Gaza

Gaza

https://a.devs.today/https://www.bibelwissenschaft.de/ressourcen/wibilex/altes-testament/gaza


Andere Schreibweise: Gasa





„Gaza“ (dt. auch „Gasa“; arabisch‎‎ Ġazzah und hebräisch עַזָּה ‘Azzāh) von der westsemitischen Wurzel ‘zz „stark, gewaltig, tapfer“ ist akkadisch âl ḫa-za-ti und âl az-za-ti in der El-Amarna-Korrespondenz (→ Amarnabriefe; um 1340 v. Chr.) und später belegt. Ägyptisch kommt dieselbe Form ab den Annalen → Thutmose III. (18. Dynastie, um 1440 v. Chr.) als Gdt (GꜢ-dꜢ-tj; Variante: Qdt; QꜢ-dꜢ-tj) vor. Daneben wird Gaza als Sitz der ägyptischen Provinzverwaltung für Kanaan häufig als PꜢ-Kn‘n, wörtl. „Der (von) Kanaan“ bezeichnet. Die Form muss nicht als Verkürzung von pꜢ-dmj (n) Kn‘n, „die Stadt von Kanaan“ erklärt werden, sondern verwendet den genitivischen Artikel pꜢ- und umschreibt Gaza als „die Stadt (Hauptstadt) von Kanaan“ oder „Kanaan-Stadt“. Daraus ist sekundär die grammatikalisch nicht konforme Verwendung von PꜢ-Kn‘n auch für die Provinz als Ganze entstanden (dann: „das Kanaan“), während der Provinzname in der Regel ohne Artikel auskommt (Kn‘n). Noch im späten 10., 9. oder 8. Jh. v. Chr. (22./23. Dyn.) weist die Statue eines Pa-di-Isis (Padieset) diesen als ägyptischen Gesandten für oder aus PꜢ-Kn‘n n-Plst, „Kanaan-Stadt von Philistien“ aus.




Über die o.g. ägyptische Form (Gdt / Qdt) ist wohl die Wiedergabe bei Herodot (Hist. 2,159; 3,5; Text gr. und lat. Autoren) als Καδύτις Kadytis herzuleiten. In der → Septuaginta, wie auch sonst allgemein, ist griechisch Γάζα Gaza gebräuchlich, syrisch(-aramäisch) ‘Azâ, lateinisch Gaza, in der Kreuzfahrerzeit auch Gaderis oder Gadres.



2. Biblische Überlieferung

Häufig wird Gaza im Alten Testament im Kontext seiner geographischen Lage im südwestlichen Randbereich des Landes thematisiert. So schon Gen 10,19 als Grenzstadt der Kanaaniter: „[…] von → Sidon […] bis Gaza“. In „einzelnen Dörfern (ba-ḥăṣērîm) bis nach Gaza hin“ waren nach Dtn 2,23 die schwer einzuordnenden → Awiter (‘awwîm) ansässig, als sie von den „Kaftoritern (kaftorîm), die aus → Kaftor ausgewandert waren“ vernichtet und ersetzt wurden. Damit dürften → Philister gemeint sein, in deren Ansiedlungsgebiet im südlichen Küstenbereich Gaza zusammen mit → Gat, → Ekron, → Aschdod und → Askalon zu den fünf Zentren (→ Pentapolis) gehört (Jos 13,3; vgl. 1Sam 6,17). Auch → Anakiter blieben vom Genozid (ḥēræm) durch → Josua „nur in Gaza, Gat und Aschdod“ verschont (Jos 11,22; vgl. Jos 10,41; Jer 47,5). Jos 15,47 reiht Gaza mit der Pentapolis in die Städteliste der Judäer ein („Gaza mit ihren Tochterstädten [bәnôtǽhā] und Gehöften [ḥǎṣērǽhā] bis zum Grenzbach Ägyptens und zum großen Meer mit dem Küstengebiet“), das sie aber nach Ri 1,18 mit Askalon und Ekron ausdrücklich nicht erobern konnten (so LXX; im masoretischen Text fehlt hier die Verneinung, was aber Ri 1,19 widerspräche). Später wird der Herrschaftsbereich → Salomos als ausgedehnt „von Tifsach (einer Eufrat-Furt) bis Gaza“ beschrieben (1Kön 5,4).



Die zentrale Bedeutung Gazas als Machtzentrum der Philister wird in den Erzählungen um den Helden → Simson aus dem Stamm Dan (→ Stämme Israels) reflektiert (Ri 13-16, bes. Ri 16,1-3.23-30). Ein sicherlich als besonders eindrucksvoll bekanntes Stadttor von Gaza wird in der kurzen Episode Ri 16,1-3 zu einem der ikonischen Requisiten von Simsons Herkulesarbeiten, indem dieser den Schutzmechanismus der mächtigen Stadt (vgl. oben „1. Name“) sabotiert (vgl. auch 1Makk 11,61; Amarna-Brief EA 296; s. unten 4.1.), nachdem er sie schon ostentativ bloßgestellt hatte. Immerhin war der meistgesuchte Gegner der Philister bereits ungehindert nach Gaza gelangt und hatte sich dort mit einer Dirne vergnügt.






