Gaza

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Weil griechische und römische Quellen von Alt-Gaza (παλαία Γάζα palaia Gaza) und Neu-Gaza (νέα Γάζα nea Gaza, auch νεάπολις neapolis, „Neustadt“) sprechen, vermutete Petrie am Tell el-‘Aǧǧûl das vorhellenistische Gaza und publizierte die Grabungsberichte unter dem Titel „Ancient Gaza“. Die Differenzierung dürfte aber eher auf die Bedeutungsverschiebung der Stadt hin zur Küste (Maiumas als „neues Gaza“) Bezug nehmen, und die Lage des alten Gaza auf dem Tell Ḥarūbe (heutige Altstadt) gilt inzwischen als gesichert. Für die Identifizierung von Tell el-‘Aǧǧûl (arab. „Kälberhügel“) wurde Bet-‘Aglajim (hebr. „Ort der beiden Kälber“) aus dem Onomastikon des Eusebius (48,19: Βηθαγλαίμ Bēthaglaim; Onomastikon) vorgeschlagen, sowie, mit einiger Wahrscheinlichkeit, die in ägyptischen Quellen bedeutende Stadt Scharuhen (vgl. Jos 19,6), für die aber auch der 20 km landeinwärts gelegene Tell el-Fār‘a (Süd) (→ Tell el-Fār‘a (Süd); Koordinaten: 1006.0770; N 31° 16' 56'', E 34° 28' 57'') beansprucht wird.


4.1. Ägyptische Herrschaft




Obwohl Gaza das Ende des schon im 3. Jahrtausend für Ägypten bedeutsamen sog. Horuswegs, entlang der Nordküste der Sinaihalbinsel, markiert, ist die Stadt weder archäologisch noch in historischen Quellen vor der Spätbronzezeit bezeugt. Als Thutmose III. 1457 v. Chr. auf dem Weg zur bedeutenden Schlacht bei → Megiddo die ägyptische Vorherrschaft über Kanaan begründet, erwähnt er in seinen Annalen im Amuntempel von Karnak als erstes „die Stadt, die der Herrscher eingenommen hat: Gaza (Gdt)“.







Gaza bildet nun gleichsam den Eckstein für die Ausdehnung und den Erhalt des ägyptischen Machtbereichs in Syro-Palästina. Als besonders bedeutsam für die Aufrechterhaltung der Sicherheit werden in der Amarna-Korrespondenz (Mitte 14. Jh. v. Chr.) die Stadttore von Gaza und von → Jaffa erwähnt (EA 296). Die Darstellung von Gaza auf Reliefs Sethosʼ I. (frühes 13. Jh. v. Chr.) in Karnak ist allerdings ohne realitätsbezogenen Abbildungswert. Bei den turmartigen Festungen für kanaanäische Städte handelt es sich um standardisierte Bild-Icons. Eine historische Aussage wird mit dem Kampf gegen Schasu-Beduinen (→ Schasu) außerhalb der Stadt verbunden sein, die Stadt selbst musste aber nicht nochmals erobert werden.




Aus der späten 19. Dynastie (um 1200 v. Chr.) ist ein Fest für die einheimische Göttin „Anat von Gaza“ belegt (Ostrakon Michaelides Nr. 85). Wenig später, unter → Ramses III., wird ein ägyptischer Tempel in Gaza beschrieben, der der Verehrung des Reichsgottes Amun geweiht war (Pap. Harris I.). Aus ägyptischer Sicht muss es sich um einen für die ganze Provinz bestimmenden und zentralen Tempel gehandelt haben, denn ägyptische Tempelbauten mit entsprechender Architektur zur Verehrung ägyptischer Gottheiten sind sonst in kanaanäischen Orten nirgendwo belegt und waren auch nicht intendiert (Ausnahme: → Byblos). Zumindest für die näher gelegenen Ortslagen im südlichen Palästina diente der Amuntempel auch als Empfänger für Erntesteuerabgaben an die ramessidische Verwaltung, wie wir aus zahlreichen hieratisch beschrifteten Votivschalen aus der Region erschließen können. Auf ihnen wird für die aus dem Dominanz- und Unterwerfungsverhältnis resultierenden Zwangsabgaben der semitische Begriff brjt (hebr. bәrît „Bund“; → Bund) verwendet.



4.2. Gaza als Philisterstadt






Ein Skarabäus aus der ersten Hälfte des 12. Jh.s v. Chr. wird als möglicher Beleg für die fortgesetzte Verehrung des Amun-Kultbildes von Gaza durch einen lokalen Stadtfürsten gedeutet, der ikonographisch als Philister identifiziert werden kann. Die früher gängige These, wonach der südliche Küstenraum Palästinas den Philistern nach der Abwehr der Seevölkerbedrohung (→ Seevölker) Ägyptens durch Ramses III. gezielt zugewiesen worden wäre, ist inzwischen umstritten. Jedenfalls ist ab dem 11. Jh. v. Chr. die mit vielen Einflüssen aus dem ägäischen Raum, aus Zypern und aus Anatolien durchsetzte Kultur der Philister in dem von der Bibel als „Pentapolis“ (s. oben) beschriebenen Raum, aber auch weiter nördlich (Tell Qasīle; Koordinaten: 1307.1676; N 32° 06' 05'', E 34° 47' 37'') greifbar. Anders als für Gat, das im 8. Jh. v. Chr. unter judäische Herrschaft fiel, lässt sich für Gaza während der gesamten Eisenzeit keine Eroberung oder gar Besiedlung durch Israeliten belegen.



