Reichsbürger: AfD-Abgeordnete führte Terrorverdächtige durch den Bundestag

Reichsbürger: AfD-Abgeordnete führte Terrorverdächtige durch den Bundestag

www.zeit.de - Astrid Geisler, Martín Steinhagen

Die ehemalige AfD-Abgeordnete Birgit Malsack-Winkemann soll mehreren mutmaßlichen Mitgliedern der Reichsbürger-Gruppe um Heinrich XIII. Prinz Reuß Zugang zum Bundestag verschafft und sie durchs Parlamentsgebäude geführt haben. Das geht aus den jüngsten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (BGH) zur Untersuchungshaft der früheren AfD-Politikerin und mutmaßlicher Komplizen hervor. Bei den inzwischen terrorverdächtigen Bundestagsbesuchern handelte es sich demnach unter anderen um den rechtsextremen früheren KSK-Soldaten Peter Wörner und den ehemaligen Bundeswehr-Oberst Maximilian Eder.

Der Führungszirkel der Gruppierung um Prinz Reuß steht laut dem BGH im Verdacht, eine "bewaffnete Erstürmung des Reichstagsgebäudes durch eine Gruppe von bis zu 16 Personen" geplant zu haben. Ziel sei es gewesen, Regierungsmitglieder und Abgeordnete in Handschellen abzuführen.

Im Zuge der Anschlagsvorbereitung soll Wörner demnach im Spätsommer 2021 nach Berlin gereist sein. Malsack-Winkemann, die damals noch für die AfD im Bundestag saß, habe Wörner und Eder die Parlamentsliegenschaften gezeigt. Als Abgeordnete hatte sie freien Zugang zu allen Bundestagsgebäuden und durfte laut den Ermittlungen jederzeit bis zu sechs Gäste mitnehmen. Wörner sei zweimal von ihr durch das Parlament geführt worden, dabei habe er auch Videos im Bundestag gedreht, heißt es in einem BGH-Beschluss – unter anderem "vom Inneren des Plenarsaals des Deutschen Bundestages" und unterirdischen Verbindungsgängen zwischen den Gebäuden im Regierungsviertel. Die Gruppe besuchte auch das Paul-Löbe-Haus, in dem etwa Ausschüsse tagen.

Malsack-Winkemann soll mutmaßlichen Mitverschwörern zudem erklärt haben, wo im Plenarsaal die Regierungsmitglieder sitzen und später, rund drei Monate vor ihrer Festnahme, eine vorläufige Tagesordnung für eine Plenarwoche im September 2022 verschickt haben.

Die Anwälte von Malsack-Winkemann und Wörner ließen Anfragen von ZEIT ONLINE zu den Vorwürfen zunächst unbeantwortet. Malsack-Winkemann selbst hat in einer Aussage gegenüber Ermittlern eingeräumt, Mitbeschuldigte durch das Reichstagsgebäude geführt zu haben, heißt es in einem Beschluss des BGH. Bestätigt hat sie demnach auch, Mitglied eines "Rates" um Prinz Reuß gewesen zu sein, die "terroristische Zwecksetzung der Gruppierung" aber bestritten: Es sei weder ein Umsturz noch ein gewaltsames Eindringen in das Reichstagsgebäude geplant gewesen. Der Verteidiger von Maximilian Eder teilte auf Anfrage mit, sein Mandant bestreite, einen Sturm auf den Bundestag geplant zu haben: "Herr Eder hätte sich an einem solchen Unsinn nicht beteiligt". Der Bundesgerichtshof schreibe lediglich das "Narrativ der Bundesanwaltschaft" ab, um die weitere Untersuchungshaft rechtfertigen zu können.

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Birgit Malsack-Winkemann ist Juristin, nach ihrem Ausscheiden aus dem Bundestag im Herbst 2021 hatte sie wieder als Richterin am Berliner Landgericht gearbeitet. Seit Dezember 2022 sitzt sie, so wie Maximilian Eder und Peter Wörner, in Untersuchungshaft. Die Bundesanwaltschaft wirft ihnen die Mitgliedschaft in einer Terrorgruppe um den hessischen Geschäftsmann Heinrich XIII. Prinz Reuß vor. Die Anhänger der Reichsbürger- und der QAnon-Bewegung sollen einen Umsturz geplant und ein Schattenkabinett gebildet haben. Die frühere AfD-Abgeordnete Malsack-Winkemann sollte den Ermittlungen zufolge das Justizressort übernehmen.

Recherchen der ZEIT hatten ergeben, dass Malsack-Winkemann zwischen Juli und Oktober 2021 zudem eine weitere, mittlerweile Terrorverdächtige aus der Gruppe um Prinz Reuß in ihrem Parlamentsbüro als Mitarbeiterin beschäftigt hatte. Die Frau aus dem hessischen Heppenheim war als Wahrsagerin und Astrologin tätig. Auch ihr wirft die Bundesanwaltschaft mittlerweile die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung vor.

Insgesamt gibt es in dem Mammutverfahren mehr als 60 Beschuldigte, die entweder Mitglieder der mutmaßlichen Terrorgruppe gewesen sein oder sie unterstützt haben sollen. Der BGH hält 20 der Beschuldigten außerdem für dringend tatverdächtig, Hochverrat begangen zu haben. Sie hätten "hochwahrscheinlich" darauf hingearbeitet, "die grundgesetzliche Ordnung gewaltsam zu ändern" und damit einen "Verfassungshochverrat" geplant.

Source www.zeit.de

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