Eine noch spektakulärere Rolle spielen dann die beiden Mittelsäulen im Zentralpalast, also das Herz des Machtzentrums von Israels Erzfeind, gegen die Simson sich stemmt und als Selbstmordattentäter eine noch „größere Zahl (an Männern und Frauen), als die, die er während seines Lebens getötet hatte“ zur Strecke bringt, wie triumphierend resümiert wird (Ri 16,30). Das Bauwerk, bezeichnet als hab-bajit, „das Haus“, wird als riesiger Palast mit überhöhtem Fassungsvermögen („Das Haus war voll von Männern und Frauen; alle Fürsten der Philister waren da und auf dem Flachdach saßen etwa dreitausend Männer und Frauen“, Ri 16,27) und Tempel zugleich dargestellt: mit dem Freudenfest über die Gefangenname Simsons wird ein Opfer für → Dagon dargebracht (Ri 16,23), der hier als Hauptgott Gazas und der Philister eingeführt wird (vgl. den Tempel des Dagon auch in Aschdod, 1Sam 5; 1Makk 10,84). Dieser semitische Fruchtbarkeitsgott (vgl. hebräisch dāgān, „Getreide“?) wurde vielleicht mit einer ehemaligen und für uns nicht mehr greifbaren Hauptgottheit der Philister gleichgesetzt.




Als → Hiskia die Philister „bis Gaza und den Umkreis (gəvûlêhā) dieser Stadt“ schlug (2Kön 18,8), wird wieder ein Bauwerk als Landmarke genannt und erneut die Stärke der Stadt betont: „vom Wachtturm (migdal nôṣrîm) bis zur befestigten Stadt (‘îr mivṣār)“.



2.3. Prophezeiungen über Gaza




In der Aufzählung der Länder und Fürsten, über die in Jer 25 der Becher des Zorns ausgegossen wird, folgen auf Jerusalem und Juda, Ägypten und das Land → Uz „alle Könige des Philisterlandes, Askalon, Gaza, Ekron und den Rest von Aschdod“ (Jer 25,20). Noch vor Askalon wird Gaza genannt, wenn Jer 47 den Philistern die Vernichtung durch Pharao vorhergesagt wird: „Kahlscheren wird sich Gaza, Askalon wird verstummen“ (Jer 47,5). Ob mit dem Trauerritus des Kahlscherens hier auch noch auf das Schicksal Simsons (Ri 16,17ff) angespielt wird?




Amos kündigt nach Aram-Damaskus sogleich Gaza die Zerstörung durch Feuer an (Am 1,6f), während in Zef 2 die Liste der Nachbarvölker, die am Tag des Zorns des Herrn (Zef 2,3) gerichtet werden, und die immerhin mit → Assur und → Ninive kulminiert, nun sogar von Gaza angeführt wird: „Gaza (‘Azzāh) wird verlassen (‘ǎzûvāh) sein“ und das ganze Philisterland „dem Rest des Hauses Juda“ zufallen (Zef 2,4-7). Dass hier Kanaan (Kəna‘an) als Synonym zum Land der Philister (’æræṣ pəlištîm) gebraucht wird, mag eine Reflexion des ägyptischen Sprachgebrauchs für Gaza (vgl. oben „1. Name“) sein.




Wie schon Gen 10,19, Am 1,9f und besonders Jer 47,4 wird das als gegen Israel gerichtete Bündnis Gazas und der Philister mit den nördlich gelegenen Küstenstädten der Phönizier, → Tyrus und Sidon, von → Sacharja thematisiert, wenn er deren Zerstörung als Ankündigung auch für das Ende der Philisterstädte einführt: „Askalon soll es sehen und sich fürchten, auch Gaza, und sie sollen gewaltig zittern, auch Ekron. Denn er lässt dahinschwinden, wonach sie Ausschau hielten. Verschwunden ist der König aus Gaza […]“ (Sach 9,5). Hier wird zugleich das Ende paganer Essgewohnheiten („Blut [also nicht-blutentleertes Fleisch] aus ihrem Mund und das, was ich verabscheue aus ihren Zähnen“; Sach 9,7) angekündigt und die Eingliederung des verbliebenen, aber nun gefahr- und bedeutungslosen Restes der Philister in das, was „unserem Gott zu eigen ist“ beschrieben. Gaza und das Philistergebiet sollen demnach mit dem Ende der philistäischen Geschichte im Siedlungs- und Herrschaftsbereich Judas aufgehen, was aber der Realität in nachexilischer Zeit nicht entspricht.




