell ab, die ihm ganz offensichtlich ein namenloser Gräuel sind:
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„Doch viele Antirassisten tragen die Behauptung von einem strukturellen Rassismus wie ein Mantra auch dort vor sich her, wo es von der Wirklichkeit nicht gedeckt ist. So befremdet es mich, wenn beispielsweise die von der Berliner Landeszentale für politische Bildung geförderte »Sensibilisierungskampagne #erkenneRassismus« ihre Aktion mit einem strukturellen Rassismus begründet, der »vielfältig in gesellschaftliche Institutionen, rechtliche Systeme, institutionelle Praxen etc. eingeschrieben ist, ohne dass es unmittelbar sichtbar würde« (Hervorhebung J. G.). Muss gar nicht bewiesen werden, was doch zu beweisen wäre? Warum werden die Grenzen zwischen institutionellem und individuellem Rassismus fast durchgängig verwischt?
(…) Ein derart aktivistisches Übersteuern ist insofern politisch schädlich, als es einen Alarm auslöst, der keine Entsprechung im tatsächlichen Bedrohungsszenario hat. Wir leben nicht in Zeiten einer Weimarer Republik, erst recht nicht im Faschismus und stehen keiner Gefährdung gegenüber, die einen derartigen Alarmismus rechtfertigen würde.“
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Einerseits ist es ziemlich mutig zu behaupten, Deutschland, in dem derzeit eine offen faschistische Partei wie die AFD bundesweit bei knapp 20% steht, sei nicht von Faschismus gefährdet (wobei das für Weiße aus dem reaktionären Lager vermutlich stimmt, denn die gehören nicht zum Feindbild, sondern sind eher auserkoren zur Blutsbruderschaft), andererseits fragt man sich woher Gaucks Expertise zu diesem Themenfeld eigentlich kommen soll – wenn ihm schon offensichtlich fast 60 Jahre Feldforschung mit hunderten von Studien, darunter auch zahlreiche in Deutschland, völlig unbekannt sind, oder er dies jedenfalls entschlossen vortäuscht?
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Unfreiwillige Komik hält spätestens dann Einzug, wenn Gauck genau jenes Verwischen von „institutionellem und individuellem Rassismus“ anprangert, dass er andererseits selbst hochmanipulativ ausübt und auf dem fast alles fußt, was er zu dem Thema sagen zu haben glaubt. Endgültig wird der Vogel abgeschossen, wenn jemand, der sich wie Gauck in diesem Buch, einer alarmistischen Kampagne extremistischer Kräfte, einer rechten „moral panic“ so bedenkenlos wie öffentlich anschließt, dann den vorgeblichen Alarmismus Anderer beklagt. Hat der Ex-Bundespräsident nicht irgendwo so etwas wie einen, sagen wir mal, Spiegel?
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Wie besessen beharrt er auf seiner privaten Deutung der Critical Race Theory als der, eines biologistischen Determinismus, insbesondere dort, wo, um ihn zu zitieren „wo es von der Wirklichkeit nicht gedeckt ist“:
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„Sind diese Mängel und Charakterschwächen, ist dieses Fehlverhalten denn nicht ein Problem aller Menschen? Warum sollte diese Struktur nur bei Weißen existieren? Bis jetzt zumindest ist ein Rassismus-Gen allein bei Weißen nicht bekannt. Und wenn mir antirassistische Aktivisten erklären, ein eventuell vorhandener Rassismus bei Schwarzen sei unerheblich, da er politisch nicht wirkmächtig werden könnte, dann frage ich: War in dem sozialen Konflikt in Simbabwe nicht auch rassistische Gewalt wirkmächtig, als die Regierung unter Robert Mugabe in den Jahren 2000 bis 2017 etwa 4000 weiße Farmer enteignete und von ihren Farmen vertrieb?“
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Natürlich, das streitet auch die Rassismusforschung, wie wir gesehen, nicht ab, können auch Schwarze Rassisten sein oder unbewussten rassistischen Mustern erliegen (und sie, wie Weiße auch, ablegen und bekämpfen) Sie haben aber in den bestehenden Gesellschaften, mangels bestehender Mehrheiten, und aufgrund historisch gewachsener Machtdisbalancen, nicht die Möglichkeit Menschen mit dem Normstatus Weiß, der in diesen Gesellschaften dominiert, systemisch zu diskriminieren.
