Erziehungskunst – Waldorfpädagogik heute: Immun gegen Fakten

Erziehungskunst – Waldorfpädagogik heute: Immun gegen Fakten

www.erziehungskunst.de - Von Heiner Barz

Von Heiner Barz, März 2020

Wie Politik und Medien die Impfpflicht zur Staatsdoktrin erheben.

Impf-Skeptiker gelten als Fortschrittsfeinde und Verschwörungstheoretiker, als Schmarotzer und verblendete Esoteriker. Dabei hat es nach den offiziellen Zahlen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Deutschland in jüngerer Zeit keine Todesfälle durch Masern gegeben. Und die Masern-Impfquoten von Kindern liegen – ebenfalls laut offiziellen Zahlen (OECD) – seit vielen Jahren bei 97 Prozent. – Erstaunliche Ergebnisse einer Recherche, die ratlos macht.

Jens Spahn greift durch

50-100 Todesfälle jährlich gibt es durch »verunglückte« Schönheitschirurgie, wie etwa Fettabsaugen, in Deutschland. Zuletzt wurden zwei Tote beim Po-Vergrößern aus einer Praxis in Düsseldorf gemeldet. Nach Schätzungen gibt es bis zu 600.000 Infektionen und 20.000 bis 40.000 vermeidbare Todesfälle in deutschen Kliniken aufgrund von aggressiven Krankenhauskeimen pro Jahr, weil es an sachgerechter Hygiene fehlt. Dabei gibt es eindeutige Hinweise, was zu verbessern wäre – die Niederlande machen es vor.

Deutschland hat seit einiger Zeit einen profilierungswilligen Gesundheitsminister, der sich die Überzeugung zu eigen gemacht hat: Genug geredet – jetzt wird gehandelt. Wo also setzt Jens Spahn mit einer starken Gesetzesinitiative an? Nicht bei der kosmetischen Chirurgie, auch nicht bei der Krankenhaushygiene, sondern bei der Masern-Impfpflicht. Wer sein Kind nicht impfen lässt, wird, so hat es das Bundeskabinett am 17. Juli 2019 beschlossen, mit einem Zwangsgeld von bis zu 2.500 Euro bestraft.

Wie viele Todesfälle gibt es in Deutschland jährlich durch Masern-Erkrankungen? Je nach Jahr und Quelle schwankt die Zahl zwischen 0 (null) und 1. Die offizielle Statistik des zuständigen European Center for Disease Prevention and Control (ECDC) weist 2018 für die BRD keinen einzigen Todesfall aus (siehe Abb. 1).

Jens Spahn muss sich also fragen lassen, ob es nicht problematischere Entwicklungen im Gesundheitssektor gibt, die staatlich reguliert werden müssten. Selbstverständlich ist jeder Todesfall, der durch Masern bedingt ist, einer zu viel. Während allerdings bei Impfschäden von allen Seiten immer sofort auf die nicht eindeutige Zuordnung von Ursache (Impfung) und Wirkung (Erkrankung, Tod) hingewiesen wird und die Anerkennungsrate für Impfkomplikationen sich dementsprechend fast auf Promille-Niveau bewegt, wird die Zuordnung von Masern-Erkrankungen zu Todesfällen selten hinterfragt, obwohl die wenigen dokumentierten Fälle viele Fragen aufwerfen.

Beispiel: In Medienberichten taucht der tragische Fall einer Mutter von drei Kindern auf, die 2018 an Masern verstorben sei. Eine als WHO-Beraterin vorgestellte Dr. Cornelia Betsch führt diesen Fall aus Essen in einem Interview mit Cicero-Online an. Inwiefern ist diese hier immerhin mit dem WHO-Beraterstatus aufgewertete Information richtig? Der Fall hat sich zunächst nicht 2018, sondern 2017 zugetragen. Weiter war diese Mutter tatsächlich gegen Masern geimpft – entsprechend der für sie als Kind und Jugendliche gültigen Impfempfehlungen. Dass sich ihr Zustand so sehr verschlechterte, war offenbar vor allem dem Umstand zuzuschreiben, dass ihr eine adäquate Behandlung verweigert worden war. Zunächst wurde sie von ihrem Hausarzt falsch, nämlich gegen Grippe behandelt. Dann wurde sie im Krankenhaus vorstellig – wurde aber abgewiesen. Die von der WHO empfohlene Therapie bei Masern, nämlich die hochdosierte Gabe von Vitamin A, sowie konsequente Bettruhe, wurde nicht angewandt. Kritiker weisen zurecht darauf hin, dass es sich hier womöglich um Tod durch Behandlungsfehler und Behandlungsverweigerung handelt. Masern kommen somit nur sehr bedingt als Todesursache in Frage. Tatsache ist außerdem, dass selbst eine zweite Impfung – wie sie heute von der Ständigen Impfkommission (Stiko) empfohlen wird – keinen verlässlichen Schutz gegen eine Masern-Infektion darstellt. Offizielle Zahlen sprechen davon, dass es auch dann noch bis zu acht Prozent sogenannte Impfversager gibt.