Im 1. Makkabäerbuch ist vom Versuch des Hasmonäers → Jonatan die Rede, Gaza einzunehmen, und wieder von den (verschlossenen) Toren der Stadt. Die Belagerung endete mit dem Abschluss eines Vertrages (1Makk 11,61f).



2.4. Gaza in der Apostelgeschichte




In neutestamentlicher Zeit lag Gaza außerhalb der Provinz Judäa und wird weder in den Evangelien, noch in den Briefen erwähnt. Lediglich in der Apostelgeschichte findet sich die „Straße, die von Jerusalem nach Gaza hinabführt“ (Apg 8,26). Sie dient als Wegbeschreibung in der Episode um die Bekehrung des Kämmerers der Kandake, der „Königin von Äthiopien“, durch Philippus (Apg 8,26-40). Den Philippusbrunnen zeigt eine ältere Tradition an der Ain el-Dhirwe-Quelle in Halhul nahe → Hebron, eine jüngere an der Ain Haniye-Quelle im Refaïmtal, südwestlich von Jerusalem. Auf dem Weg von Jerusalem nach Ägypten (und dann weiter nach „Äthiopien“ – damit ist Meroë im heutigen Sudan gemeint) ist Gaza, wie schon seit Jahrtausenden, die wichtigste Wegstation im Grenzbereich. Nach einer lokalen Tradition der einheimischen Christen lag Gaza natürlich auch auf dem Weg der Heiligen Familie auf der Flucht nach Ägypten.



3. Lage und Lokalisierung


Als einzige Stadt der philistäischen Pentapolis blieb Gaza kontinuierlich besiedelt, so dass die antike Stadt unter der historischen Bebauung der Altstadt zu suchen ist und der archäologischen Erschließung weitgehend entzogen bleibt. Deren ausgedehnte, hügelige Erhebung im Umfang von etwa 750 x 750 m, in der sonst überwiegend flachen Küstenebene, markiert den Tell Ḥarūbe (hebr. Tel ‘Azzah; Koordinaten: 0995.1015; N 31° 30ʹ 15ʺ, E 34° 27ʹ 51ʺ), mit der Großen Moschee (s. unten) am höchsten Punkt (49 m üNN). Lediglich an dessen Nordhang konnten 1922 durch den Palestine Exploration Fund unter William J. Pythian-Adams Sondierungsgrabungen durchgeführt werden. Sie brachten eine Abfolge von fünf Stadtmauern zu Tage, die von der Spätbronzezeit (um 1500 v. Chr.) bis in hellenistische Zeit datiert wurden.




An der vier Kilometer entfernten Küste wurden Reste der in römischer Zeit blühenden Hafenstadt Gazas, die Maiumas genannt wurde, identifiziert, so eine 1965 von der ägyptischen Altertümerverwaltung entdeckte und 1967-1976 durch die israelische Altertümerverwaltung unter Asher Ovadiah erschlossene Synagoge aus dem 6. Jahrhundert n. Chr. mit Handwerkerviertel und Wohnhäusern. Eine zweite hellenistisch-römisch-byzantinische Satellitenstadt Gazas, Anthedon / Agrippias, liegt ebenfalls an der Küste drei Kilometer weiter nördlich (al-Blakhiyah [Liblakhiyeh] beim Flüchtlingslager ash-Shati). Dort führte von 1995 bis 2005 die Palästinensische Altertümerverwaltung zusammen mit der französischen École biblique et archéologique von Jerusalem unter Moain Sadeq und Jean-Baptiste Humbert Grabungen durch, die auch eisenzeitliche Befestigungen erfassten.




Sechs Kilometer südlich der Altstadt, nahe dem Wadi Ghazzah (hebr. Nahal ha-Besor), liegen nebeneinander der Tell Sakan und der Tell el-‘Aǧǧûl (→ Tell el-‘Aǧǧūl; Koordinaten: 0934.0976; N 31° 28' 03'', E 34° 24' 15''). Während auf dem Tell Sakan ein palästinensisch-französisches Team unter Moain Sadeq und Pierre de Miroschedji ab 1999 eine frühbronzezeitliche, stark ägyptisch geprägte Siedlung ergrub, wurde auf dem Tell el-‘Aǧǧûl schon 1930-1934 im Auftrag der British School of Archaeology in Egypt durch W.M. Flinders Petrie und 1938 durch E.H. Mackay und M.A. Murray gegraben. Dabei wurde eine bedeutende, ägyptisch beeinflusste Stadt der Mittleren und Späten Bronzezeit erfasst. Erneuerte Grabungen auf dem Tell el-‘Aǧǧûl wurden 1999 und 2000 von einem palästinensisch-schwedischen Team unter Moain Sadeq und Peter M. Fischer durchgeführt.





Read Next page

Report Page