Die Geschichte Telegrams

Die Geschichte Telegrams

Jasper

Wer kennt eigentlich die Menschen hinter Telegram? Viele Menschen haltenTelegram für Unsicher oder unseriös, da sie nicht die Gründer hinter Telegram kennen. Oder weil sich ihr Wissen darauf beschränkt, dass der Gründer und Besitzer Pavel Durov aus St Petersburg in Russland kommt.

Es gibt die Geschichte vom Telegram, das nicht automatisch Ende-zu-Ende verschlüsselt ist. Es gibt die Geschichte vom "Russen", dem Telegram gehört - und warum, so habe ich es häufig gehört, "sollte ich lieber den Russen als Amerikanern meine Daten anvertrauen". Es gibt die Geschichte des untransparenten Unternehmens, von denen, die es ja "eh nicht besser machen als WhatsApp". Von dem unbekannten Firmenstandort und den fehlenden Hinweisen auf Einnahmen und Ausgaben des Unternehmens. Doch das ist es, worauf man sich beschränkt. Ließt man einen kritischen Artikel, zum Beispiel zum Thema "WhatsApp-Alternativen", so beschränken sich die Informationen meist auf das oben genannte. Auf die Fagen. Aber wer hat sich einmal über die Antworten informiert? Wer kann Telegram wirklich beurteilen? Dieser Artikel beschäftigt sich mit Telegrams Sicht der Dinge, dem Hintergrund und der Geschichte eines der größten und aufstrebendsten Messengerunternehmens der Welt.

Pavel Durov 2013 - Quelle: Tech Crunch (techcrunch.com)

Nicht jeder, der in Russland geboren wurde, ist ein Freund des Kremls. Und wer nachforscht wird bemerken, dass das besonders auf Pavel Durov zutrifft. Pavel Durov wurde am 10. Oktober 1984 in St Petersburg geboren. Pavel Durov gründete 2006 das soziale Netzwerk vkontakte, "VK". Der originale Titel вк steht für "in Kontakt". Das Geschäftsmodell bestand darin ein soziales Netzwerk im Stil von Facebook zu kreieren, der Plan ging auf und das soziale Netzwerk ist das Größte europäischen Ursprungs, mit mehreren hundert millionen Nutzern. Pavel und sein Bruder Nikolai Durov, der als Mathematiker internationale Anerkennung gewann, arbeiteten zusammen an dem sozialen Netzwerk und sollten auch später alle Projekte gemeinsam durchführen. Doch als während der Wahlen 2011 Gruppen der Opposition Proteste und Versammlungen über VK organisierte, weigerte sich Durov Daten an den russischen Geheimdienst zu liefern. Er weigerte sich bereits lange erfolgreich gegen das, was wahrscheinlich viele russische, US Amerikanische und Firmen anderer Länder hinnehmen müssen: das Herausgeben der Nutzerdaten. Ab diesem Moment, auch nachdem er an einigen Protesten gegen die Festnahme oppositioneller Politiker durch das russische Regime nach den Wahlen 2011 teilgenommen hatte, war er dem Kreml ein Dorn im Auge.

Der Regierungsfreundliche Konzern Mail.ru machte 2012 erste Versuche VK aufzukaufen, woraufhin Pavel Durov als Antwort ein Foto von ihm in seinem Büro mit erhobenem Mittelfinger postete. Am 1. April 2014 erklärte Pavel Durov seinen Rücktritt aus VK, nur um später zu erklären es sei ein Aprilscherz gewesen. Am 16. April weigerte er sich öffentlich Daten über ukrainische Protestler an den russischen Geheimdienst herauszugeben und Alexej Nawalnijs Seite auf VK zu sperren. Am 21. April wurde Pavel Durov sein Posten als CEO aberkannt. Die näheren Umstände sind umstritten. Durov selbst erklärte später, das Unternehmen sei effektiv von Wladimir Putins politischen Verbündeten übernommen worden.

Kurz darauf verließ Pavel Durov Russland. Er habe keine Pläne nach Russland zurückzukehren, es sei nicht kompatibel mit dem Internetgeschäft im Moment, sagte er. Er beschloss, dass das Exil gesünder für ihn sei.

Nach VK

Pavel Durov verließ Russland sofort, mit einem Vermögen von nach eigenen Angaben $300 Millionen. Er bezeichnete sich jetzt als "digitaler Nomade" und reiste von einem Staat in den anderen, auf der Suche nach den besten Konditionen. Doch nach seinen Erlebnissen mit VK hatte er gelernt und traf bei seinem neuen Projekt "Telegram" weitere Vorsichtsmaßnahmen.

