Die Konzeption der Globalisierung. Das russische Projekt.

Die Konzeption der Globalisierung. Das russische Projekt.

DUR — ohne DUR ist alles MOLL

Die Globalisierung kann als ein Prozess des Aufbaus einer die gesamte Menschheit verbindenden Kultur betrachtet werden. Sie ist gekennzeichnet durch die Integration verschiedener Länder und Völker zu einer Art gemeinsamer Kultur, wobei unter Kultur alle Informationen zu verstehen sind, die nicht genetisch in vorgefertigter Form von Generation zu Generation weitergegeben werden.


Im Laufe der Geschichte wurde die Globalisierung als ein Prozess der gegenseitigen Durchdringung der nationalen Kulturen betrachtet. In der Vergangenheit wurde die Globalisierung eher durch den internationalen Handel und die Eroberungspolitik vorangetrieben, doch heute wird sie eher durch die technologische Vereinigung der Volkswirtschaften verschiedener Länder in eine einzige Weltwirtschaft vorangetrieben.

Die Globalisierung ist ein objektiver Prozess, d. h. der Prozess verläuft unabhängig vom Willen und den Wünschen der Menschen, denn jede Gesellschaft braucht ein System der Produktion und des Vertriebs von Produkten, und alle Menschen sind in gewisser Weise daran interessiert, dessen Effizienz zu steigern: mehr Produkte zu bekommen und gleichzeitig mehr Freizeit zu haben. Und eines der Mittel, um die Effizienz dieses Systems zu steigern, ist der Austausch kultureller Errungenschaften zwischen verschiedenen Völkern.

Eine bestimmte Kultur ist nicht für alle Menschen eindeutig in den Genen programmiert, so dass verschiedene Varianten von Kultur möglich sind. Das bedeutet, dass es viele Varianten der Entwicklung des Globalisierungsprozesses gibt – viele verschiedene Szenarien, oder anders gesagt, Konzeptionen, diese Kultur aufzubauen. In ihnen kann es sowohl unterschiedliche Ziele – die in diesen Projekten festgelegt werden, bis hin zu gegenteiligen Zielen in verschiedenen Projekten – als auch unterschiedliche Mittel zur Erreichung dieser Ziele geben.

Die Globalisierung war in der gesamten Lebenszeit der Menschheit immer präsent, aber die Menschen haben das nicht immer erkannt und verstanden. Das erste charakteristische Merkmal der früheren Phase der Globalisierung war, dass sie von der großen Mehrheit der Menschen nicht wahrgenommen wurde. Dies ist darauf zurückzuführen, dass sich die technischen Gegebenheiten und die Lebensbedingungen der Menschen über lange Zeiträume nicht verändert haben. Gleichzeitig war die Verfügbarkeit von Informationen über die Geschehnisse in der Welt sehr gering, was sowohl auf die geringe Lese- und Schreibkompetenz als auch auf die unterentwickelten technischen Mittel zur Sammlung und Übermittlung von Informationen zurückzuführen war. Nur eine Handvoll Menschen war sich der Globalisierung bewusst. Die Globalisierung ging also am Bewusstsein der großen Mehrheit der Menschen vorbei.

Es ist die Unkenntnis der Globalisierung durch die große Mehrheit der Weltbevölkerung, die dafür gesorgt hat, dass eine Konzeption – ein Globalisierungsprojekt – dominiert hat, was das zweite wichtige Merkmal der vergangenen Phase der Globalisierung ist.

Das Gesetz der Zeit¹

Die gegenwärtige Phase der Globalisierung unterscheidet sich grundlegend von der vorangegangenen. Obwohl die gegenwärtige Phase von derselben Konzeption wie die vorhergehende beherrscht wird, ist die Steuerung dieser Konzeption in eine Sackgasse geraten, was zur gegenwärtigen Systemkrise geführt hat: Krisen im ökologischen, wirtschaftlichen und soziokulturellen Bereich. In einigen Kreisen wird die systemische Krise der nach der dominierenden Konzeption erfolgenden Steuerung als "Krise des Kapitalismus" bezeichnet.

Diese Krise war eine Folge des unkontrollierten, sich ständig beschleunigenden technischen Fortschritts. Der technische Fortschritt wiederum hat auch die Logik des Sozialverhaltens der Menschen verändert: Früher veränderten sich die Technologien und damit die Lebensumstände der Menschen viel langsamer, als die Generationen von Menschen wechselten, was es den einmal ausgebildeten Menschen ermöglichte, im Allgemeinen ihr ganzes Leben über normal zu leben.