Masern – Panik auf Bestellung

Bisher war man geneigt, die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) als seriös einzuordnen. Wenn aber der zentrale optische Aufmacher der FAZ am 15. Juni 2019 auf der ersten Seite unter der Überschrift »Bedrohlich« mit »allein in Europa« 84.000 Masernfällen im Jahr 2018 ein Schreckensszenario ausmalt und fordert, die Impfgegner in Deutschland müssten qua Impfpflicht schachmatt gesetzt werden – dann kommen Zweifel.

Noch nicht einmal im ganzseitigen FAZ-»Bericht« auf Seite 3 – Überschrift: »Gemeingefährlich« – erfährt man, dass weit über die Hälfte dieser Masernverdachtsfälle (53.218) aus der Ukraine gemeldet wurden – und sowieso nur ein Bruchteil sich auf die Europäische Union bezieht. Denn dann würde ja sofort jeder merken, dass eine deutsche Impfpflicht gegenüber den Masernfällen in der Ukraine, in Serbien oder Albanien ziemlich hilflos wäre (siehe Abb. 2).

Das Weglassen dieser Information scheint kein Zufall, sondern in die Strategie von Leuten zu passen, die lauthals wissenschaftliche Objektivität für sich reklamieren, um schamlos alle wissenschaftliche Redlichkeit beiseite zu lassen. Statt losgelöst von allen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen auf Impfquoten und Infektionsfälle zu verweisen, wäre es naheliegend, die sozialen und hygienischen Verhältnisse in den besonders stark betroffenen Regionen in Rechnung zu stellen. Zum Beispiel herrschen in Teilen des Landes mit den höchsten Masern-Erkrankungszahlen (Ukraine) kriegsähnliche Zustände.

Dass derartig tendenziöse Artikel auf die hohen Hürden, die überwunden werden müssen, um eine Erkrankung als Impfschaden anerkannt zu bekommen, mit keinem Wort eingehen, versteht sich von selbst. Folglich kommen auch Begriffe wie »Dunkelziffer« überhaupt nicht vor. Dabei liegt es auf der Hand, dass die Zahl derjenigen, die gesundheitliche Beeinträchtigungen infolge von Impfungen erlitten haben, um ein Vielfaches höher sein dürfte, als die wenigen anerkannten Fälle. Dass vermutete Zusammenhänge zwischen Impfung und Erkrankung oft »nicht eindeutig nachweisbar« sind, heißt nicht, dass es sie nicht gibt. Nur wenige haben die Ausdauer und das nötige finanzielle Polster, um jahrelange Gerichtsverfahren zur Anerkennung von Impfschäden durchzustehen. Die Bestsellerautorin Daniela Krien (»Die Liebe im Ernstfall«, 2019) berichtet in einem Interview über diese qualvolle Situation: Ihre Tochter »war ein gesundes Kind, bis sie eine für Babys empfohlene Sechsfachimpfung bekam. Seither ist sie geistig behindert. [...] Wir haben vor Gericht um die Anerkennung des Impfschadens kämpfen müssen« (Bunte, 4. April 2019).

Ein anderes Beispiel: Offizielle Stellen wie die Bundesregierung behaupten, dass es von 2007 bis 2018 280 Fälle der tödlich verlaufenden Hirnerkrankung SSPE (subakute sklerosierende Panenzephalitis) gegeben habe, die Spätfolge einer Masernerkrankung sein kann. Was ist dran? Auf eine Kleine Anfrage eines Bundestagsabgeordneten der FDP zur Zahl der SSPE-Toten hin musste sich die Bundesregierung korrigieren: laut Statistischem Bundesamt sei in den Jahren 2007 bis 2015 bei insgesamt 29 Personen als Todesursache eine SSPE dokumentiert worden, hieß es nun. Damit unterscheide sich die Zahl der bestätigten SSPE-Todesfälle von der Zahl der im Krankenhaus dokumentierten SSPE-Behandlungen um den Faktor zehn. – Faktor zehn! Darf man da eventuell von einem Glaubwürdigkeitsproblem sprechen? Während man also immer wieder feststellen muss, dass Masern-Infektionen mit Horrorzahlen aus entlegenen Kriegsgebieten (siehe Ukraine) aufgebauscht werden, werden umgekehrt die Impfrisiken verharmlost und kaschiert.

