Die Gesichter der Flutkatastrophe: „Ich weiß nicht, wie ich den Winter überstehen soll“

Die Gesichter der Flutkatastrophe: „Ich weiß nicht, wie ich den Winter überstehen soll“

wolf
Bild: FOCUS Online

Verzweiflung im Ahrtal

Die Flutkatastrophe im Westen hat die ganze BRD tief schockiert. Doch nur wenige Wochen nach diesem Jahrhundertereignis drohen die Menschen, denen die Katastrophe alles nahm, in Vergessenheit zu geraten. Damit dies nicht geschieht und damit die Menschen eine Stimme haben, berichten unsere Flutreporter für FOCUS Online aus einem neuen Büro im Ahrtal.

181 Tote, mehr als 700 Verletzte, Tausende zerstörte Häuser und Sachschäden in Milliardenhöhe. Die Hochwasserkatastrophe im Westen der Bundesrepublik hat weite Teile der Landschaft und viele Orte zerstört. Auch mehr als sieben Wochen danach ist vor allem das Ahrtal immer noch Krisengebiet.

Unzählige menschliche Schicksale stecken hinter diesen Sätzen. Die Menschen stehen unter Schock, während sie versuchen, ihre Heimat wieder lebenswert zu machen.

Doch kurz vor der BRD-Bundestagwahl beherrschen andere Themen die Schlagzeilen, die Tragödie gerät langsam in Vergessenheit. Dabei gibt es noch so viel zu tun.

Die Flutreporter - da sein, berichten, helfen

FOCUS Online hat deshalb mit einem großen Reporter-Team ein Büro im Ahrtal eröffnet. Wir wollen erzählen, was die Menschen jetzt brauchen -  persönlich, emotional, konstruktiv. Indem wir beständig über die Sorgen, aber auch den Mut und die Zuversicht der Menschen berichten, wollen wir zeigen, wie die Katastrophenregion wieder aufgebaut wird. [...]

Margot Sonntag: „Die Leute an der Ahr haben Angst, allein gelassen zu werden“

Margot Sonntag findet für die Notsituation der Menschen klare Worte: „Die Leute an der Ahr haben Angst, allein gelassen zu werden. Sie haben Angst, daß keine Hilfe mehr kommt und sie im Herbst und Winter allein hier im Katastrophengebiet stehen.

Margot Sonntag leitete die zerstörte Kita St. Hildegard in Ahrweiler.

Ralf Wirtz: „Der Staat sollte auch wirklich für den Bürger da sein“

Die Betroffenen haben in dieser anhaltenden Notsituation ganz klare Forderungen an die Regierung. Ralf Wirtz aus Bad Neuenahr-Ahrweiler fühlt sich von der Politik allein gelassen: „Der Staat sollte auch wirklich für den Bürger da sein und zeigen: Wir können so viel Geld für andere Projekte locker machen. Dann tun wir das auch hier in der Region.“

Ralf Wirtz fühlt sich von der Politik allein gelassen

Janet Hölzenbein: „Sobald es hier stark regnet, fangen Kinder an zu weinen“

Jedoch hat die Hochwasserkatastrophe nicht nur die Infrastruktur zerstört, sondern die Bewohner schwer traumatisiert - egal aus welcher Generation. „Sobald es hier stark regnet, fangen Kinder an zu weinen“, schildert die Kindergärtnerin Janet Hölzenbein aus Bad Neuenahr-Ahrweiler.

Die Kindergärtnerinnen (v.l.n.r.) Astrid Heinen, Alica Kirsch, Nadine Sonntag, Janet Hölzenbein erzählen von den Folgen der Flut für die Kinder.

Daniel Hempen: „Man hat schon das Gefühl hier im Ahrtal, daß man vergessen wird“

Durch die Flut sind die neuen Renovierungen des Hotels von Daniel Hempen komplett zunichte gemacht worden. Ihn plagt momentan vor allem eine Sorge: „Man hat schon das Gefühl im Ahrtal hier, dass man vergessen wird.“

Foto: FOL/Jeschina

Nadine Meisen: „Ich habe mich wie in einem schlechten Katastrophenfilm gefühlt“

Noch immer sind die Dimensionen der Jahrhundertflut unbegreiflich. Nadine Meisen findet jedoch die Worte, um die dramatischen Stunden zu schildern: „Es war krass. Hier sah es aus wie am Meer. Die Wellen schwappten gegen die Häuser.“ Die junge Mayschosserin kann das Erlebte noch gar nicht fassen: „Überall waren Hubschrauber, ich habe mich wie in einem schlechten Katastrophenfilm gefühlt – aber es war real.“

Nadine Meisen hat die Flutnacht in Mayschoss miterlebt.

Sven Kassner: „Es ist mir eine Herzensangelegenheit zu helfen. Aber es wird noch sehr lange dauern.“

Auch die älteren Menschen wurden hart von der Flut getroffen. Sven Kassner, ein Helfer des Deutschen Roten Kreuz, erzählt: „Eine 86-Jährige lag eingenässt in ihrer zerstörten Wohnung, von allein konnte sie nicht mehr aufstehen. Nachdem wir ihr halfen, haben wir ihr ein Kurbelradio geschenkt. Sie hat sich gefreut wie ein kleines Kind. Es ist mir eine Herzensangelegenheit zu helfen. Aber es wird noch sehr lange dauern“, sagt Kassner.

Er kam aus der bayerischen Oberpfalz zum Helfen ins Flutgebiet. Als einer der ersten versorgte er das abgeschnittene Dorf Mayschoss mit Strom, es waren heftige Bilder: „Eine 13-jährige hat uns im verwüsteten Dorf angesprochen: Sie habe Hunger und seit drei Tagen nichts mehr gegessen.“

DRK-Helfer Sven Kassner bei DRK-Aktion in Bad Neuenahr-Ahrweiler.

Uschi und Heinz Jenniges: „Das war noch schlimmer als im Krieg“

Das Ehepaar Uschi und Heinz Jenniges aus Weilerswist hat Schreckliches erlebt. „Alles ist in den Fluten untergegangen, wir haben nur noch unsere Klamotten am Leib und unser Leben“ berichtet Uschi. Ihr Ehemann Heinz findet nur drastische Worte, um die Jahrhundertkatastrophe zu beschreiben: „Das war noch schlimmer als im Krieg.“

Heinz und Uschi Jenniges: aus den Fluten gerettet.

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Quelle: https://m.focus.de/perspektiven/flutreporter/verzweiflung-im-ahrtal-die-gesichter-der-flutkatastrophe_id_20913330.html


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