Die Loreley und die Rheinmärchen

Die Loreley und die Rheinmärchen


Lurelei, Gemälde von Carl Joseph Begas, 1835

Die Loreley (auch Lorelei) ist ein Schieferfelsen im Oberes Mittelrheintal bei Sankt Goarshausen, Rheinland-Pfalz. Bereits im Mittelalter wurden Zwerge, Nymphen oder Berggeister für die gefährlichen Strömungen und die Echos am Loreleyfelsen verantwortlich gemacht. Von einer Frauengestalt namens Loreley ist aber zunächst noch nicht die Rede.

Der erste, der den Felsennamen auf eine Person übertrug und damit eine Kunstsage schuf, war der Dichter Clemens Brentano; die Entstehung des Echos am Loreley-Felsen fand damit eine neue Erklärung. Wahrscheinlich verband er den Echofelsen mit dem antiken Mythos der Nymphe Echo, die aus Gram über ihre verschmähte Liebe zu Narziss zu einem Felsen erstarrte, von welchem fortan ihre Stimme als Echo ertönte. Clemens Brentano schrieb in seinem Roman Godwi oder Das steinerne Bild der Mutter (1801–1802) eine Ballade über Lore Lay, eine eponyme Frau, die aufgrund ihrer Anziehungskraft auf Männer für eine Zauberin gehalten wird und sich schließlich aus Liebeskummer vom gleichnamigen Felsen stürzt. Die Sage von der Loreley entspricht thematisch dem romantischen Weltbild. Beliebte Schauplätze romantischer Dichtungen sind nebelverhangene Waldtäler, Flüsse, Ruinen, alte Burgen, Höhlen und Berginneres. Dies sind auch die von Brentano verwendeten Schauplätze.

Diese Ballade Brentanos gab den Anstoß zu weiteren Erzählungen mit einer gleichnamigen weiblichen Gestalt am gegebenen Ort. Unter anderem gibt es Balladenfassungen von Joseph von Eichendorff, Otto von Loeben und anderen, am berühmtesten ist jedoch das Gedicht von Heinrich Heine. Es prägte die Figur der Loreley als eine Art Nixe, die gleich einer Sirene durch ihren Gesang und ihre Schönheit die Rheinschiffer in ihren Bann zieht, woraufhin diese durch die gefährliche Strömung und die Felsenriffe umkommen.

Clemens Brentano schrieb 1801 in der Ballade Zu Bacharach am Rheine … (ursprünglich Teil des Romans Godwi oder Das steinerne Bild der Mutter) von einer Zauberin, die auf Grund ihrer Schönheit allen Männern den Verstand raubt und ihnen schließlich stets den Tod bringt. Deshalb soll sie als Hexe von geistlicher Gewalt zum Tode verurteilt werden. Lore Lay ist sich ihrer Wirkung bewusst und dieses Umstands müde – seit ihr Liebster sie betrogen hat und sie in ihrem „Zauberkreis“ verderben muss, wünscht sie sich zu sterben. Der Bischof bringt jedoch aufgrund von Lore Lays Schönheit ein Todesurteil nicht über die Lippen und schickt sie stattdessen in ein Kloster. Auf der Reise dorthin, begleitet von drei Rittern, bittet Lore Lay an einem großen Felsen, diesen erklimmen und noch einmal von oben den Rhein betrachten zu dürfen. Sie besteigt den Felsen und stürzt sich hinab. In einer Fußnote wird direkt Bezug genommen auf den Loreley-Felsen bei Bacharach am Rhein.

Die Ballade beginnt so:


Zu Bacharach am Rheine

Wohnt’ eine Zauberin,

Sie war so schön und feine

Und riß viel Herzen hin.


Und brachte viel zuschanden

Der Männer rings umher,

Aus ihren Liebesbanden

War keine Rettung mehr.


Gestützt hat sich Brentano bei der Konzeption seines Gedichts auf eine im Jahre 1631 veröffentlichte versifizierte Paraphrase der Ovidschen „Metamorphosen“, die sich in seinem Besitz befand und die er für mehrere lyrische Passagen seines Romans „Godwi“ herangezogen hat. Am Anfang der Wirkungsgeschichte – der Popularisierung – von Brentanos Ballade steht die Darstellung Niklas Vogts (1756–1836) aus dem Jahr 1811: „Dieser Lurelei, oder vielmehr sein Echo, soll die Stimme eines Weibes seyn, welche durch ihre außerordentliche Schönheit alle Männer bezaubert hat, nur den nicht, welchen sie selbst liebte.“ In einer Fußnote verweist Vogt auf Brentanos Gedicht.