Heute verändert sich die Technologie im Laufe einer Generation mehrfach und zwingt die Menschen dazu, sich ständig weiterzubilden und sowohl neues Wissen, als auch Wege zur Erschließung neuen Wissens zu erlernen. Gleichzeitig sind die Informationen viel leichter zugänglich geworden. Und die zunehmenden Probleme zwingen die Menschen dazu, Antworten auf die Herausforderungen des Lebens zu suchen. Die Krisensituation, die Verfügbarkeit von Informationen und die Veränderung der Logik des sozialen Verhaltens haben somit Umstände geschaffen, unter denen die Globalisierung auf der Ebene der so genannten nationalen "Eliten" und zum Teil auch auf der Ebene der normalen Bürger, die direkt von dieser Krisensituation betroffen sind, gesehen und verstanden wird. Das Bewusstsein der Menschen für die Globalisierung hat dazu geführt, dass gleich mehrere Globalisierungskonzepte entstanden sind (eine chinesische, japanische und russische).

Die Mittel² zur Erreichung desselben Ziels können unterschiedlich sein. Dementsprechend gibt es eine Reihe von Versionen der vorherrschenden Globalisierungsversion, die auf unterschiedliche Weise gestaltet sind, um dieses Ziel zu verwirklichen. Sie alle manifestieren sich in der einen oder anderen Weise in der Gegenwart. Die vorherrschende Globalisierungskonzeption jedoch sieht im Kern die Beibehaltung einer masse-"elitären" Struktur der Gesellschaft vor.

Masse-"Elitarismus"³

Der Masse-"Elitarismus" basiert auf der Abgrenzung von Wissen: Die "Elite" verfügt über ganzheitlicheres Wissen, die Masse über fragmentarischeres Wissen. Auf der Grundlage dieser Abgrenzung war die Kastenstruktur der Gesellschaft im Altertum die Norm, da es in einem unveränderlichen technologischen Umfeld möglich war, das eigene Wissen und die eigenen Fähigkeiten durch Vererbung weiterzugeben. Die Weitergabe von Wissen durch Vererbung ernährte nicht nur die eigenen Kinder und Enkel, sondern sorgte auch dafür, dass die Professionalität der Menschen in verschiedenen Bereichen wuchs. Das heißt, die masse-"elitäre" Struktur der Gesellschaft war gewissermaßen lebensgerecht. Heute jedoch lebt jede Generation in einem technologischen Umfeld, das sich vielfach verändert. Wissen und Fähigkeiten veralten sehr schnell, so dass das Bildungswesen in der Lage sein muss, schnell umzulernen - dies ist ein wesentliches Merkmal der neuen Logik des sozialen Verhaltens. Diese Sachlage macht die Systeme der vererbten Professionalität äußerst instabil und nicht den neuen Umständen angemessen. Wenn man das will, ist leicht, in jeden Bereich der Gesellschaft einzutreten und trotzdem besser qualifiziert zu sein, als die ererbten Meister auf diesem Gebiet. Das Internet macht es möglich, fast jede Information zu finden. Aus diesem Grund wird der Masse-"Elitarismus" als Modell des sozialen Lebens der Vergangenheit angehören und durch eine qualitativ andere Art von gesellschaftlicher Struktur ersetzt werden, obwohl es logisch ist, dass aufgrund der Trägheit des Denkens der Menschen, insbesondere der so genannten "Eliten", versucht wird, diese Art von gesellschaftlicher Struktur zu bewahren.


In Russland beispielsweise herrscht heute Ungewissheit darüber, welche Lebenskonzeption von der Gesellschaft umgesetzt wird. In der Gesellschaft ist die Nachfrage nach einer Alternative zur westlichen Lebenskonzeption herangereift. Unsere Erfolge auf dem Gebiet der Außen- und Weltpolitik lassen sich dadurch erklären, dass wir in diesen Bereichen zumeist unseren zivilisatorischen Prinzipien folgen, die eine Alternative zu den westlichen darstellen, was, wie jedes eigenständige Handeln, viel Kritik seitens des Westens hervorruft, der bereits die ganze Welt als sein Lehen betrachtet. Die Innenpolitik steht jedoch im Widerspruch zur Außenpolitik und zur globalen Politik, die verfolgt wird.

Um als souveräne, unabhängige Macht, als Land mit Zukunft zu überleben, müssen wir ein völlig alternatives und zugleich attraktives Bild der Zukunft anbieten – eine klare und verständliche Vorstellung davon, was für einen Staat wir aufbauen, in welchem Land wir leben wollen und welche sittlichen Werte wir bereit sind, hochzuhalten.

Die russische Globalisierungskonzeption vertritt den Standpunkt, dass eine echte Demokratie nur dann möglich ist, wenn jedes Mitglied der Gesellschaft versteht, WIE die Gesellschaft als Ganzes gesteuert wird und WARUM⁴ diese Steuerung durchgeführt wird. Das heißt, er/sie beherrscht alle Mittel der Steuerung und unterstützt mit seinem/ihrem Handeln bewusst die Ziele, die ihm/ihr als Mitglied der Gesellschaft und der Gesellschaft als Ganzes vor Augen stehen. Aber um die Einheit der Ziele der Gesellschaft als Ganzes zu erreichen, ist es notwendig, dass jedes ihrer Mitglieder eine bestimmte Kultur des Denkens und der Weltanschauung und den menschlichen Strukturtyp der Psyche⁵ erlangt.


