Die Götter der Germanen

Die Götter der Germanen

Quelle: http://asatru.de/der-asen-wanen-kampf/


Gylphi Sees Asgard by F. W. Heine - http://www.germanicmythology.com/works/HeineArt.html

Die Wanen – Götter der Megalithiker

Wir haben mehrere Hinweise dafür, dass diese Naturgötter, denen hauptsächlich Fruchtbarkeitsmythen zugrunde liegen und die von den Grosssteingräberleuten und deren Nachkommen verehrt wurden, diejenige Gruppe von Göttern ist, die in der Edda als „Wanen“ bezeichnet werden, im Gegensatz zu den Göttern der Streitaxtleute, deren Göttervorstellungen als die „Asen“ bezeichnet werden.

Von den Wanengöttern kennen wir nur wenige dem Namen nach: Nöjrd und/oder Nerthus, Freyr, Freyja und Ullr. Allem Anschein nach sind auch die Walküren, die Göttinnen des Kampfgeschicks und des Schlachtentods, ebenfalls Waninnen. Beginnen wir unsere Beschreibung der Wanengötter mit ihnen:

Hoch zu Ross reiten die Walküren über die Kampfstätte und erfüllen Walvaters Befehle: Binden und lösen Gefangene, bringen Sieg oder Niederlage, erwecken die gefallenen Helden durch ihren Kuss zum ewigen Leben und entrücken sie ins himmlische Asgard. Sie sind nicht nur gewaltige Kämpferinnen, sondern auch mitleidvolle Helferinnen. Ihr himmlisches Schloss heisst Wingolf, die „Freundschaftsburg“. In Walhalla gehen sie unbewaffnet und bringen den Einherieren den Met (Lebenstrank). Sie werden auch Walvaters Botinnen oder Töchter genannt. Sie sind den Nornen eng verwandt, denn auch sie sind Weberinnen des Schicksals – eine von ihnen heisst ebenfalls „Skuld“, wie die jüngste der Schicksalsfrauen – und sie können sich in Schwäne verwandeln.

Wenn die Walküren ihre schimmernden Schwanenhemden anziehen, schwimmmen sie über die Wasser, fliegen sie in Schwanengestalt durch die Lüfte. Legen sie aber diese Gewänder ab, dann erscheinen sie als göttliche Jungfrauen, und wenn eine von ihnen, wie einst Brünhild, sich das Schwanenhemd rauben lässt, fällt sie in die Gewalt des Räubers. Die Walküren sind Vermittlerinnen zwischen der Götter- und Menschenwelt. Wir hören von drei oder sieben, doch meist von neun Walküren. Unter diesen werden in den Sagen namentlich Sigrun, Sighild, Siglind, Brünhild, Gunda, auch Thrud (Thors Tochter), genannt. Frigga-Freya erscheint unter ihnen mit dem Namen Hilde, das heisst Krieg. Nicht alle von ihnen sind göttlicher Herkunft, manche sind schöne und tapfere Königstöchter wie Brünhild und Sigrun, die Walvater zu sich erhoben hat.

Aus dem Bild der Walküren spricht zu uns die Heldenhaftigkeit der späteren germanischen Frau, die selbst in gefahrvollen Zeiten auf ihre Weise am Kampf der Männer teilnimmt. Es zeigt sich in diesen mythischen Gestalten auch die Hochachtung des germanischen Mannes vor der Frau – vornehmste Helden wie Sigurd, Helgi u.a., lieben eine Walküre. Schönheit, Weitsicht (prophetische Gabe) und Mut sind die Tugenden der germanischen Frau, die Walküren sind Versinnbildlichungen dieser Frauenideale.

Die ursprüngliche Wohnung der Wanen, jener geheimnisvollen, uralten Erd- und Wassergötter, ist „Wanaheim“. Nach der Edda hat die Welt neun Reiche: drei unterirdische, drei irdische, drei himmlische. Im Innern der Erde verbergen sich „Niflheim“, das Land des Eises und der Toten. Ausserdem „Niflhel“, der tiefste Abgrund, in dem die Verbrecher und Meineidigen, die Lügner, Volksverräter und Rasseschänder ihre Strafe erleiden. Sowie „Schwarzalfenheim“, das Land der Schwarzelben, pechschwarzer, verwachsener Erdgeister, die so hässlich sind, dass es in der Edda heisst, es sei besser, sie nicht zu beschreiben.