Lorelei- Carl Bertling

Das Thema der Lorelei griff Brentano in seinen Rheinmärchen (1846/1847) wieder auf. Hier ist Lorelei jedoch nicht mehr das Mädchen von Bacharach, sondern eine Feengestalt. In dem Märchen von dem Rhein und dem Müller Radlauf entsteht durch eine Tragödie während der Hochzeitszeremonie des Prinzen Rattenkahl von Trier mit der Prinzessin Ameleya von Mainz eine tiefe Feindschaft zwischen ihren beiden Königreichen. Im Verlauf der Geschichte erzählt ein Goldfischchen davon, seltsame Lichter gesehen zu haben mit einem wundersamen Schimmer, welche aus einer runden Öffnung im Boden gekommen seien. Der Wassermann unterhält sich darüber mit dem weißen Main und dem roten Main. Er erzählt, dass es sich hierbei um den Nibelungenhort handle. Der rote Main möchte wissen, wohin die sieben Gänge führen. Sie führten zu sieben goldenen Türen, hinter denen sich sieben Treppen befänden. Diese wiederum würden sich hinauf in einen Saal winden. Dort sitze auf sieben Thronen Lureley, neben ihr säßen ihre sieben Töchter. Lureley wird als Zauberin beschrieben, mit schönem Leib und klugem Sinn. Das schöne Schloss ist von schroffem Felsgestein umgeben und der Rhein braust wild vorbei. Lureley wird die Hüterin vom Hort (Nibelungenhort) genannt. Sie wacht und singt, sobald sie einen Schiffer hört. Frau Lureley wird hier als eine Tochter der Phantasie beschrieben. Sie ist die Tochter von Phantasie und Widerhall. Einige ihrer Kinder werden namentlich erwähnt. Es sind Echo, Akkord und Reim.

Im weiteren Verlauf der Geschichte taucht Loreley erneut auf. Diesmal wird zum ersten Mal das Sinken eines Schiffs mit ihr in Verbindung gebracht. Auch das Motiv, dass eine Frau auf dem Felsen sitzt und sich das goldene Haar kämmt, taucht hier auf. Der Müller Radlauf erzählt von einem stürmischen Tag, an dem sie mit dem Boot auf dem Rhein fuhren. Er habe in den Felsen hinauf geschaut und eine wunderschöne junge Frau mit schwarzem Rock und weißem Schleier gesehen. Sie sei in tiefster Trauer gewesen und habe geweint, während sie ihr langes blondes Haar gekämmt habe. Dann gerät das Schiff in einen Strudel, dreht sich und wird mit einem Ruck hinab geschlungen. Radlauf versinkt in seinem Boot und gelangt auf dem Grund des Rheins zu einer Laube. Hier trifft er Lureley. Sie sitzt auf einer Wasserlilie und ist umgeben von sieben Jungfrauen, welche ihre Töchter sind. Lureley bemerkt ihn nicht und singt zusammen mit den Jungfrauen. Beschrieben wird sie als holdseliges Weib, welches Radlauf ganz in ihren Bann zieht. Sie ist eine schöne blonde Frau und hat eine überaus holdselige Miene. So nimmt sie Radlauf an die Hand und führt ihn herum. Das liebe blonde Wasserfräulein bringt ihn in den Raum seiner Ahnen, vier alter Greise. Lureley wird hier außerdem als liebe blonde Mutter beschrieben.

Später tritt eine weitere Frau Lureley auf. Sie ist zu Beginn eine junge Meerjungfrau, dann bedient sie sich des Äußeren eines hübschen Bauernmädchens, um Menschengestalt anzunehmen. Sie ist treu, denn sie kehrt dreimal zu ihrer großen Liebe Christel zurück, obwohl er sie dreimal betrogen hat. Auch die Mühlknappen und Lureleys Kinder haben sie betrogen. Schließlich hat sie drei ihrer Kinder verloren und lässt ihr letztes bei Christel zurück. Sie zieht sich in ihr Schloss, den Lureley-Felsen bei St. Goar, zurück und nimmt wieder die Gestalt einer Wasserjungfrau an. Hier wohnt sie dann mit Frau Echo und ihren sieben Töchtern und verwaltet das Schicksal der Toten. Alle Facetten der Liebe spielen hier eine Rolle, denn jede Tochter steht für eine Eigenschaft der Liebe: Herzeleid, Liebesleid, Liebeseid, Liebesneid, Liebesfreud, Reu und Leid, Mildigkeit. Sie ist eine wunderschöne milde Frau, welche jedoch ein gebrochenes Herz hat, weil sie oftmals von ihrem Liebsten und ihren Lieben betrogen wurde. Lureley sitzt oft traurig auf ihrem Felsen bei ihrem Schloss, weint, singt und kämmt sich ihr langes blondes Haar. Wenn sie von vorüber fahrenden Schiffern verhöhnt wird, zieht sie diese in den Tod hinab.

Noch ein weiteres Mal taucht eine Lureley in der Geschichte auf. Diesmal ist sie ein umherreisendes Wasserfräulein. Sie wird als schön, gut und freundlich beschrieben und trägt sehr schöne Kleider. Ihr Haar ist lang und blond. Lureley kann daraus Perlen und Gold regnen lassen und auch andere Zauber tun. Guten Menschen hilft sie gerne, böse hingegen verurteilt sie. Die Haare kämmt sie sich hier nicht selber, sondern lässt dies ein Mädchen verrichten. Lureley ist eine helfende, liebevolle Wasserfrau.

Ferdinand Marternsteig, Loreley (1872)

Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Loreley


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