Zum Beispiel hat er es seitdem peinlichst genau vermieden von irgendeinem Staat beeinflusst oder abhängig zu werden. Berlin, die Stadt in der Telegram zuerst seinen Sitz hatte, verließ er schnell wieder. Er probierte verschiedene Länder aus und landete schließlich in Dubai, wo Telegram heute sitzt. Doch das auch nur auf Zeit, wie er verlauten ließ. Dubai hätte jedoch auch durch die Steuervergünstigungen seine Vorteile, verriet er ungefragt in einem der seltenen Interviews kurz nach Telegrams Umzug 2017. Doch politisch sieht er eher ein Problem, was Frauenrechte angeht oder wenn jemand Schwein essen möchte, er geht jedoch im Interview nicht näher darauf ein. Da er selbst Vegetarier ist, wird ihn wohl letzteres auch wenig stören. Man kann sagen, dass Pavel Durov eine Art Misstrauen von jeglicher Art von Institution entwickelt hat.

Doch nicht nur der Standort von Durovs neuem Projekt ist entscheidend, sondern auch das Team. Außer Pavel und Nikolai Durov sind kaum weitere Mitarbeiter von Telegram bekannt, laut Pavel Durov auch, weil es sich bei vielen von ihnen selbst um Millionäre handelt, die sich eher ehrenamtlich um Telegram kümmern. Doch wie entscheidend diese Strategie dabei ist, Telegram sicher zu halten stellte sich bereits heraus, als sich das Telegram-Team eine Woche in den USA aufhielt und nach angaben Telegrams ein Mitarbeiter vom FBI dazu gedrängt wurde, eine Hintertür in Telegram einzubauen. Erfolglos.

Sicherheit?

Im Iran ist Telegram der meistbenutzte Messengerdienst, mit einem gigantischen Marktanteil. Dank seiner hohen Sicherheitsstandards, die unter anderem auf der Internetseite des Unternehmens beworben werden, gehört Telegram auch international mit weit über 200 Millionen Nutzern zu den "Big Playern". Doch viele Experten haben Zweifel an diesen Standards - häufig auch zu Recht. Es stimmt, dass Telegram nicht automatisch Ende-zu-Ende verschlüsselt ist. Für die Funktion müssen erst seperate Chats angelegt werden. Auch, dass Telegram der sicherste Messengerdienst der Welt ist, ist zu bezweifeln. Diesen Titel könnte wohl eher Signal verdienen. Doch das Telegram um Einiges sicherer ist als WhatsApp und sich auch kräftig darum bemüht, daran gibt es kaum Zweifel.

Wer auf WhatsApp einen Chat mit Ende-zu-Ende Verschlüsselung öffnet erhält diese gewöhnlich auch. Während dieser Art der Verschlüsselung werden die Nachrichten nicht auf den Servern WhatsApps gespeichert und sind vom Sender bis zum Empfänger verschlüsselt, nur sie beide haben die Möglichkeit den Inhalt der Nachricht zu entschlüsseln und zu lesen. Bis dahin ist es eine gängige Methode, die bis heute als Sicher gilt. Nicht nur WhatsApps Ende-zu-Ende verschlüsselte Chats funktionieren so, auch Signal und Telegrams Ende-zu-Ende Chats funktionieren so. Doch jetzt kommt der Entscheidende Unterschied: WhatsApp bietet seinen Nutzern die Möglichkeit den Chatverlauf in der Google- oder Applecloud zu speichern. Und zwar auch Ende-zu-Ende Chats. Die Nachrichten, die also erst aufwendig verschlüsselt versendet wurden, landen nun doch auf Servern. Der Grund ist natürlich einfach: denn geht das Handy verloren, so lassen sich alle Nachrichten einfach aus der Cloud wiederherstellen. Doch für einen potenziellen Hacker liegen die Nachrichten unverschlüsselt auf Googles und Apples Serverfarmen.

Wer nun den Schluss zieht die Sache sei erledigt, wenn er nur die automatische Speicherung ausschaltet, hat die Tragweite nicht verstanden: denn egal ob ich selber meine Nachrichten nicht automatisch speichern lasse: wenn mein Gegenüber sie speichert landet trotzdem alles in der Cloud. Da die Mehrheit aller WhatsApp-Nutzer diese Speicherfunktion nutzt, wird wahrscheinlich nahezu jeder Ende-zu-Ende verschlüsselte Chat am Ende doch auf einem Server landen.

Aber wie soll man das dann verhindern? Der Signal-Messenger bietet keine solche Speicherfunktion, Telegram genauso. Doch die beiden Messenger sind unterschiedliche Wege gegangen.