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Zum Tiefstpunkt von Joachim Gaucks Auseinandersetzung gerät dann vollends das Unterkapitel „Gegen die Konkurrenz der Opfer“. Wie der Weiße Reaktionär Gauck hier in ziemlich atemberaubenden Volten versucht Antirassismus mehr oder weniger zur potentiellen Holocaustrelativierung zu stilisieren, ist so, mit Verlaub, abgefeimt und perfide, dass es schon Einzigartigkeitswert hat. Beim Lesen krampft sich einem vor Fremdscham regelrecht der Magen zusammen:
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Was mich im Zusammenhang mit der Neubetrachtung der Kolonialgeschichte befremdet, ist auch die Diskussion, wie sie sich um die Singularität des Holocaust entwickelt hat. Einige Historiker machen gegen die These der Singularität geltend, bei der Vernichtung der Juden habe es sich keineswegs um ein einzigartiges Ereignis gehandelt; vielmehr befinde sich die Shoa in einer Kontinuitätslinie mit den kolonialen Verbrechen imperialistischer Mächte.
(…)
Heute heißt es: Wann fand der »ultimative Tabubruch« statt - erst im Holocaust oder schon im Kolonialismus? Die aus Jamaika stammende Kulturhistorikerin Imani Tafari-Ama hält jedenfalls die Verschleppung der Afrikaner im Zuge des transatlantischen Sklavenhandels für das größte Verbrechen der Menschheitsgeschichte. [16] Antisemitismus wird dabei zunehmend unter die Kategorie des Rassismus subsumiert, der Holocaust dadurch zu einem rassistischen Verbrechen unter anderen.“
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Imani Tafari-Ama gab ihr Interview mit der TAZ, auf dass sich Gauck hier bezieht, nicht auf Deutsch. Im Englischen wird der Begriff Holocaust grundsätzlich nicht mit demselben Einzigartigkeitsrang verwendet, wie im Deutschen. Im englischen Sprachgebrauch, wird der transatlantische Sklavenhandel, die „Maafa“, die sich über 500 Jahre erstreckte und die, nach unterschiedlichen Schätzungen, bis zu 20 Millionen Todesopfer forderte, ein Ausmaß das Weiße grundsätzlich immer erstmal verdrängen, auch ganz offiziell als „African Holocaust, the Holocaust of Enslavement, or the Black Holocaust“ bezeichnet.
Die Anerkenntnis dieser Dimension und des Tabubruchs der Entmenschlichung von Menschen, der dem Zivilisationsbruch von Shoah und Porajmos vorausging und ihn wesentlich ermöglichte, ist was Tafari-Ama hier einfordert.
Der kanadische Wissenschaftler Adam Jones bezeichnete den Massentod von Millionen von Afrikanern im atlantischen Sklavenhandel als Völkermord, da es sich um "einen der schlimmsten Holocausts in der Geschichte der Menschheit" handelte, der nach einer Schätzung 15 bis 20 Millionen Todesopfer forderte, und er behauptet, dass gegenteilige Argumente wie "es lag im Interesse der Sklavenhalter, die Sklaven am Leben zu erhalten, nicht sie auszurotten" "größtenteils Sophisterei" seien, indem er feststellte:
"Die Tötung und Vernichtung war beabsichtigt, unabhängig von den Anreizen, die Überlebenden der Atlantikpassage für die Ausbeutung der Arbeitskraft zu erhalten. Um noch einmal auf die bereits angesprochene Frage der Absicht zurückzukommen: Wenn eine Institution von erkennbaren Akteuren absichtlich aufrechterhalten und ausgebaut wird, obwohl sich alle der Leichenberge von Opfern bewusst sind, die sie einer definierbaren menschlichen Gruppe zufügt, warum sollte dies dann nicht als Völkermord gelten?"