Wie Impfrisiken minimiert werden

Das Pendant zur »Schweigespirale«, die Elisabeth Noelle-Neumann schon 1980 identifiziert hatte, ist der Überbietungswettbewerb, wenn es um die Diskreditierung, Verächtlichmachung und Delegitimierung abweichender Bewertungen und Meinungen geht.

Ein unschönes Beispiel lieferten Deutschlands Medien in ihrer Reaktion auf den autobiografischen Dokumentarfilm »Eingeimpft« von David Sieveking – eine authentische Home-Story aus dem Alltag einer jungen Familie, in der es Streit um die Frage gibt, ob das Baby geimpft werden soll oder nicht. Der Film wurde zerrissen und als Argumentationshilfe für die Fraktion der Impfgegner kritisiert. Dabei ist der Filmemacher David Sieveking von Anfang an pro Impfung und am Ende hat er sogar auch seine widerstrebende Frau überzeugt und die beiden Kinder wurden geimpft. Dazwischen liegen gut dokumentierte Gespräche, Recherchen und Besuche bei ausgewiesenen Impfexperten der verschiedensten Richtungen und Institutionen. Dass aber überhaupt die realen Ängste und Argumente gegenüber Impfungen, wie sie von Sievekings Frau Jessica de Rooij stellvertretend verkörpert werden, zur Sprache kommen, wird Sieveking angelastet. Fachlich vermeintlich besonders kompetent fällt die Kritik im Deutschen Ärzteblatt aus. Hier nimmt man Sieveking übel, dass er die Berichte aufgegriffen hat, dass der Sechsfach-Kombinationsimpfstoff Hexavac bald nach Zulassung zu Todesfällen bei Säuglingen geführt habe. Der Pathologe Prof. Dr. Randolph Penning, der den Stein durch die Meldung von drei ungewöhnlichen Todesfällen von Kleinkindern ins Rollen brachte, sagt im Film, bei den zuständigen Stellen habe man »das Ganze runtergebügelt«. Es sei versucht worden, ihn mundtot zu machen. Das Deutsche Ärzteblatt kritisiert: »Was im Film allerdings vollkommen unerwähnt bleibt, ist die Token-Studie, in der genau diese Beobachtung infolge der Meldungen vom Robert Koch-Institut in den Jahren 2005 bis 2008 weiter untersucht wurde. Es konnte kein Zusammenhang zwischen dem Impfstoff und Todesfällen bei Kleinkindern gezeigt werden. Die Hypothese wurde also nicht ›runtergebügelt‹, sondern nach wissenschaftlichen Kriterien untersucht und stellte sich als nicht haltbar heraus.« Das klingt nach sehr berechtigter Kritik von autorisierter Stelle – weil etwas verschwiegen wurde, was wesentlich ist im Zusammenhang mit dem Vorwurf über einen problematischen Impfstoff. Aber ist es auch richtig?

Der Mediziner Dr. Klaus Hartmann war jahrelang als Mitarbeiter im Paul-Ehrlich-Institut zuständig für Impfschäden. Bei ihm hatte sich der genannte Münchener Pathologe Penning damals mit seinen besorgniserregenden Befunden gemeldet. Hartmann berichtet, dass er diese Beobachtungen an die Europäische Arzneimittel-Überwachungsbehörde in London, die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) gemeldet habe, dass man aber dort nichts davon wissen wollte. Nachdem erste Medienberichte dazu erschienen waren, wurde schließlich doch eine größere und sehr aufwendige Studie in Auftrag gegeben: die Token-Studie. Dabei sollten alle Fälle von Säuglingstod auf ihren möglichen Zusammenhang mit Hexavac untersucht werden. Durch Auswertung der Fallberichte von Ärzten – aber auch durch zusätzliche Interviews mit den betroffenen Eltern und Ärzten. Klingt wiederum gut und wissenschaftlich höchst seriös. Der Haken daran: Hexavac wurde just zum Zeitpunkt des Starts der Studie im Jahr 2005 durch eine Rückrufaktion vom Markt genommen. Aus allen Apotheken und Arztpraxen war Hexavac von einem Tag auf den anderen verschwunden. Begründung des Herstellers: Der Langzeitschutz gegen Hepatitis B sei möglicherweise nicht dauerhaft gewährleistet. Wobei der Experte für die Zulassung von Arzneimitteln, Dr. Klaus Hartmann, sagt, dass eine derartige Einschränkung noch niemals Anlass für eine Rückrufaktion und einen kompletten Verkaufsstopp gewesen sei.