Auf der Erde liegen das Menschenland „Midgard“, dann „Riesenheim“, das Land der Frost- und Reifriesen, und nahe dem Meere jenes „Wanaheim“, das Reich der Wanen.

Im Himmel breiten sich aus das Feuerland „Muspelheim“, „Lichtalfenheim“ und „Asgard“, das Land der Asen.

Vielleicht sind auch die Elben vorgermanische, wanische Wesen. Sie müssen einmal mächtiger gewesen sein, als sie später erscheinen, darauf deuten unsere Märchen hin. Wir haben nur wenige Hinweise in der Edda: „Elfenheim gaben dem Frey in Urtagen die Himmlischen als Zahngeschenk“ (Lokis Zankreden 35). Frey nennt in „Skirnirs Fahrt“ die Sonne „Elfenstrahl“ (alfrothull) und klagt darüber, dass niemand „von den Asen und Elfen“ (asa ok alfa) ihm zu seiner Liebe verhelfe. Unter den in Ägirs Halle versammelten „Asen und Elfen“ werden zwei mit Namen genannt, Byggwir und sein Weib Beyla; beide dienen dem Frey. In den „Sigrdrifa-Sprüchen“ 18 (Sigrdrifumal) wird von den Runen gesagt: Sie sind bei den Asen, sie sind bei den Elfen, einige sind bei den weisen Wanen, einige haben die irdischen Männer. Zwei bedeutende Göttergestalten sind offenbar elbischer Herkunft: Heimdall und Loki. Heimdall ist „hellhörig“, und er besitzt ein Nothorn, das Giallarhorn, das er bläst, wenn den Göttern Gefahr droht. Loki brachte einst den Menschen das Feuer, die Lohe, wie sein Name sagt. Er wird als „das Böse an sich“ dargestellt und dem Reinsten, dem Baldur – einem Asen – gegenübergestellt.

In der deutschen Überlieferung waren die Elfen zunächst mit dämonischen Zügen behaftet. Im 18. Jahrhundert aber wandelte sich die Vorstellung von ihnen in liebliche, vorwiegend weibliche Geister- und Zauberwesen. Dies wurde vor allem durch den Dichter Wieland, Shakespeares „Sommernachtstraum“ und das Märchen „Die Elfen“ von L.Tieck bewirkt. Heutige Vorstellungen von den Elfen können wir auf Münzen sehen. Nicht etwa in der Bundesrepublik, die vom Geist des Sinai durchdrungen ist und germanische Mythologie verachtet, sondern auf Münzen der Isle of Man. Die britische Künstlerin Cicely Mary Barker hat vier reizende Entwürfe von Elfen gefertigt, die verschiedene Silber- und Goldmünzen dieser alten, germanischen Insel schmücken.

Auf den frühesten südnorwegischen und südschwedischen Felszeichnungen, die noch vor Beginn der Bronzezeit angefertigt wurden, sieht man nicht nur Tiere und „Jagdzauber“, sondern auch anderes Religiöses: Tänzer, Beter, Lurenbläser, symbolische Schlangen, Bäume, Fussspuren, Sonnenräder, Liebespaare, sehr viele Schiffe, Krieger mit Äxten, einen Riesen mit einem Speer. Diese Abbildungen zeigen sicherlich Kulthandlungen, Fruchtbarkeitskulte, wie sie die wanenverehrenden Megalithiker in Gebrauch hatten. Die Schiffe weisen auf den wanischen Meergott Njörd hin, wohl auch auf das Totenschiff. Die Fussabdrücke erinnern an die Sage von Skadi, der zweiten Frau von Njörd und vielleicht auch an den Urriesen Ymir. Die Krieger mit den Äxten, überhaupt das Axtzeichen, weisen aber auch auf Donar-Thor hin, den Hammergott bzw. Axtgott, und der Riese mit dem Speer würde gut zu Tyr passen. Von Odin-Wotan finden wir auf den frühesten Felsbildern keine Spur (!), erst die viel später entstandenen Bilder zeigen Götter, die man bestimmt den Asen zurechnen muss. Leider bleibt ein gewisses Mass an Unsicherheit, ob diese frühen Wanen-Bilder, wenn es solche sind, von germanischen oder vorgermanischen Menschen in die Felsen eingeschliffen und eingemeisselt wurden.