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Tafaro-Ama ist keine Rassismusforscherin und keine Vertreterin der Critical Race Theory, sie hat in diesem Feld weder geforscht, noch gelehrt, noch publiziert, sie ist Kulturanthropologin und Kuratorin. Aber sie ist Schwarz (und schwarz, um Gaucks Hautfarbenfimmel zu befriedigen) und links, und damit gehört sie zu dem, was-er-unter-CRT-versteht. Gauck zieht hier also nicht nur eine komplette Strohmann-Argumentation hoch, die mit der akademischen Disziplin, die er zu kritisieren vorgibt, absolut null und nichts zu tun hat, er führt sie auch noch so kriminell unterkomplex, wie es nur Rechtskonservative in ihrem Kindergartendenken überhaupt zuwege bringen.
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Dass Gauck gerade in diesem Zusammenhang W.E.B. Du Bois zitiert ist kein Zufall. Du Bois von Gauck nicht ganz zu Unrecht als „einer der profiliertesten Aktivisten der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung“ bezeichnet, auch wenn er eher als intellektueller Vordenker auf journalistischer Ebene wirkte, und zwar in der Ära VOR Martin Luther King und Malcolm X (Du Bois starb 1963), vertrat im ersten Drittel seines Wirkens noch assimilationistische Ideen die auf strukturell rassistischen Narrativen beruhten und die Weiße Gesellschaft jener Jahre nicht in Frage stellten.
Du Bois war beispielsweise als junger Mann der Auffassung, dass es exklusive Aufgabe der Schwarzen sei, den sie umgebenden und unterdrückenden Rassismus abzubauen, indem sie, durch besondere Leistungen, durch Exzellenz und harte Arbeit, die bestehenden Vorurteile ad absurdum führten (Die „bootsraps“-Argumentation späterer Republikaner wie Nixon und Reagan basiert auf solchen Vorstellungen). Er war seinerzeit ebenfalls der Auffassung, dass Schwarze durch die lange Sklaverei als Gruppe beeinträchtigt seien, eine Kinder-Race (ihn ausgenommen), und sich erst zum Weißen empor entwickeln müssten. Beide Ideen sind rassistisch aber sie schmeicheln rechtsreaktionären Weißen wie Gauck. Sie vermitteln jemandem Geborgenheit, der seit Jahren an keiner Kamera mehr vorbeigehen kann, ohne hinein zu tröten, wie sehr er sich vor Multikulturalismus und Überfremdung fürchtet.
Spätestens im letzten Drittel seines Lebens aber wandelte sich Du Bois zum überzeugten und absolut radikalen Antirassisten, erst dadurch wurde er zum Vordenker von King, X., Carmichael und, letztlich, Wissenschaftlern wie Prof. Kendi und Prof. Di Angelo. Aus den antirassistischen Texten dieser Zeit zitiert Gauck nirgends und er verschweigt auch komplett diese Wandlung. Dabei gilt Du Bois sogar in der rechten US-Szene heute, im Gesamtrückblick, als so radikal, dass etwa das rechtspopulistische AMERICAN ENTERPRISE INSTITUTE ihn als Extremisten, als CRT-Vorläufer, verfemt und ihm Booker T. Washington strategisch als angeblich konservativen Schwarzen Denker gegenüberstellen zu müssen glaubt.
Die bewusste Täuschung Gaucks an dieser Stelle ist sehr extrem und sehr offensichtlich.
