Am Ende der Druschba - Schwedt ohne russisches Öl - COMPACT

Am Ende der Druschba - Schwedt ohne russisches Öl - COMPACT

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Die PCK-Raffinerie in Schwedt soll von Russlands Öl abgeschnitten werden. Grünen-Minister Habeck macht dem Werk Zukunftsversprechen. Doch Arbeiter und Stadtbewohner sehen sich in ihrer Existenz gefährdet. Nicht nur für sie hätte ein Ausfall gravierende Folgen.

Es folgt ein Auszug aus dem Artikel «Am Ende der Druschba», den Sie in der aktuellen COMPACT 6/2022 vollständig lesen können – hier bestellen

_ von Paul Klemm

«Da ist unsere Titanic», sagt mir der Taxifahrer nachts auf dem Weg zum Hotel. Vor uns funkeln die tausenden Lichter der Erdölraffinerie von Schwedt. Mit seinen Scheinwerfern, seinen Schornsteinen und glühenden Öfen erinnert das PCK wirklich an den berühmten Riesendampfer. Oder an die futuristische Metropole im Film Blade Runner von 1982, deren Silhouette sich ähnlich titanisch auftürmt. Circa 20 Kilometer misst das Werksgelände in seinem Umfang, was es tatsächlich beinahe zu einer Stadt in der Stadt macht.

«Sind Sie sicher, dass Sie deutsche Interessen vertreten?» Hausburg zu Habeck

Über 3.000 Arbeiter bevölkern dieses Reich aus Rohren, Tanks und Schloten. Durchflossen wird es vom Erdöl, das die weltweit längste Pipeline – Druschba, auf Deutsch «Freundschaft» – seit 1964 aus Sibirien in die Uckermark liefert. Mein Fahrer hat mit seinem Vergleich aber auch insofern recht, als dass die Raffinerie wie einst das britische Passagierschiff ihrem Untergang entgegensteuert. Denn von deutsch-russischer Freundschaft ist unter der Ampel-Regierung nur noch ein Trümmerhaufen übrig geblieben.

Tanz auf dem Tisch

Am Abend des 9. Mai rollt der schwarze Dienstwagen von Vizekanzler Habeck durch das PCK-Eingangstor. Im Tank schwappt aller Wahrscheinlichkeit nach Treibstoff aus Schwedt – das Werk versorgt Berlin und Brandenburg zu 95 Prozent mit Benzin, Diesel, Kerosin und Heizöl. Eine Woche zuvor hat sich die Stadt in einem offenen Brief an den Grünen-Politiker gewandt.

Laut dem Schreiben sei man «völlig fassungslos» über dessen Ankündigung gewesen, ein Öl-Embargo gegen Moskau durchdrücken zu wollen. Schließlich ist die Druschba so etwas wie die Lebensversicherung des Ortes, jeder zweite Job hängt hier an der Verarbeitung des schwarzen Goldes. Wo um Himmels willen sollte man in absehbarer Zeit Öl in derselben Menge und vergleichbarer Zusammensetzung herbekommen? Zumal das PCK mehrheitlich dem russischen Staatskonzern Rosneft gehört.

PCK-Ingenieur Jörg Hausburg liebt seinen Job. Für Habecks Embargo-Pläne sieht er Schwarz. Foto: Autor

Es sind Fragen, die der Minister bei einem Treffen mit der Belegschaft beantworten will. Annekathrin Hoppe, Schwedts Bürgermeisterin, macht ein zerknirschtes Gesicht, als sie kurz vor dem Habeck-Auftritt von Reportern umringt nach den Konsequenzen eines Embargos gefragt wird. «Wir brauchen Summen in Milliardenhöhe», seufzt sie.

Die Sorge um ihre Stadt hat sich in Form dunkler Ringe unter ihre Augen gegraben. Als Parteilose wurde sie 2021 ins Rathaus gewählt, trat dann aber in die SPD ein und muss den Regierungskurs nun wohl oder übel mittragen. Im Gegensatz zu ihr macht der Wirtschaftsminister an diesem Tag einen frischen Eindruck. Ohne Krawatte, dafür mit hochgekrempelten Hemdsärmeln klettert er kurzerhand auf einen Tisch der Werkskantine und redet in klarer, gut verständlicher Sprache zu der versammelten Arbeiterschaft.

Er verkündet: «Wir brauchen Schwedt, wir brauchen Ihre Produktion und Ihre Arbeit, um die Versorgungssicherheit in Deutschland herzustellen.» Von seiner Entscheidung, der Druschba den Hahn abzudrehen, rückt er jedoch nicht ab. Er habe mit Unternehmen gesprochen, «die die Verbindung, über den Seeweg sicherstellen könnten». So könne das Rohöl auf dem Weltmarkt eingekauft und vom Rostocker Hafen nach Brandenburg gepumpt werden.