Insgesamt gesehen sind die Wanengötter eine Gruppe ziemlich verwischter Gestalten im Gegensatz zu den Asen, die in der Edda recht deutlich beschrieben werden. Die Wanen sind in ihrem Wesen Fruchtbarkeitsgötter, die noch recht primitive, fast animalische Züge aufweisen: „Bei ihnen ist es Brauch, dass Brüder ihre Schwestern heiraten“, berichtet uns Snorri Sturluson. So hatte der Meergott und König der Wanen, Njörd, mit der Erdgöttin Nerthus, seiner ersten Gemahlin und Schwester, zwei herrliche Kinder gezeugt: Freyr und Freya. Solche Ehen wurden bei den asenverehrenden Germanen als blutschänderisch gebrandmarkt. In der Edda finden wir auch einen Hinweis darauf: „Hör auf, Njörd! Den Übermut lass! Heute verhehl‘ ich’s nicht: Mit deiner Schwester zeugtest du diesen Sohn (Freyr), wie es zu erwarten war (Lokis Zankreden 36).

Da Geschwisterehen bei den Germanen, ausser in ganz seltenen Ausnahmefällen, z.B. aus dynastischen Erwägungen, völlig ausgeschlossen waren, hat man in diesen Wanen-Ehen eine Erinnerung an eine uralte Rechtsordnung zu sehen vermeint, die solche Ehen gestattete. Man glaubte nämlich, diese Rechtsordnung sei kennzeichnend für die vor-indogermanische Bevölkerung – eine nicht bewiesene Vermutung, die im 19.Jahrhundert verbreitet war.

Die grosse Mutter

Eine wichtige Wanengöttin ist Nerthus, die Erdgöttin, die „grosse Mutter“. Noch heute reden wir von der „Mutter Natur“, aus deren Schoss wir stammen und zu der wir zurückkehren werden. Tacitus berichtet uns im 40. Kapitel seiner Germania :

„Die Reudinger, alsdann die Awionen, Angeln, Wariner, Eudosen, Swardonen und Nuitonen sind durch Flüsse und Wälder geschützt. Im einzelnen ist bei ihnen nichts Bemerkenswertes, ausser, dass sie gemeinsam die Nerthus, d.h. die Mutter Erde verehren und glauben, sie kümmere sich um die Angelegenheiten der Menschen und komme zu den Völkern gefahren. Auf einer Insel des Ozeans (Helgoland ??) ist ein heiliger Hain, in ihm ein geweihter Wagen, der mit Tuch überdeckt ist. Nur dem Ältesten ist es erlaubt, ihn zu berühren. Er merkt es, wenn die Göttin im Heiligtum anwesend ist, spannt dann Kühe an den Wagen und geleitet die Göttin mit grosser Ehrfurcht. Freudig sind jetzt die Tage, festlich geschmückt all die Orte, welche die Göttin ihrer Ankunft und ihres Besuchs würdigt. Man zieht nicht in den Krieg, greift nicht zu den Waffen. Weggeschlossen ist alles Eisen. Ruhe und Friede ist jetzt nur bekannt, jetzt nur geliebt, bis derselbe Älteste die Göttin, die des Verkehrs mit den Menschen müde ist, in das Heiligtum zurückbringt. Dann werden Fahrzeug und Decken und, wenn man es glauben will, die Gottheit selbst in einem verborgenen See abgewaschen. Dabei dienen Sklaven, die sofort derselbe See verschlingt. Daher herrscht ein geheimes Grauen, ein heiliges Dunkel, was das für ein Wesen sei, das nur Todgeweihte sehen.“

Njörd

Tacitus schildert uns die Frühlingsgottheit weiblich, als Göttin. In Skandinavien aber heisst diese Gottheit Njörd und sie ist immer männlich. Dabei kann es wohl kein Zufall sein, dass ein wichtiges Heiligtum Njörds gerade auf einer kleinen Insel vor der norwegischen Westküste liegt (Njördarlög oder Tysnes, wie die Insel heute heisst, am Eingang des Hardangerfjords). Offenbar wurde Njörd in Skandinavien viel verehrt. So gibt es eine norwegische Eidesformel, in der es heisst: „So helfe mir Njörd und Freyr und der mächtige Ase (Odin )!“

Wenn wir auf einer Karte von Skandinavien die Orte einzeichnen, die nach Njörd, seinem Sohn Freyr und seiner Tochter Freya benannt sind, so finden wir 35 Orte, die nach Njörd benannt wurden. Nach Freyr wurden 54 benannt und nach Freya wurden 89 Orte benannt. Diese Orte liegen ausnahmslos im ehemaligen Megalithikergebiet und ihre Lage zeigt deutlich die Ausbreitung des Wanenkults an. Nach den drei Wanen sind insgesamt mehr Orte benannt als nach allen Asengöttern zusammen (!), was die Bedeutung dieses Kultes nur unterstreicht.