Auf weniger als zwei Seiten erklärt er den Weißen Historiker A Dirk. Moses (den er scheinbar für schwarz hält), der nie im Bereich CRT geforscht, gelehrt oder publiziert hat, zum Critical Race Theory Aktivisten, ebenso die schwarze Kulturhistorikerin Imani Tafari-Ama, die gleichfalls nichts mit CRT zu tun hat, und macht dann, durch mit Falschbehauptungen garniertes, selektives Zitieren aus einem der wichtigsten Vordenker des modernen Antirassismus und der Critical Race Theory, deren angeblich größten Gegner.
Eine solche Argumentation, in der man aus einem klaren, rechten , Weißen Blickwinkel, versteckt hinter nur scheinbar harmlos- milden, gefälligen Formulierungen, alles in einen toxischen Brei vermengt, wodurch man sich persönlich bedroht fühlen zu müssen glaubt, kann keine wie auch immer geartete Redlichkeit mehr für sich beanspruchen.
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Selbstverständlich schließt Gauck seine Überlegung auch nicht ab, ohne zu finalen Schlußfolgerung zu gelangen, ganz auf der Line der extrem Rechten in den USA, dass Antirassismus eigentlich der neue Rassismus sei und zwar diesmal gegen Weiße:
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Wer nur die Solidarität mit Menschen pflegt, die nicht weiß sind, und wer Unterdrückung übersieht, wenn sie von Nichtweißen ausgeübt wird, stellt ethnische oder »rassische« Zugehörigkeit über die allgemeingültigen Menschenrechte. Er betreibt trotz steter Ablehnung des Begriffs »Rasse« eine letztlich rassisch grundierte Menschenrechtspolitik — nur unter umgekehrtem Vorzeichen. Mit gewisser Bestürzung habe ich zur Kenntnis genommen, dass eine derartige Sichtweise auch in dem Lagebericht über »Rassismus in Deutschland« zum Ausdruck kommt (…)“
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Um zu einer letztgültigen Einschätzung von Joachim Gaucks Zitierpraxis zu kommen, seien folgende beunruhigende Aspekte aufgeführt, die vielleicht mehr als alles Andere aussagen, da hier die bewusst agierende Hand des Verfassers in flagranti zu sehen ist. Was da, am Ende des Buches angehängt ist, sieht zwar wie ein professionelles Quellenverzeichnis aus, offenbart aber, soweit es dieses Kapitel betrifft, lediglich wie wenig unvoreingenommen hier von Anbeginn gearbeitet wurde – und mit welcher Absicht.
Robin Di Angelo und Ibram X. Kendi beispielsweise werden nur nach der übernommenen Zitierung aus Rene Pfisters (https://www.facebook.com/DasSiebteFlugblatt/posts/2889590988011718) hochpopulistischem Buch „Ein falsches Wort: Wie eine neue linke Ideologie aus Amerika unsere Meinungsfreiheit bedroht“ wiedergegeben, die dort natürlich entsprechend geframt ist. Georgina Banita ebenfalls nur in der übernommenen Zitierung von Michael Pawliks rechtslastiger Rezension der FAZ wiedergegeben. Akteure der extremen intellektuellen Rechten in den USA wie John McWorther und Bari Weiss (zitiert nach DIE WELT, https://en.wikipedia.org/wiki/Bari_Weiss#2020:_Resignation_from_The_New_York_Times Bari Weiss) werden neutral referenziert, ohne jeden wie auch immer gearteten Hinweis auf ihren Hintergrund.
Wenn ich eine derartige Second-Hand-Auswertung beliebiger Zitate mache, die meine Gesinnungsgenossen zuvor, nach entsprechendem Cherry Picking, mit der Schere ausgeschnitten und in rechte Denkgefüge eingebettet haben, frei von realem Kontext und Sinnzusammenhang, teilweise unter Anlegen komplett falscher Definitionen, dann kommt dabei alles Mögliche heraus, nur nicht, was die Person, dich ich zitiere, tatsächlich ausdrücken wollte; dann habe ich ein bewusstes und gezieltes Interesse an Verzerrung, dann beabsichtige ich Verfälschung.
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Man muss sich in aller Deutlichkeit klar machen auf welche und auf wessen Seite sich Joachim Gauck hier stellt.