«Stirbt die Raffinerie, dann stirbt auch die Region.» Demo-Motto

Doch Habecks Publikum in den typischen grün-orangenen Monteuranzügen weiß um die massiven Probleme, die dabei auftreten werden. Entsprechend verhalten ist der Applaus. Und umso härter die Fragerunde. Eine Frau mit schwarzem Haar und tätowierten Armen spricht den Politiker auf eine ganze Reihe von Schwierigkeiten an, ehe sie ihn eindringlich an seinen Eid erinnert, Schaden vom deutschen Volk abzuwenden. Lautes Klatschen und Jubelrufe sind da zu hören. Ein anderer fragt den Vizekanzler, ob er sicher sei, dass er mit seiner Sanktionspolitik deutsche Interessen vertrete. Auch er bekommt starken Beifall.

Zukunft am Tropf

Ich treffe den Kritiker zwei Tage später zwischen Kiefern und Sanddünen in den Müllerbergen am Stadtrand. Der schlanke Mann mit Brille heißt Jörg Hausburg und die Arbeit im PCK ist sein Traumjob. Als Betriebsingenieur hütet der 51-Jährige gleich drei wichtige Anlagen. Aus seiner Sicht sind Habecks Planspiele alles andere als realistisch. Die Raffinerie, eine der technisch gesehen komplexesten Deutschlands, gründe sich in ihrer gesamten Konstruktion auf die spezielle chemische Beschaffenheit des Druschba-Öls.

Und selbst wenn man die, so der Vorschlag des Ministers, durch Mischung anderer Öle nachbilden könnte, wäre das Hauptproblem noch lange nicht gelöst: die fehlende Menge. Denn die von Rostock kommende Pipeline, durch die das Ersatzöl fließen soll, ist viel kleiner als die Druschba. Es würden lediglich 50 Prozent des bisherigen Volumens hindurchpassen, was auch alle Anlagen am Limit laufen ließe. Wenn deren Leistung die Minimalgrenze unterschreitet, drohe die ganze Anlage zusammenzubrechen.

Öl-Eldorado: Die Raffinerie Schwedt versorgt große Teile Deutschlands mit Kraftstoff. Foto: Autor

«50 Prozent ist total unwirtschaftlich», so der Ingenieur, «kein normaler Betreiber würde das Werk dann aus ökonomischer Sicht weiterführen können, weil es einfach keinen Gewinn mehr abwirft.» Die Bundesregierung arbeitet deshalb daran, die Fehlmenge mit polnischer Hilfe über den Danziger Hafen in die Druschba einspeisen zu können. Doch die Polen werden einen Teufel tun, solange Rosneft der Eigentümer ist. Die einzig mögliche Lösung wäre die kalte Enteignung des russischen Unternehmens. Mit Milliardenhilfen vom Bund müsste das PCK dann notbeatmet werden. Bis zu dem Punkt, an dem die grünen Klimaziele seine totale Abschaltung erfordern.

(…)

Grüne Maschinenstürmer

Melancholie mit Plattenbau: Nach der Wende zogen viele junge Menschen weg. Nur das PCK ließ die Region nicht völlig aussterben. Foto: Autor

Ähnlich sieht es auch Peggy Lindemann, die 43-jährige Betriebsrätin, die den Minister unter dem Jubel ihrer Kollegen dazu aufrief, seinen Amtseid zu erfüllen. Die dreifache Mutter ist so etwas wie die gute Seele der Belegschaft, eine echte «Schwedter Göre», wie sie selbst sagt. Sie redet viel und schnell in einem Dialekt, den sie «Kanaldeutsch» nennt – ein nicht besonders eleganter, aber sympathischer Mix aus Berliner Schnauze und der Mundart der in den 1960er Jahren zugezogenen sächsischen Arbeiter. Auch dank des leidenschaftlichen Einsatzes ihrer Großmutter erhielt sie nach der Schule eine Lehrstelle als Chemikantin in der Raffinerie. «Ditt war unfassbar», erzählt sie. Denn das PCK war schon immer mehr als eine simple Fabrik. Es war der ganze Stolz und das neue wirtschaftliche Herz des im Weltkrieg stark zerstörten Städtchens. So wie sich die Proletarier der Krupp-Werke selbstbewusst als «Kruppianer» verstanden, grüßen sich die «PCKler» bis heute, wenn sie einander auf der Straße begegnen.

Dementsprechend beherzt verteidigt Peggy Lindemann ihren Betrieb gegen Angriffe von außen. Als im März Greenpeace-Aktivisten die Werkseinfahrt belagerten, habe ein vorbeifahrender Freund sie bereits vorgewarnt: «Junge Peggy, da hängen solche Artisten bei dir am Tor!» Sie sei dann auf die Klimaschützer regelrecht losgegangen: «Wie seid ihr denn hergekommen?! Seid ihr auf ’nem Esel hergeritten oder watt?» Auch auf die Blockierer der «Letzten Generation», die die Pipeline schon mehrfach sabotiert haben, ist die resolute Gewerkschafterin nicht gut zu sprechen. Während Aktionen der Öko-Radikalen regelmäßig stattfinden können, wurde eine Demonstration für das Werk unter dem Motto «Stirbt die Raffinerie, dann stirbt auch die Region» gar nicht erst zugelassen. (…) Ende des Auszugs.

Diesen Artikel können Sie vollständig in COMPACT-Magazin 06/2022 lesen. Diese Ausgabe können Sie in digitaler oder gedruckter Form hier bestellen.

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