Es ist eigenartig, dass neben Njörd eine „Schwester“ als seine Gemahlin erwähnt wird. Einige Gelehrte haben deshalb gemeint, Nerthus/Njörd sei ursprünglich ein zweigeschlechtliches Wesen gewesen. Die Gottheit, die über die Fruchtbarkeit herrscht, kann in der Tat beide Geschlechter in sich vereinigt haben, aber beweisbar ist das nicht.

Wahrscheinlich ist die Göttin Nerthus die ältere Gestalt. Sie dürfte wohl im norddeutschen Raum von den Megalithikern aus der „grossen Mutter“, der Erdgöttin, entwickelt worden sein und wurde mit deren Vordringen nach Skandinavien zur männlichen Gottheit namens Njörd umgeformt, die eindeutig jüngeren Ursprungs ist.

Und in der Tat findet der eben erwähnte Brauch, die Göttin Nerthus von einem nicht genannten männlichen Begleiter, dem Ältesten, geleiten zu lassen, in Skandinavien seine Entsprechung. In Schweden wurde zur damaligen Zeit im Frühjahr ebenfalls ein Wagen durch die Lande gefahren, auf dem aber eine Statue des Gottes Freyr (Sohn Njörds), des eigentlichen „Schwedengottes“, von einer nicht genannten weiblichen Ältesten begleitet wurde. Wo dieses Gefährt hinkam, ehrten es die Leute mit Opferschmäusen, brachten reiche Geschenke, Gold, Silber, schöne Gewänder und andere Kostbarkeiten.

Tacitus gibt sehr gut die Athmosphäre des Nerthus-Kultes in Germanien wieder: Begeisterung über die Ankunft der Göttin, welche das Wiederaufleben der Natur nach der Erstarrung des Winters ankündigt, Ehrfurcht vor der gewaltigen Macht, die dieses Wiederaufleben bewirkt.

Tacitus zählt sieben Völker auf, welche die Göttin Nerthus verehrten. Es sind dies die sogenannten „Nerthusvölker“, die allesamt zu den Ingwäonen (Nordgermanen) gehören. „Ing“ ist aber nur ein anderer Name für Freyr, den Stammvater der Inglinge, von denen sich jahrhundertelang die schwedischen Könige herleiteten. Ing galt den Nerthusvölkern als Sohn des Mannus, was soviel wie „der Mensch an sich“ oder „Urmensch“ bedeutet. Er ist der Sohn von Tuisto, der aus der Erde geboren ist. „So singen sie in alten Liedern“, sagt uns Tacitus. Dieser Mythus wurde lange Zeit nicht vergessen. Noch um 900 nach der Ztw. heisst es im altenglischen Runengedicht, „Ing ward zuerst unter den Ostdänen (Schweden) von den Männern gesehen, bis er darauf ostwärts über die Flut ging; der Wagen rollte nach.“

Befassen wir uns noch ein wenig mit Njörd, dem männlichen Gegenstück der Nerthus. Er gebietet dem Wind, dem Wetter und dem Feuer. Man ruft ihn an, um Reichtum, günstige Winde, Jagdbeute zu erhalten. Er wohnt im Himmel bei den Asen, obwohl er ein Wane ist, denn er ist eine der Geiseln, die Asen und Wanen am Ende des Asen-Wanen-Kampfes austauschten. Seine Wohnung heisst Noatun, was „Gehöft der Schiffe“ bedeutet, denn er ist der Gott des Meeres, der Seefahrt und des Fischfangs. Mit Nerthus, seiner ersten Frau zeugte er zwei Kinder, Freyr und Freya, von denen wir noch hören werden. Nerthus musste er verlassen als er als Geisel nach Asgard ging, denn sie ist ja seine Schwester, und Geschwisterehen widersprechen dem Gesetz, das in Asgard gilt.

