Der Planet als Backofen

Der Planet als Backofen

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von Tim Radford

Außerdem wird der Anstieg steiler als üblich verlaufen, zum Teil wegen der verheerenden Buschfeuer in Australien, warnen die Wissenschaftler (1).

Ihre Warnung erinnert daran, dass die globale Erwärmung und der Klimawandel ihre eigenen positiven Rückkopplungen erzeugen: Immer zahlreichere und katastrophalere Waldbrände geben mehr Kohlendioxid an die Atmosphäre ab, was dazu beiträgt, die Temperaturen zu erhöhen, Dürren und Hitzeextreme zu verstärken und die Bedingungen für noch katastrophalere Waldbrände zu schaffen (2).

Die Nachricht ist: Der Anteil des Treibhausgases in der Atmosphäre wird in den kommenden 11 Monaten mit 417 ppm, parts per million, seinen Höhepunkt erreichen, sich aber im Durchschnitt auf knapp über 414 ppm einpendeln. Dies entspricht einem prognostizierten Anstieg von 10 Prozent gegenüber dem Vorjahr, ein Fünftel davon lässt sich auf brennende Eukalyptusbäume in New South Wales zurückführen (3).

Wissenschaftler, die sich mit der Erdatmosphäre beschäftigen, begannen 1958 damit, die CO2-Konzentrationen in der Atmosphäre genauestens zu erfassen. Während des größten Teils der Menschheitsgeschichte — bis zur industriellen Revolution und der massenhaften Ausbeutung von Kohle, Öl und Gas — lag der Durchschnitt bei maximal 285 ppm.

Diese Warnung erfolgte unmittelbar nach einer Ansprache des US-amerikanischen Präsidenten Trump, der zuvor im schweizerischen Davos behauptet hatte, der Klimawandel sei ein Schwindel. Er forderte das Weltwirtschaftsforum, WEF, auf, diejenigen zu ignorieren, die er als „Untergangspropheten“ abtat (4). Trump wandte sich damit an eine Organisation, die erst vor kurzem ihre eigene Warnung herausgegeben hatte, wonach die „ernsthaften Bedrohungen unseres Klimas“ alle identifizierten Langzeitrisiken der modernen Welt umfassen (5).

Der Global Risks Report des WEF warnte vor extremen Wetterereignissen mit großen Schäden an Immobilien und Infrastruktur sowie dem Verlust von Menschenleben.

Er wies auch auf andere Gefahren hin, unter anderem auf das Versagen der Regierungen und der Industrie, den Klimawandel abzuschwächen oder sich ihm anzupassen, auf vom Menschen verursachte Umweltschäden und auf den Verlust der biologischen Vielfalt sowie den Kollaps von Ökosystemen, die alle untrennbar mit der Klimakrise verbunden sind (6).

Selbst die fünfte Gruppe der genannten globalen Risiken wäre umweltbedingt: Dazu gehören Erdbeben, Tsunamis, Vulkanausbrüche und geomagnetische Stürme.

Und, so das WEF, die Zeit, sich mit diesen Bedrohungen auseinanderzusetzen, werde immer knapper. „Die politische Landschaft ist polarisiert, der Meeresspiegel steigt und die Klimafeuer brennen. Dies ist das Jahr, in dem die führenden Politiker der Welt mit allen Bereichen der Gesellschaft zusammenarbeiten müssen, um unsere Systeme der Kooperation zu reparieren und zu stärken, nicht nur zum kurzfristigen Nutzen, sondern um unsere tief verwurzelten Risiken zu bekämpfen“, sagte Borge Brende, Präsident des WEF.

Und als das WEF seine eigenen, mit Untergangssignalen beladenen Warnungen herausgab, bestätigten Wissenschaftler zweier großer US-Forschungsagenturen diese Befürchtungen. Die Raumfahrtbehörde NASA und die US National Oceanic and Atmospheric Administration untersuchten ihre eigenen Datensätze. Danach erklärten sie 2019 zum zweitwärmsten Jahr seit Beginn der globalen Aufzeichnungen und bestätigten, dass das gerade zu Ende gegangene Jahrzehnt auch das wärmste seit Beginn der Aufzeichnungen war (7).

Unaufhörlicher Anstieg

„Jedes Jahrzehnt seit den 1960er Jahren war wärmer als das davor“, sagte Gavin Schmidt vom Goddard-Institut für Weltraumstudien (8).