Er bedient - ganz EXPLIZIT - den Hype der extremen Rechten in den USA, nach der eine freie, liberale Gesellschaft in Deutschland bedroht werden würde, durch eine Minderheit, die sich einer spalterischen, seiner Meinung nach rassistischen und antisemitischen, Ideologie bedient, der eine zu linke Öffentlichkeit auf den Leim geht. Diese Ideologie ist, nach Gauck: Antirassismus per se. Damit kommt er zu Einschätzungen der gesellschaftlichen Wirklichkeit die sich von denen eines Ron De Santis, eines Donald Trump, eines Christopher Rufo, eines James Lindsay, eines Tucker Carlson nicht mehr messbar unterscheiden. Er macht sich selbst zu einem deutschen Ableger ihres McCarthyismus 2.0.
Damit marschiert er im Gleichklang mit den rechtsradikalisierten US-Republikanern, die einen gewalttätigen Putschversuch mit Toten, zu einem Dummejungenstreich verklären, in mehreren Bundesstaaten Antirassisten aller Art und Hautfarben verfolgen, an freier Rede hindern, die Freiheit der Lehre stramm auf White Supremacy in kleinen Dosen schnüren, die kritische Thematisierung der amerikanischen Vergangenheit kriminalisieren und systemischen Rassismus in diesem Land via Schulbildung zementieren wollen.
Er steht an der Seite von Leuten, die den United States Supreme Court mit Rechtsextremisten aus der verschwörungsideologischen Szene, Personen rechts der AFD, bestückten und alles daransetzen, die Erfolge der US Bürgerrechtsbewegung so schnell wie möglich, so vollständig wie nur möglich zurückzudrehen. Wie sie jüngst durch das Verbot von Affirmative Action erreicht haben, dass den systemisch-rassistischen Aufnahmeprozessen an vielen US Universitäten nichts mehr entgegengesetzt werden darf: Ein Jahrhundert-Fehlurteil.
Gauck macht sich gemein mit Leuten, die, völlig offen, damit liebäugeln gemischt-ethnische Ehen wieder verbieten zu wollen, die es für gesetzwidrig erklären ließen im Unterricht über Sklaverei, über Rassismus, über die Geschichte des eigenen Landes zu sprechen, die Bücher im Dutzend verboten haben, darunter auch das "Tagebuch der Anne Frank", Leuten, die es schafften so bizarre Gesetze zu erlassen, dass Lehrer nicht mehr wissen, wie sie den Holocaust ihren Schülern nahezubringen ohne dabei auch, der geforderten Balance halber, Sympathie für die Nazis zu schüren.
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Mit diesen Leuten stellt sich Joachim Gauck auf eine Stufe. Denn er teilt ihre rassistische Hysterie, er verbreitet ihre Narrative (mit allen Fakes und Falschzitaten, allen Auslassungen), ihre Argumente.
Er sagt, dass, was sie sagen, so wie sie es sagen. Er kopiert ihre Lügen, multipliziert ihre "White Angst" und reproduziert weitgehend sogar ihre Sprache. Er lässt es nur irgendwie differenzierter und freundlicher klingen, mildert es ab, durch ein scheinbar warmherziges Lächeln. Allein, das, was hinter diesem Lächeln steht, ist nicht der scheinbar aufrechte Liberalismus eines freundlichen alten Opas, der für Universalismus eintritt.
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Aus diesem Lächeln leuchtet nichts Anderes als deutsche White Supremacy light.
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WEITERE QUELLEN:
https://www.facebook.com/DasSiebteFlugblatt/posts/2747949288842556
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https://en.wikipedia.org/wiki/Bari_Weiss#2020:_Resignation_from_The_New_York_Times Bari Weiss
https://www.facebook.com/DasSiebteFlugblatt/posts/2889590988011718
https://blog.pmpress.org/2022/01/23/behind-recent-attacks-on-herbert-marcuse/
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