Seine zweite Frau war Skadi, die Tochter des Riesen Thjazi. Und das kam so:

Die Göttin Iduna ist bekanntlich die Hüterin der Äpfel, die den Asen die ewige Jugend erhalten. Loki, das Böse an sich, lockte einst Iduna unter dem Vorwand, ihr noch kostbarere Äpfel zu zeigen, aus dem schützenden Asgard heraus. Dort wurde sie von dem Frostriesen Thjazi ergriffen und nach Jötunheim verschleppt. Den Asen bekam Idunas Verschwinden schlecht; ohne die lebenspendenden Äpfel wurden sie schnell grau und begannen zu altern. Sie zwangen daher Loki, Iduna zurückzuholen, was er mit Mühe zuwege brachte. Den Riesen Thjazi holten die Asen mit loderndem Feuer vom Himmel, als er in Adlergestalt Loki verfolgte. Seine Tochter Skadi kam daraufhin bewaffnet nach Asgard um den Tod ihres Vaters zu rächen. Die Asen boten ihr einen Vergleich an. Sie könne in Asgard bleiben und sich einen der dort wohnenden Götter zum Manne nehmen, allerdings dürfe sie bei der Auswahl nur die Füsse der Götter sehen. Skadi willigte ein, denn sie hatte ein Auge auf Balder geworfen, den schönsten der Götter. Da sah sie ein Paar ausnehmend schöner Mannesfüsse und sagte: „Diesen wähle ich! An Balder wird nichts Hässliches sein.“ Es war aber Njörd aus Noatun. Und so wurde Skadi die Gattin Njörds.

Diesen Mythus vom „Gott mit den schönen (grossen?) Füssen“ finden wir mehrfach auf den Felsbildern in Südschweden eingemeisselt.

Njörds grösste Lust ist es, dem Rauschen der Wogen und dem Gesang der Schwäne zuzuhören. Wenn Ägir, der wellenaufpeitschende Sturmwind, zu wild wird, dann genügt ein Wink des mächtigen Wanen, und die Fluten beruhigen sich. Njörd geht in meergrünem Gewande einher, Muscheln schmücken seinen Hut, seine schönen Füsse aber, die ihm Skadi gewannen, lässt er unbedeckt.

Freudig führte Njörd die Gattin in sein Schloss am Meeresufer. Doch Skadi, die den Wald und die Berge, weissen Schnee und glitzerndes Eis, wilde Tiere, die Jagd und den Schneeschuhlauf liebt, wurde nicht froh in Noatun. Sie hasste das Geschrei der Meeresvögel und das Brausen der Brandung. Da schlug ihr Njörd vor, dass sie beide abwechselnd neun Tage in seinem Reich und neun Tage in den Bergen verbringen sollten. Aber auch er litt Skadis Heimat nicht, das Heulen der Wölfe war ihm zuwider. Darum trennten sich die Gatten. Spìter heiratete Skadi den ritterlichen Wanengott Ullr aus Eibental und genoss an seiner Seite die Freuden, die Winter und Berge schenken.

Wie erwähnt, sind die Wanen vorgermanische Götter. Durch Funde und Berichte wird uns deutlich gezeigt, dass der Gedanke der Fruchtbarkeit von Pflanzen, Tieren und Menschen in den Wanengöttern, zum Beispiel bei Freyr, Ausdruck in einer sehr eindeutigen sexuellen Symbolik findet, ja man muss sagen, dass der Wanenkult häufig orgiastischen Charakter hatte. So wird Freyr’s Statue in Upsalla als „cum ingenti priapo“, mit aufgerichtetem Glied, beschrieben, also phallisch, wie die ältesten pfahlförmigen Götterfiguren und viele Felszeichnungen in Skandinavien ebenfalls zeigen. Diese Darstellungsweise ist dem Germanischen fremd.

Freyr

So wie Nerthus ein weibliches Gegenstück zu Njörd ist, so sehr gehören Freya und Freyr als Geschwisterpaar zusammen. Dies scheint ein sehr altes, indogermanisches, also vorgermanisches Element zu sein, denn in der frühen griechischen Mythologie sind Kronos und Rhea auch gleichzeitig Geschwister und Gatten, ebenso wie Zeus und Hera.

Njörds Kinder Freyr und Freya kamen ebenfalls als Geiseln nach Asgard. Freyr ist wohl eine verjüngte Form von Njörd. Auch ihm wirft Loki in seiner Zankrede (32) inzestuöse Beziehungen zu seiner Schwester vor. Aber genauso wie sein Vater, erhält auch Freyr nach seiner Schwester noch eine Riesentochter als Gattin zugewiesen, nur ist er es diesmal, der die Initiative ergreift. Das „Skirnirlied“ erzählt, wie Freyr sich in die schöne Riesentochter Gerd verliebte, und wie sein Diener Skirnir eine Reise antrat und für ihn um die Geliebte warb.