Das britische Amt für Weltraumforschung stimmte auf der Grundlage eines weiteren Datensatzes zu, dass 2019 1,05 °C über dem Durchschnitt des größten Teils der Menschheitsgeschichte lag und dass die letzten fünf Jahre die wärmsten seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1850 waren (9).

Und nur wenige Tage zuvor hatten chinesische Wissenschaftler die Temperatur der Weltmeere gemessen und festgestellt, dass sie so warm waren wie zu keinem Zeitpunkt in der Geschichte der Menschheit. Die letzten 10 Jahre waren das wärmste Jahrzehnt der weltweiten Ozeantemperaturen überhaupt.

Im Jahr 2019, so schreiben sie in der Zeitschrift Advances in Atmospheric Sciences, hatte eine Partnerschaft von 14 Forschern aus weltweit 11 Instituten die Temperatur von der Oberfläche bis in eine Tiefe von 2000 Metern gemessen und festgestellt, dass der globale Ozean — 70 Prozent des Planeten sind mit blauem Wasser bedeckt — nun im Durchschnitt 0,075 °C wärmer ist als zwischen 1981 und 2010 (10). Gemessen in den Grundeinheiten der Wärmeenergie bedeutet dies, dass die Meere 228.000.000.000.000.000.000.000.000 Joule Wärme aufgenommen haben.

100 Sekunden bis Mitternacht

„Das sind in der Tat eine Menge Nullen. Um es leichter verständlich zu machen, habe ich eine Berechnung durchgeführt“, sagte Lijing Cheng von der Chinesischen Akademie der Wissenschaften, der die Studie leitete (11).

„Die Wärmemenge, die wir in den letzten 25 Jahren in die Weltmeere eingebracht haben, entspricht 3,6 Milliarden Atombombenexplosionen von Hiroshima. Die gemessene Erwärmung der Ozeane ist unwiderlegbar und ein weiterer Beweis für die globale Erwärmung. Es gibt keine plausiblen Erklärungen außer anthropogen bedingter Emissionen wärmespeichernder Gase, um diese Erwärmung zu erklären.“

Am 23. Januar gab das Bulletin of the Atomic Scientists bekannt, dass es zur Veranschaulichung der Apokalypse die Zeiger seiner symbolischen Weltuntergangsuhr auf 100 Sekunden vor Mitternacht gestellt hat — so nah standen sie noch nie (12).

Der Grund dafür? „Die Menschheit sieht sich weiterhin zwei gleichzeitigen existenziellen Gefahren ausgesetzt — dem Atomkrieg und dem Klimawandel, die durch einen Bedrohungsmultiplikator, einen cybergestützten Informationskrieg, der die Reaktionsfähigkeit der Gesellschaft untergräbt, noch verstärkt werden“, sagen die Wissenschaftler.


Quellen und Anmerkungen:

(1) https://www.metoffice.gov.uk/about-us/press-office/news/weather-and-climate/2020/2020-global-co2-forecast
(2) https://climatenewsnetwork.net/half-a-degree-may-make-heat-impact-far-worse/
(3) https://climatenewsnetwork.net/australia-ablaze-up-close-and-in-your-face/
(4) https://www.bbc.com/news/world-europe-51189430
(5) https://www.weforum.org/press/2020/01/burning-planet-climate-fires-and-political-flame-wars-rage/
(6) https://www.weforum.org/reports/the-global-risks-report-2020
(7) https://www.eurekalert.org/pub_releases/2020-01/nsfc-nna011520.php
(8) https://www.giss.nasa.gov/staff/gschmidt/
(9) https://www.metoffice.gov.uk/about-us/press-office/news/weather-and-climate/2020/confirmation-that-2019-concludes-warmest-decade-on-record
(10) https://link.springer.com/article/10.1007%2Fs00376-020-9283-7
(11) https://www.researchgate.net/profile/Lijing_Cheng
(12) https://thebulletin.org/doomsday-clock/current-time/

Redaktionelle Anmerkung: Dieser Text erschien zuerst unter dem Titel "2020 starts with the plain prospect of rising heat.“. Er wurde von Ullrich Mies übersetzt und vom ehrenamtlichen Rubikon-Korrektoratsteam lektoriert.

Source www.rubikon.news

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