4.3. Assyrische, babylonische und persische Hegemonie








Für die expandierenden → Assyrer wurde Gaza, nun in umgekehrter Stoßrichtung, zum strategisch entscheidenden Einfallstor nach Ägypten. 841 v. Chr. entrichtete Gaza erstmals Tributzahlungen an → Salmanassar III., blieb aber weiter selbstständig. → Tiglat-Pileser III. nahm Gaza 734 v. Chr. ein. Der philistäische Stadtfürst Ḫânûnu floh zunächst nach Ägypten und schmiedete später eine Koalition gegen die Assyrer, was aber 720 v. Chr. mit dem Sieg → Sargon II. über die Philister und deren von nun an enge Anbindung an das Assyrische Reich als Vasallen endete. Die Darstellung einer besonders mächtigen Stadt im Palast Sargons in Chorsabad, ohne Beischrift, zeigt möglicherweise Gaza und den gefangenen Ḫânûnu. → Sanherib teilte 701 v. Chr. einige von Juda abgetrennte Gebiete Gaza zu. Im 7. Jh. drangen die Assyrer schließlich über Gaza tief nach Ägypten ein und beherrschten es kurzzeitig (671-664 v. Chr.). Im Zuge der pharaonischen Renaissance in der 26. Dynastie nahm → Necho II. 609 v. Chr. Gaza ein, worauf vermutlich Jer 47,1 anspielt (s. oben). Er gelangte, wie schon Thutmose III., nach Megiddo, wo ihm → Josia von Juda zum Opfer fiel (Herodot, Hist. 2,159; Text gr. und lat. Autoren).




Das erneute ägyptische Intermezzo war aber nur von kurzer Dauer, denn das Neubabylonische Reich ersetzte nun das Assyrische, und → Nebukadnezar II. nahm schon 605 v. Chr. auch Gaza ein.






Mit der Vernichtung des Babylonischen Reiches durch die persischen → Achämeniden 539 v. Chr. versuchten die Pharaonen erneut, sich die Kontrolle über Gaza zu sichern. Trotz heftiger Gegenwehr Gazas gegen die Perser, die der griechische Historiker Polybios eindrucksvoll schildert (Hist. 16,22a; Text gr. und lat. Autoren), drang aber → Kambyses II. 525 v. Chr. nach Ägypten vor, um es dem Perserreich einzuverleiben. Gaza wurde, mit Askalon und Ekron, von Aschdod aus verwaltet.




Unter persischer Herrschaft gelangt Gaza zu zunehmender wirtschaftlicher Blüte. Von immer stärkerer Bedeutung wird nun die Weihrauchstraße (→ Weihrauch), die Gaza als deren Endpunkt am Mittelmeer mit Südarabien verbindet. Zugleich bildet Gaza ein Bollwerk, das die Nabatäer, die den Löwenanteil am Ertrag dieser bedeutenden Handelsachse erwirtschaften, daran hindert, selbst bis ans Mittelmeer vorzustoßen.



4.4. Hellenistische und römische Herrschaft




Wie schon gegen die Perser, so versucht Gaza 332 v. Chr. ähnlich heftig, aber mit verheerenden Folgen, sich gegen Alexander d. Großen zur Wehr zu setzen. Erst nach fünfmonatiger Belagerung gelang ihm die Eroberung der Stadt, an deren Bevölkerung er durch Tötung der Männer und Versklavung von Frauen und Kindern ein Exempel statuierte (Arrian, Anab. 2; Text gr. und lat. Autoren). In der Folge stritten sich die Diadochen um ihre Machtbereiche. Diodorus Siculus berichtet von der Elefantenschlacht 312 v. Chr. bei Alt-Gaza, die Ptolemäus I. für sich entschied (19.59,2; 84,6-8; Text gr. und lat. Autoren), so dass Gaza wieder von Ägypten aus beherrscht wurde. 198 v. Chr. übernehmen die → Seleukiden von Syrien aus die Herrschaft über Palästina, erneut gegen den Widerstand der Bewohner von Gaza.