Freyr scheint hauptsächlich mitten im Winter, nämlich in der Julzeit verehrt worden zu sein. Allerorten wurde ihm geopfert um eine gute Ernte im folgenden Jahr zu erlangen. Freyr ist der Gott der Sonne und des himmlischen Lichtes. Sein Reittier ist Gullinbursti, der Eber mit den goldenen, weithin schimmernden Borsten, sein Fest das Julfest, die Wintersonnenwende. Lichtalfenheim, das Land der Lichtelben ist ihm untertan. Dieser menschenfreundliche Gott bringt die Wärme, die Fruchtbarkeit und den Frieden.

Eine angelsächsische Legende erzählt von Skeaf, der als schlafendes Kind in einem Boot an Schwedens Küste landete, von den Bewohnern als ein von Odin geschicktes Geschenk begrüsst und zum König gekrönt wurde. Als er nach einer gesegneten Regierungszeit starb, ward er, wie er sich das gewünscht hatte, wiederum in ein Schiff gelegt, das ihn in seine rätselhafte Heimat zurückbrachte. Dieser Skeaf und der Wanengott Freyr sind wohl ein und diesselbe Gestalt.

Die Edda singt im „Skirnirlied“ von Freyrs Liebe zu Gerda: Eines Tages hatte sich der Sonnengott auf Odins Thron gesetzt, wurde aber für diese Überheblichkeit hart gestraft. Denn von dort erblickte er ein Mädchen von so wunderbarer Schönheit, dass Luft und Land vom Schimmer ihrer weissen Arme widerschienen und der Gott von leidenschaftlicher Liebe zu ihr ergriffen wurde. Doch er fürchtete, dass er Gerda nie würde gewinnen können, weil sie die Tochter des Meeres- und Wolkenriesen Gymir war, eines hartherzigen und gewaltätigen Mannes. Darüber fiel er in Schwermut, und als sein Vater Njörd sah, dass Freyr vor lauter Kummer die Versammlung der Götter mied, sandte er Skirnir, Freyrs treuen Gefährten, aus, um nach dem Leid seines Sohnes zu forschen. Freyr gestand dem Freund seine Liebe. Da bat Skirnir den Gott um sein Ross und sein Schwert und zog aus, um Gerda zu werben. Aber das Haus, in dem Gerda wohnte, umzüngelte die Waberlohe, jedoch Freyrs Ross trug Skirnir durch die Flammen hindurch. Ein Donnerschlag dröhnte, das ganze Gebäude erbebte, als der Götterbote zu Gerda eintrat, doch er warb vergeblich um sie. Weder mit elf goldenen Äpfeln, noch mit dem herrlichen Odinsring Draupnir konnte er sie gewinnen. Erst als er drohte, ihren Vater zu töten und ihr selbst durch einen gewaltigen und furchtbaren Zauberfluch alles Lebensglück zu nehmen, fügte sich die Widerspenstige. Nach neun Nächten, so versprach sie dem Skirnir, wolle sie im Haine Barri, den noch nie eines Menschen Fuss betreten hatte, des Gottes warten. Endlos lang schienen Freyr diese neun Nächte, aber als sie vorüber waren, gewann er Gerda.

Doch sein Schwert erhielt er von Skirnir nicht zurück, und darum wird dem Friedensgott am Tage der Götterdämmerung seine Waffe fehlen !!!

