Brandstifter beim Löschen

Brandstifter beim Löschen

Tierarzt Dirk Schrader

Jahresrückblick 2023 – BRD Wirtschaft. Rutsch in die Bedeutungslosigkeit. 

Von Klaus Fischer 

Egal, welche Zahlen das Statistische Bundesamt im Frühjahr verkündet: Deutschland steckt in der Krise. Die nach nominalem Bruttoinlandsprodukt noch viertgrößte Volkswirtschaft der Welt ist 2023 nicht gewachsen, sondern geschrumpft. Etwa um ein halbes Prozent im Vergleich zu 2022. Das klingt nicht schlimm, auch wenn die zirka 20 Milliarden Euro keine Peanuts sind. Sie werden im Haushalt ebenso fehlen wie das verfassungswidrige Sondervermögen. 

Eine „kleine Rezession in Krisenzeiten sei kein Beinbruch“, hieß lange von Ökonomen und „Leitmedien“. Doch es gibt Anzeichen dafür, dass es sich nicht um eine „Konjunkturdelle“ handelt. Das Zurückgehen der Wirtschaftsleistung 2023 könnte der Beginn einer Rutschpartie in die ökonomische Bedeutungslosigkeit sein. Erscheinungen, an denen man dies festmachen kann, findet man ohne Mühe. Nur ist Ursachenforschung in Zeiten grassierender Realitätsflucht nicht gern gesehen. 

Manche fragen sogar: Krise – welche Krise? Deutschlands Börsenindex Dax hat Mitte Dezember die Marke von 17.000 Punkten übertroffen. Ein Allzeithoch, raunten Kommentatoren bewundernd. Wenn die 40 wichtigsten börsennotierten Unternehmen der BRD sich vor zufließendem Kapital kaum retten können, müssen doch die Basisbedingungen mehr als in Ordnung sein, könnte man meinen . Allerdings sind die aktuellen Aktivitäten der Spekulanten kein Maßstab für eine solide Konjunktur, sondern eher Ausdruck wachsender Angst. 

In der Krise nimmt Deutschland einen besonderen Platz ein. Hier ist seit einiger Zeit nicht das private Kapital Hauptakteur des gesellschaftlichen Reproduktionsprozesses, sondern der Staat. Eigentlich sorgt der dafür, dass Produktivkräfte gestärkt, Verwertungsbedingungen verbessert werden und vor allem die Eigentumsverhältnisse unangetastet bleiben. Stattdessen schraubt das Politestablishment an den Produktionsverhältnissen und verschlechtert damit die Konkurrenzfähigkeit der Wirtschaft. Deren Höhenflüge in den zurückliegenden Jahren gingen – neben den global verzerrten Austauschbeziehungen (Terms of Trade) – hauptsächlich auf die leistungsstarke exportorientierte Industrie zurück. 

Deutschlands „Wettbewerbsfähigkeit“ ist objektiv durch zwei Entscheidungen gefährdet: Für die „Energiewende“ soll die Nutzung fossiler Brennstoffe nach kurzen Übergangsfristen verboten werden, obwohl bisher adäquater Ersatz fehlt. 

Und weil das anscheinend noch nicht genug Nachteile für die Industrie in der neben China, Japan und Südkorea wichtigsten „Werkstatt“ der Welt mit sich brachte, wird seit Anfang 2022 auch noch Krieg gegen Russland geführt – was mit „Unterstützung der Ukraine“ umschrieben wird. Die Gas- und Ölkäufe zu günstigen Konditionen wurden ausgesetzt, russisches Eigentum konfisziert, eine Unmenge Sanktionen gegen gegen das Feindesland und dessen wichtigste Akteure verhängt. Die Terrorattacke auf die Nord-Stream-Pipeline indes wird politisch schlicht ignoriert. 

Kanzler Olaf Scholz behauptete im Herbst, das Land durch den Winter 2022/2023 gebracht zu haben, sei einer der herausragenden Erfolge seiner Regierung. Das klingt, als wolle ein Brandstifter gelobt werden, weil er beim Löschen hilft. 

Scholz erwähnt nicht, dass durch das Leerkaufen der globalen Gasmärkte (die Lieferungen aus Russland mussten ja ersetzt werden) die Preise explodiert waren. Die aus ihrem künstlichen Koma erwachte Inflation war eines der bemerkenswertesten Resultate dieser Politik. 

Unabhängig von Glaubensbekenntnissen gilt: Ohne günstige Energiepreise ist keine Industrie auf den vernetzten Weltmärkten konkurrenzfähig. Und im Vergleich zu den meisten konkurrierenden Standorten haben sich die Bedingungen in Deutschland verschlechtert. Von den acht wirtschaftlich stärksten Staaten des Westens haben laut Prognose des Internationalen Währungsfonds im vergangenen Jahr sieben zugelegt. Nur Deutschland hat den Anschluss verloren. Da stellt sich auch Nichtökonomen die Frage: Was ist los mit dem Zugpferd (und Goldesel) der EU? 

Die Antworten darauf fallen – je nach Interessenlage – unterschiedlich aus. Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, bekannt als „die Wirtschaftsweisen“, sprach in seinem Herbstgutachten von strukturellen Schwächen. Genannt wurden zu wenig Investitionen und ein zunehmender Bedarf an Arbeitskräften. Die Professoren beschrieben Erscheinungen – und blendeten Ursachen aus. Beispiel: Ihr Gejammer über Fachkräftemangel ist nicht neu. Nur, wo sollen die herkommen? Gut ein Drittel jedes Jahrgangs studiert. 2021 zählten die Bundesstatistiker mehr als doppelt so viele Studenten (2,9 Millionen) wie Auszubildende (1,3 Millionen). Auf zehn angehende Akademiker kamen lediglich vier Azubis. Und ohne Facharbeiter läuft nichts in der Wirtschaft.



 

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