Die aufwendige Token-Studie hat folglich zu Hexavac keinerlei Befunde erhoben – sondern nur über einen anderen, am Markt verbliebenen Sechsfach-Impfstoff. Dieser war aber nie Gegenstand der Impfschadens-Verdachtsmeldungen oder des von Penning vermuteten Zusammenhangs mit Todesfällen. Hier wendet sich die Kritik des Ärzteblatts, dass wesentliche spezifische Informationen verschwiegen wurden, gegen das Ärzteblatt selbst!

Geprüft wurde also möglicherweise die Verträglichkeit anderer Impfstoffe – aber eindeutig nicht die von Hexavac. Um das herauszufinden muss man freilich das Kleingedruckte in einer Fußnote der Token-Studie lesen – deren Beweiskraft für die behauptete Unbedenklichkeit von Hexavac damit null und nichtig ist.

Impfpflicht fördert den Vertrauensverlust in Impfungen

Selbst wenn man einmal die Arbeitshypothese annimmt, dass Masernimpfungen sinnvoll und wichtig sind, bleibt die Frage, ob eine Impfpflicht ein probates Mittel ist, um die Impfquoten und damit die Immunität gegenüber einer Masernerkrankung zu erhöhen. Auch an dieser Behauptung sind Zweifel nicht nur erlaubt, sondern sogar geboten. Deutschlands führende Impfbefürworter, etwa der aktuelle Vorsitzende der STIKO, Prof. Dr. med. Thomas Mertens, sein Vorgänger, Dr. med. Jan Leidel und der Präsident des Robert-Koch-Instituts, Prof. Dr. med. Lothar Wieler sprechen sich gegen die Impfpflicht aus. Auch gibt es in Europa eine Reihe von Ländern mit Impfpflicht. Der Befund: Laut ECDC werden die beiden ersten Plätze mit den häufigsten Masernfällen von Ländern mit Impfpflicht belegt: nämlich von Italien und von Frankreich (siehe Grafik auf Seite 59). Die Länder mit der höchsten Vertrauensquote in Impfungen – Portugal und Finnland – haben dagegen keine Impfpflicht. Die Länder mit der geringsten Vertrauensquote – Belgien und Bulgarien – haben eine Impfpflicht. Man muss also feststellen, dass Länder, in denen eine Impfpflicht gilt, insgesamt weniger Vertrauen in die MMR-Impfung haben. Übrigens stimmt es auch nicht, dass etwa das Vertrauen in Impfungen in Deutschland in den letzten Jahren gesunken sei – empirische Daten zeigen, dass das Gegenteil richtig ist. 1980 lag die Masernimpfquote bei 25 Prozent, 1990 bei 75, 2000 bei 92 und seit 2007 konstant bei 97 Prozent.

Cornelia Betsch, in Erfurt Professorin für Psychologie mit Schwerpunkt Einstellungen zu Impfen und zur Frage, wie man Impfkampagnen psychologisch optimiert, äußerte sich am 24.7.2013 in der FAZ zu dem Vorwurf, dass Impfgegner Masernpartys mit Kindern abhielten, um durch eine bewusst herbeigeführte Masernerkrankung das Immunsystem der Kinder zu stärken: »Für die in den Medien immer wieder zitierten angeblichen Masernpartys gibt es empirisch keine Evidenz, es handelt sich offenbar um eine urbane Legende, die sich hartnäckig hält.«

Um auf die aktuelle Impfpflicht-Gesetzgebung zurückzukommen: Zugespitzt kann man sich fragen, ob es nicht Parallelen gibt zwischen den Populisten, die sich mit Sprüchen und Maßnahmen gegen Homosexuelle und Atheisten beim Volk anbiedern, und Gesundheitspolitikern, die sich mit Sprüchen gegen vermeintlich religiös oder ideologisch fehlgeleitete Impfskeptiker als Helden der Volksgesundheit profilieren. Und gesetzliche Zwangsmaßnahmen auf den Weg bringen, die das Gegenteil von dem bewirken werden, was rhetorisch propagiert wird.