Freya – Frigga – Syr – Menglöd

Freya, die Tochter Njörds, wurde, obgleich Wanin, im Glauben vieler germanischer Völker mit der himmlischen, asischen Frigga zu ein und derselben Gestalt verschmolzen. Sie erscheint uns unter mancherlei verschiedenen Namen. Ihr Urwesen aber ist das einer Erdgöttin, die mit dem Himmelsgott Odin vermählt die Welt lenkt, und wohl erst in späteren Zeiten hat man in ihr eine jungfräuliche Gottheit der Liebe und des Frühlings gesehen. In einer alten Sage heisst diese Göttin Syr, und es wird von ihr erzählt, sie habe keinem Mann ins Angesicht schauen wollen und sich selbst geschworen, nur dem ihre Hand zu geben, der sie dazu bewegen könne, ihre Augen zu ihm aufzuheben. Der weise Odur aber, hinter dem sich vielleicht kein Geringerer als Odin selbst verbarg, liebte Syr. Ein Riese raubte sie, Odur befreite das Mädchen, doch vergebens bat er um einen Dankesblick von ihr. Die Göttin geriet in die Gefangenschaft eines alten Waldweibes, dessen Ziegen sie hüten musste: wieder erlöste sie Odur, und wiederum verweigerte sie ihm einen freundlichen Blick. Da verliess er die Spröde. Das gefiel ihr aber garnicht. Halbnackt und hungrig kam sie zu dem Haus, in dem Odurs Mutter wohnte, und bat um Aufnahme. Die Mutter sah wohl, dass diese Bettlerin keine Geringgeborene war, und liess sie ein. Bald kam Odur und traf alle Vorbereitungen für ein Hochzeitsfest, das er aber mit einer anderen Frau feiern wollte, doch nur zum Schein. Bei dem Fest musste dann Syr eine Fackel tragen. Dabei bemerkte sie nicht, dass die Fackel heruntergebrannt war und ihr die Hand zu verbrennen drohte. Odur aber bat das Mädchen, sie möge ihre Hand schonen. Da blickte Syr endlich zu ihm auf, wurde seine Gattin und …

Der Rest der Sage ist uns nicht erhalten. Es scheint, dass Odur seine Frau eines Tages verliess, ohne zu sagen, wohin er gehe, und dass sie lange um ihn geweint hat. Sie machte sich schliesslich auf die Suche nach ihm und fand ihn in einem fernen südlichen Land wieder. Als die Blumen blühten und die Vögel sangen, kehrte sie mit ihm in die nordische Heimat zurück, als eine Göttin des wiederkehrenden Frühlings.

Man kann das vermuten, weil in der Edda eine ähnliche Sage zu lesen ist von der Heimkehr aus der Fremde. Da heisst Freya nicht Syr, sondern Menglöd, ihr Geliebter ist Swipdager, der Tagförderer. Menglöd erwartet ihren Bräutigam in einem Schloss, das von grimmigen Hunden bewacht wird und von Waberlohe umgeben ist. Da gewahrt ihr Wächter Fjölsvider, der Vielwisser, einen Fremdling, der sich der Burg nähert, und befiehlt ihm, sich zu entfernen. Doch der Wanderer fragt kühn, wie er in die Burg gelangen könne. „Die öffnet sich nur für Swipdager, den erwarteten Bräutigam“, erwidert Fjölsvider. Da gibt sich der Wanderer als der Erwartete zu erkennen. Freudig nimmt Menglöd ihn auf, und von nun an werden sich die Liebenden nie mehr trennen.

 

Die Asen – Götter der Germanen

Aus den Schnurkeramikern waren die Streitaxtleute, die fast rein nordischer Rasse zugehörten, hervorgegangen. Obwohl sie in ihrer Lebensweise und in ihrem kulturellen Ausdruck sehr viele Ähnlichkeiten mit den fälischen Grosssteingräberleuten zeigten, hatten sie einen anderen Götterhimmel als die Megalithiker entwickelt. Ihre Götter, die in der Edda „Die Asen“ genannt werden, können hier nicht ausführlich beschrieben werden, das gewaltige Gedankengebäude, das dieser Teil unserer Vorfahren errichtete, würde ganze Bände füllen. Um aber die Unterschiede zu den Wanengöttern aufzuzeigen, seien hier zusammenfassend einige Grundzüge des Asen – Glaubens beschrieben:

Ein ewig Weltbewegendes, das vor der Schöpfung da war und nach der Götterdämmerung noch da sein wird, das manchmal „Allvater“ heisst, doch eigentlich namenlos ist, von namenloser Grösse ist, lässt sich zwar nicht völlig erfassen, aber doch ahnend „schauen“. Dieses erste Bewegende liess die Welt aus dem Nichts werden und gab ihr ein Schicksal, das den Nornen bekannt ist. Es setzte auch die Götter ein. Diese leben zuerst in der Ur-Unschuld. Sie schaffen die Menschen, doch sind sie selbst von menschlicher Art, somit ein Traum des Menschen über seine eigene Begrenzung hinaus. Sie üben die ewige Gerechtigkeit. Sie leben in einem himmlischen Glück, das auch jenen Sterblichen zuteil wird, die es erkämpft und damit verdient haben. Es gibt in der Weltordnung eine Unterwelt, in der die Ruhmlosen zu Schatten verblassen, die Bösen gestraft werden. Und Strafe trifft endlich sogar die Götter selbst, weil sie geschworene Eide angeblich brachen. Sie gehen unter im Götterdämmerungskampf. Doch dieser bringt keine Vernichtung, sondern Erneuerung. So rundet sich der Schicksalskreislauf.