Die in 1Makk (s. oben) geschilderte vertragliche Einigung in Folge der Belagerung durch den → Hasmonäer Jonatan 145 v. Chr. wäre im sonst charakteristischen Verhaltensmuster der Gazäer eine Ausnahme. Nochmals wurde nämlich Gaza durch den Hasmonäerkönig Alexander Jannäus 96 v. Chr. schwer zerstört, der es erst nach einem Jahr Belagerung einnehmen konnte („Die Gazäer […] ließen sich weder durch den Mangel an Lebensmitteln noch durch die Menge der Gefallenen einschüchtern, wollten vielmehr lieber alles Ungemach erdulden, als in die Hände ihrer Feinde geraten“, Jos. Ant 13,360; Text gr. und lat. Autoren). Die Folge war, dass Jannäus sein Vorhaben, Gaza zum „Hafen von Jerusalem“ zu machen, aufgab und die zerstörte Stadt wohl erst über hundert Jahre später, nach der Eroberung Judäas durch Pompeius, von Statthalter Gabinius 61 v. Chr. neu aufgebaut wurde. Mit diesem Jahr beginnt die neue, gazäische Zeitrechnung („aer. Gaz.“), die bis in byzantinische Zeit zur Datierung verwendet wird.






Unter den Städten, die Antonius Kleopatra zum Geschenk machte, war auch Gaza, doch Augustus übertrug sie 30 n. Chr. an → Herodes d. Gr. Damit gehörte die Stadt, anders als das unabhängig gebliebene Aschdod, nun kurzzeitig zu Judäa. Sie wurde aber nach Herodesʼ Tod 4 v. Chr. wieder selbstständig innerhalb der Provinz Syria und wird von Flavius Josephus als griechisch geprägte Stadt beschrieben (Jos. Ant 17,320; Bell 2,97; Text gr. und lat. Autoren). Zu Beginn des jüdischen Krieges gegen Rom 66 n. Chr. sollen Aufständische nach Gaza vorgedrungen und dort Zerstörungen angerichtet haben (Jos. Bell 2,460; Text gr. und lat. Autoren), wovon sich die Stadt aber offenbar schnell erholte. Insgesamt brachte die römische Herrschaft nun mehrere Jahrhunderte wirtschaftlicher wie kultureller Blüte für Gaza. Besonders gefördert wurde sie von Hadrian nach seinem Besuch dort während des Bar-Kochba-Aufstands (132-135 n. Chr.). Aus seiner Zeit stammt wohl die monumentale Marmorstatue des Zeus, die heute im Archäologischen Museum Istanbul zu sehen ist.






Die Münzen der Stadt zeigen oft ein Bildnis oder den Tempel des Gottes Marnas, der in den römischen Quellen als „kretischer Zeus“ beschrieben wird. Damit wird sicherlich nicht nur auf die allgemein gültige Geburt des Zeus in der Psychro-Höhle auf Kreta angespielt, sondern auf die zugeschriebene Verwurzelung des alten Hauptgottes der Philister. Marnas darf aramäisch als „unser Herr“ (marānā) abgeleitet werden, so dass uns der Eigenname des Gottes verborgen bleibt. Falls die alttestamentlichen Angaben zu Dagon als Hauptgottheit der Philister und Gazas (s. oben) historisch zutreffen sollten, wäre Marnas auf ihn zu beziehen. Sein Tempel an der höchsten Stelle der Stadt muss sich am Standort der heutigen Großen Moschee befunden haben. Sicherlich hatte dort auch der Haupttempel der philistäischen Stadt gestanden, vielleicht auch schon der des Amun.








Zu besonderer Blüte gelangte auch die schon unter den → Ptolemäern an der wenige Kilometer entfernten Küste gegründete neue Hafenstadt „Neu-Gaza“, die den aramäischen Namen Maiumas („[Stadt] am Meer“) erhielt. In einer Synagoge aus byzantinischer Zeit zeigte ein Fußbodenmosaik u.a. eine Darstellung des psalmodierenden Königs → David. Sie wurde vor oder während des Sechstagekriegs mutwillig zerstört, so wie während der 1. Intifada das Relief einer Menora (→ Leuchter) mit hebräischer und griechischer Inschrift, das sich an einer der in der Großen Moschee (zuvor Kreuzfahrerkirche) wiederverwendeten Innensäulen befand. Auch von einer samaritanischen Synagoge in Maiumas wurden im späten 19. Jh. Spolien gefunden. Eine weitere hellenistische und römische Satellitenstadt, nördlich von Maiumas, wird ab dem 1. Jh. v. Chr. unter dem Namen Anthēdon (gr. Ἀνθηδών; „die Blühende“) erwähnt. Herodes benannte sie nach seinem Gönner Agrippa, einem Vertrauten des Augustus, in Agrippias um, was sich aber nicht durchsetzen konnte.


In Maiumas fasste das Christentum zuerst erfolgreich Fuß, weshalb die Stadt im 4. Jh. den Namen Konstantia erhielt. Mehrere Bischöfe von Gaza in dieser Zeit stammen wohl eigentlich von dort. Der Hl. Hilarion (291-371), der in der Nähe von Gaza geboren wurde, führte als Schüler von Antonius d. Gr. aus Ägypten das anachoretische Mönchtum in Palästina ein und gründete ein Kloster südlich von Gaza (Tell Umm al-‘Amr).




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