Es ist sowohl die Idee des Aufbaus einer Gesellschaft von MENSCHEN, die der Bezeichnung 'MENSCH' auch wahrhaft würdig ist, als auch ein bestimmtes Verständnis der Weltordnung, das die Verwirklichung dieser Idee ermöglicht.

Die russische Version der Globalisierung ist keine Globalisierung "für die Russen", sondern eine Version der Globalisierung für alle, die von den russischen Menschen angeboten wird, die wollen, dass die ganze Welt gewissenhaft lebt.

Diese Alternative beruht auf den folgenden Grundsätzen:

• Beseitigung der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen

• Bewahrung des ökologischen Gleichgewichts der Biosphäre

• Zugang zu hoher Bildung und jeglicher Art von Wissen für Menschen aller sozialen Gruppen

• Befriedigung der demographisch bedingten Bedürfnisse der Menschen

• die Möglichkeit der Verwirklichung des individuellen Erkenntnis- und Schöpfungspotenzials des Menschen

• Freundschaft zwischen verschiedenen Völkern und Kulturen, die auf den Grundsätzen des konstruktiven Dialogs beruht.

Überträgt man diese Prinzipien auf das Land, verbreitet sich die russische Version der Globalisierung sozusagen automatisch in der ganzen Welt.

Unsere Innenpolitik ist jedoch noch weit von diesen Prinzipien entfernt und bietet noch keine finanzielle Alternative oder ein anderes Verständnis vom Wesen des Menschen, als das des Westens, auch wenn es einige Fortschritte in dieser Richtung gibt.

Natürlich kann man die russische Innenpolitik nicht betrachten, ohne die Außen- und vor allem die Weltpolitik unseres Landes im Auge zu behalten. Andernfalls könnte man in einen nationalistischen Rausch verfallen und von der Führung des Landes "alles und sofort" fordern, ohne zu verstehen, wie diese Schritte von der ganzen Welt wahrgenommen und welche Folgen sie langfristig haben werden.


Es sollte klar sein, dass die Verkündigung von gewissen Idealen nicht automatisch zu ihrer Umsetzung führt, weder sofort noch innerhalb einer bestimmten oder unbestimmten Zeitspanne.

Der Grund dafür ist, dass das Leben einer Gesellschaft in einem Regime, das sich von den jeweiligen Idealen unterscheidet (auch wenn sie von breiten Schichten anerkannt werden), objektiv durch die Statistiken der sittlich-psychologischen Typen, die dieser Gesellschaft zu eigen sind, bedingt ist.

Die Lebensweise – diejenige, die es gibt – ist Ausdruck der sittlich bedingten Algorithmen der Psyche aller Mitglieder dieser Gesellschaft, jener Algorithmen, die tatsächlich aktiv sind, nicht jener, die sich die Menschen in ihrer Selbsteinschätzung zuschreiben.

Daher erfordert die Umsetzung jeglicher Ideale eine Veränderung der tatsächlichen Statistik der sittlich-psychologischen Typen in dieser Gesellschaft. Der sittlich-psychologische Typ (die Art der psychischen Struktur) einer Person wird weitgehend durch die historisch gewachsene Kultur während des Übergangs vom Säuglings- zum Erwachsenenalter geformt. Und in masse-"elitären" Kulturen ist die überwiegende Mehrheit der Erwachsenen aufgrund der Unterdrückung und Perversion des Prozesses ihrer Persönlichkeitsbildung in der Kindheit und Jugend nicht in der Lage, sich selbst weiterzubilden und zu erziehen.

Eine Veränderung der Statistik erfordert daher eine Veränderung der Kultur (als informations-algorithmisches System), die eine Vielzahl von Persönlichkeiten umfasst. Mit anderen Worten: Die Aufgabe, die sittlich-psychologische Statistik einer Gesellschaft an bestimmten Idealen auszurichten, erfordert eine entsprechende Politik, d.h. bewusste Handlungen – sowohl seitens der Staatlichkeit, als auch seitens einer interessierten, politisch aktiven Öffentlichkeit.

Nur durch derartige bewusste, zielgerichtete Handlungen kann sich – wenn diese im Leben auf Resonanz stoßen – nach einiger Zeit eine Statistik sittlich-psychologischer Typen in der Gesellschaft herausbilden, die eine gesellschaftliche Lebenweise hervorbringt, welche zuvor proklamierte bestimmte Ideale zum Ausdruck bringt.


Originalartikel von Научи Хорошему


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Weiterführende Materialien:

¹ Das Gesetz der Zeit

² Allgemeine Steuerungsmittel

³ Masse-"Elitarismus

Vollständige Steuerungsfunktion

Strukturtypen der Psyche


Siehe auch:

Petrov: Einführung in die Konzeption gesellschaftlicher Sicherheit I & II (Vorlesungen)

Zaznobin über die Ukraine und die Zukunft der Menschheit (Vortrag) + anschließende Beantwortung von Fragen

Die Konzeption gesellschaftlicher Sicherheit in Kurzform

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