Unter den Göttern ist einer der grösste: Odin (Wotan). Er weiss unendlich viel, doch nicht alles. In seinem stetigen Suchen nach Wahrheit ist der mächtigste auch der menschlichste der Götter. Er ist König und wird Heerführer im letzten Kampf. Er ist Erfinder der Dichtkunst und wird zum Seher, der das eigene Ende schaut. Dieser sterblich-unsterbliche Held der Krieger und Dichter ist umgeben von anderen Gewaltigen, in deren Wesen sich die Schöpfung vielfach spiegelt. Neben Thor, dem Vorbild des kämpfenden Mannes, oder Freya, der Ur- und Erdmutter, stehen Loki, der An-sich-Böse, Baldur, der An-sich-Reine, oder Njörd, der Meeresgott, Skadi, die Berggöttin, Bragi, der Sänger, Forseti, der Richter, Heimdal, der Wächter, Hermodur, der Götterbote und Hödur, der Blinde. Neben Gedankengöttern, wie es die Raben Hugin und Munin, das heisst Rat und Gedächtnis, sind, leben Wassermädchen und Steinriesen. So gibt es, ähnlich wie in der griechischen Mythologie, Seelenwesen und Naturgeschöpfe, und es entsteht jenes vielgestaltige Bild göttlichen Lebens, das sich wie sein irdisches Spiegelbild in keine Formel fassen lässt.

Zwölf strahlende Schlösser haben sich die Asen in Asgard erbaut, eines für jeden der grossen Götter. Das schönste darunter heisst Gladsheim, das Glänzende. Gewaltige Speerschäfte bilden die Dachsparren dieses Schlosses. Es ist mit Schilden gedeckt und sein Inneres schmücken kunstvolle Waffen. In der Halle stehen zwölf goldene Hochsitze. Dieses Schloss heisst auch Walhalla, das heisst „Halle der Erwählten“, denn dort versammelt Odin alle Helden, die ruhmvoll im Einzelkampf gefallen sind: Die Einherier. Durch den Kuss der Walküren wurden sie zum ewigen Leben wiedererweckt und von Frigga selbst mit dem Willkommenstrunk empfangen.

Tyr nimmt die anderen Edlen, die zwar nicht im Einzelkampf, doch ebenfalls im Kampf um das Gute gefallen sind, in sein Schloss Folkwang. Thor geleitet die Freien in seine Burg Thrudheim, das Vaterland der Kraft. Auch in Asgards Gefilden üben sich die Helden täglich im Kampf, denn der Tag der Götterdämmerung wird kommen, an dem die Asen aller Streiter bedürfen. An jedem Morgen ziehen sie zum Gefecht aus und lassen nicht ab, bis ein jeder von Ihnen tödlich verwundet ist. Dann aber erwachen sie zu neuem Leben und versammeln sich zu frohem Mahl in den festlichen Himmelshallen.

Das göttliche Sein und Werden wird ergänzt durch die Heldensagen. Der nie ganz gelöste Zusammenhang zwischen Götter- und Menschenwelt lehrt den Germanen, beide Welten besser zu verstehen. Berichtet wird von den Tugenden, von Treue und Tapferkeit, durch die Helden und Heldinnen Unsterblichkeit gewinnen, freilich auch von Verbrechern und Rachetaten, die sich durch ihre ungeheuerliche Unmenschlichkeit dem Gedächtnis der Menschen einprägten. Wundervolle Werbungssagen erzählen von leidenschaftlicher Liebe, und oft findet solche Liebe himmlischen Lohn. Es gibt im Glauben der Germanen einen Ort, an dem Liebende, die das Leben getrennt hat, ein ewiges Glück finden.

So ungefähr lässt sich in grossen Zügen das Bild des Asen – Glaubens umreissen, einer Religion, in der die Natur und das Menschliche vergöttlicht werden und die ewigen Fragen nach Anfang und Ende, nach Recht und Unrecht, nach Tod und Unsterblichkeit zu beantworten versucht werden. Im Gegensatz zum Wanenkult, der mehr das Handgreifliche, Sichtbare und Erlebbare zum Gegenstand seines Glaubens hat, findet im germanischen Asenglauben eine vorwiegend geistige Auseinandersetzung mit den uns umgebenden Mächten statt.




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