Der Deutsche Ethikrat, dessen 26 Mitglieder je zur Hälfte von Bundesregierung und Bundestag vorgeschlagen und vom Bundestagspräsidenten berufen werden, hat sich eindeutig gegen die Impfpflicht positioniert, ebenso die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin (DEGAM). In der Bundesrats-Sitzung vom 6. September 2019 wurden von den vier involvierten Fachausschüssen grundsätzliche und verfahrenstechnische Bedenken gegenüber der Gesetzesvorlage zur Masern-Impfpflicht formuliert. Die von der rheinland-pfälzischen Bildungsministerin Dr. Stefanie Hubig (SPD) zusammengefassten Einwände mündeten in der Empfehlung, das Gesetz unter Zustimmungsvorbehalt des Bundesrates zu stellen.

Quelle: Positionspapier der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin (DEGAM) zur Impfpflicht, S. 4 t1p.de/degam-impfplicht

Aus den Empfehlungen der Fachausschüsse des Bundesrats:

»Durch die Änderungen in § 20 IfSG müssten die Einrichtungsleitungen künftig regelmäßig die Impfnachweise aller ›Neuzugänge‹ prüfen, dokumentieren und gegebenenfalls das Gesundheitsamt informieren. Gleiches gilt hinsichtlich der Nachweisführung der bereits in den Einrichtungen Tätigen beziehungsweise Betreuten. Allein im rheinland-pfälzischen Schulbereich sind insoweit bis Juli 2021 rund 450 000 Impfnachweise zu prüfen. Unterstellt, die Schulleitung benötigt für sämtliche Arbeiten im Zusammenhang mit der Kontrolle des Impfnachweises durchschnittlich 15 Minuten, so ergibt sich bis Juli 2021 eine zusätzliche Arbeitsbelastung der rheinland-pfälzischen Schulleitungen von 112 500 Arbeitsstunden. Dies entspricht bei einer Jahresarbeitsleistung pro Schulleitung von 1 840 Stunden (230 Arbeitstage à 8 Stunden) rund 61 Vollzeitstellen.« (S. 2) »Würde die Aufgabe stattdessen den Einrichtungsleitungen übertragen, könnte das notwendige und wertvolle Ver­trauensverhältnis zwischen Einrichtung und dort betreuten oder tätigen Personen empfindlich gestört werden, wenn in Person der Einrichtungsleitung pädagogische Beratungstätigkeit und ordnungspolitische Aufgaben zusammentreffen.« (S. 14)

»§ 20 Absatz 8 Satz 2 IfSG sieht vor, dass die Pflicht, einen Impfnachweis vorzulegen, auch dann besteht, wenn zur Erlangung von Impfschutz gegen Masern ausschließlich Kombiimpfstoffe zur Verfügung stehen, die auch Impfstoffe gegen andere Krankheiten enthalten.

Anders als zum Beispiel in der Schweiz, wo auch ein Einfachimpfstoff verfügbar ist, stehen in der Bundesrepublik derzeit nur dreifach (Mumps – Masern – Röteln) oder vierfach (MMR + Windpocken) Impfstoffe zur Verfügung. Die grundrechtsbeschränkende Wirkung des Gesetzentwurfes wird damit (quasi als Beifang) zumindest auf die Impfung gegen Mumps und Röteln ausgeweitet, ohne dass insoweit die Grundrechtsbeschränkung ausdrücklich geregelt wird. Zugleich eröffnet dies die Möglichkeit, eine faktische Impfpflicht künftig für andere Erkrankungen herbeizuführen. Je nach Produktionsverhalten der Pharmaindustrie oder Medikamentenzulassung durch die zuständigen Behörden, könnten künftig ausschließlich Impfstoffe zur Verfügung stehen, die neben dem Masernimpfstoff andere Impfstoffe beinhalten als die aktuell vertriebenen MMR-Impfstoffe.« (S. 32)

Dessen ungeachtet, hat der Bundesrat am 20. Dezember 2019 auf seinen Zustimmungsvorbehalt endgültig verzichtet und sich mit geringfügigen Änderungen zufriedengegeben. Jens Spahn erklärte in der Bundesrats-Sitzung stolz, dass es damit erstmals seit der 1874 im Deutschen Reich gesetzlich verankerten Pocken-Impfpflicht wieder ein Gesetz gebe, in dem der Staat ein Impf-Diktat durchsetzt. Zumindest gilt das für Westdeutschland – in der DDR gab es dagegen ein umfangreiches Pensum an Pflichtimpfungen. Impf-Versäumnisse wurden mit Ordnungsgeldern von 10 bis 500 DDR-Mark geahndet. Erich Honecker hätte seine Freude an Spahn – Immanuel Kant freilich wird sich vermutlich im Grabe umdrehen. Der stand den damals aufkommenden Impfkampagnen eher skeptisch gegenüber.

Source www.erziehungskunst.de

Report Page