Signal Messenger hat alle jemals verschickten Nachrichten Ende-zu-Ende verschlüsselt. Das birgt jedoch folgende Nachteile:

  1. Es ist nicht möglich mit mehreren Geräten zu schreiben. Denn es kann schließlich nur ein Ende/Anfang geben.
  2. Es ist nicht möglich Chats bei Geräteverlust wiederherzustellen
  3. Es kommt manchmal zu "Verschlüsselungsfehlern" (vermutlich ein Fehler, der speziell Signal betrifft) - dadurch werden Nachrichten manchmal nicht verschickt

Telegram bietet nur die Möglichkeit für seperate, per Ende-zu-Ende Verschlüsselung verschlüsselte Chats, die genauso funktionieren wie ein Signal-Chat. Diese Chats können nicht gespeichert werden. Bei normalen Chats muss man Telegrams Aussagen vertrauen: denn laut Telegram wird für normale Chats ebenfalls alles vom Versender bis zum Empfänger verschlüsselt, alle Nachrichten werden jedoch in der Mitte auf Telegrams Servern gespeichert. Laut Telegram sind ihre Server, die den Niederlanden liegen, lokal verschlüsselt und es ist nach heutigem Stand nicht möglich die Nachrichten zu entschlüsseln. Zumindest solange man nicht den Code zum Entschlüsseln hat, also eins der beiden Geräte am Anfang und am Ende der Verschlüsselung besitzt.

Für alle, die jetzt noch zweifeln, bietet Telegram die Krönung: denn für denjenigen, der den Entwicklern einen entscheidenden Hinweis auf eine Sicherheitslücke gibt, bietet Telegram ein Preisgeld von 300.000$. Bisher wurde der Preis erst einmal ausgezahlt, damals betrug er nur 100.000$, der Gewinn wurde in der Zwischenzeit angehoben. Daten hat Telegram nach eigenen Ausgaben in der gesamten Firmengeschichte noch nie verloren.

$$$

Was bleibt ist die Frage nach dem Geld. Und sie ist und bleibt ein Mysterium. "Wir planen 2017 einen kleinen Gewinn zu machen", sagte Pavel Durov Anfang 2017. In den FAQs steht, Pavel Durov bezahle Telegram aus seinen Ersparnissen, die das ja immerhin erlauben würden. Aber wie lange soll das so gehen? Sollte sich eine Möglichkeit finden, Geld zu verdienen ohne Daten der User zu nutzen, würde man die Nutzen. Geld würde aber niemals das Hauptziel Telegrams werden. Werbung ist sowieso tabu.

Durov schlug Kaufangebote über viele Milliarden aus und kommentierte die neu eingeführte Werbung auf WhatsApp damit, dass dies das Ergebnis sei, wenn man seine Firma verkaufe. Ein bissiger Kommentar an den WhatsApp Gründer, der obwohl er sich lange Zeit weigerte WhatsApp zu verkaufen, Facebooks Angebot über 14 Milliarden nicht ausschlagen konnte. Man könnte das Kommentar aber auch als weiteres Zeichen auf Durovs Furcht verstehen, nach VK nun auch Telegram zu verlieren.

Telegrams Pläne für die Monetarisierung nehmen mittlerweile Gestalt an, was man als positive Entwicklung werten könnte: TON Labs - Telegram Open Network wurde 2017 von Pavel Durov als von Telegram unabhängiges Unternehmen gegründet. Es entwickelte eine Cryptowährung zum Bezahlen via Telegram: den Gram. Der Gram unterscheidet sich maßgeblich von anderen Cryptowährungen wie Bitcoin und Ethereum, da die Spekulation und hohe Preisschwankungen unterbunden werden soll. Laut anfänglich veröffentlichten Plänen wird TON Labs (Telegram) über 50% der verfügbaren Grams behalten und so die Funkttion einer regulierenden Zentralbank einnehmen. Wenn wie geplant Ende 2019 alle 200 Millionen Nutzer eine eigene "Wallet"   erhalten, wird es also tatsächlich möglich sein mit Gram zu bezahlen, ohne Gefahr zu laufen, dass sich der Wert der Währung innerhalb von Minuten halbiert. Eine solche Währung bietet zahlreiche Möglichkeiten Geld auf eine verhältnismäßig Nutzerfreundliche Art zu verdienen.

Zu hoffen ist nur, dass Pavel Durov sein Wort hält: seine "Garantie auf Lebenszeit", dass er Telegram niemals verkaufen wird.

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